→ Definition:
→ I: Beim Analkarzinom handelt es sich um eine sehr seltene maligne Neoplasie des Analkanals.
→ II: Je nach Lokalisation unterscheidet man zwischen einem:
→ 1) Analkanal-Ca: Das Analkanal-Ca, das sich im Bereich vom Oberrand der Puborektalisschlinge bis zur Linea anocutanea manifestiert, stellt mit 75% der Fälle die deutlich häufigere Karzinomlokalisation dar. Es metastasiert initial lymphogen in die perirektalen und iliakalen LK, erst später in die inguinalen.
→ 2) Analrand-Ca: (25%) Es reicht von der Linea anocutanea bis in die 5cm von der Analöffnung umgebende Haut. Das Analrandkarzinom metastasiert primär lymphogen in die inguinalen LK.
→ Epidemiologie:
→ I: Das Analkanal-Karzinom macht 4-5% der kolorektalen malignen Tumoren aus und ist somit sehr selten.
→ II: Die Inzidenz liegt in Deutschland insgesamt bei 0,5-1,5%/100000 Einwohnern, wobei Frauen etwas häufiger betroffen sind als Männer (1:1,5-3).
→ III: Das Analkarzinom ist eine Erkrankung des höheren Lebensalters; der Manifestationsgipfel liegt jenseits des 50. Lebensjahr, zumeist zwischen dem 60.-70. Lebensjahr.
→ Ätiologie: Das Vorliegen von perianalen Veränderungen kann die Entwicklung eines Karzinoms begünstigen. Hierzu zählen insbesondere:
→ I: Chronische Fistel- und Abszessbildung,
→ II: Condylomata acuminata, insbesondere mit HPV-16 und 18,
→ III: HIV, Herpes-II-Infektionen, Infektionen mit Gonokokken und Clamydien.
→ IV: Sexueller Analverkehr,
→ V: Präkanzeröse Konditionen wie Morbus Crohn und nicht zuletzt
→ VI: Präkanzeröse Läsionen wie Leukoplakie und bowenoide Papulose, anale intraepitheliale Neoplsien (AIN) etc.
→ Klinisch-relevant: Frauen mit einem Zervix-Ca weisen ein 5-fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Analkarzioms auf.
→ Pathologie:
→ I: Makroskopie: Beim Analkarzinom unterscheidet man makroskopisch zwischen einer ulzerierenden (mit 50% häufigste Form), diffus-infiltrierenden und einer knotig bis polypösen Form.
→ II: Mikroskopie: Hinsichtlich seiner Herkunft unterscheidet man unterschiedliche Karzinomtypen:
→ 1) Plattenepithelkarzinom: Stellt mit 65% die häufigste Form dar, wobei ¾ der Tumoren proximal der Linea dentata und ¼ distal dieser Linie entstehen.
→ 2) Kloagogenes Karzinom: Stellt eine Sonderform des Plattenepithelkarzinoms dar und ist nur in 2% der Fälle nachweisbar. Charakteristikum dieser malignen Neoplasie ist, das es aus der Transitionalzone (Transitionsepithel) zwischen Anoderm und Rektummukosa hervorgeht. Beim kloagogenen Karzinom wird nochmals zwischen dem
→ A) Basaloiden Karzinom (das morphologisch dem Basalkarzinom der Haut gleicht),
→ B) Transitionalkarzinom (ähnelt dem Übergangskarzinom der Harnblase) und dem
→ C) Pleomorphen Karzinom differenziert.
→ Klinisch-relevant: Von der WHO wurde eine weitere histopathologische Klassifikation erstellt. Dabei werden die Malignome nach dem Sitz im Analkanal oder am Analrand sowie nach dem histopathologischen Typ unterschieden:
→ 3) Adenokarzinom: Gehen insbesondere von den Analdrüsen aus und sind zudem auch vermehrt in den anorektalen Fistel im Rahmen eines Morbus Crohn anzuftreffen.
→ Metastasierung:
→ I: Lymphogene Metastasierung: Analkarzinome, die innerhalb der Linea dentata liegen, metastasiert frühzeitig (primär) in die retroperitonealen Lymphknoten (z.B. perirektale LK), außerhalb der Linea dentata in die inguinalen LK.
→ II: Hämatogene Metastasierung: Sie manifestiert sich zumeist sehr spät und erfolgt zum einen über die Vena portae in die Leber, zum anderen über die Vena cava in die Lunge.
→ III: Per Continuitatem: Ins Rektum, aber auch transmural in Prostata, Vagina und Harnblase.
→ Klinik: Beim Analkarzinom kann man zwischen:
→ I: Frühsymptomen: Zumeist ist die Symptomatik initial gering und uncharakteristisch. Hierzu zählen:
→ 1) Pruritus,
→ 2) Schmerzen bei der Defäkation,
→ 3) Fremdkörpergefühl und anale Missempfindungen,
→ 4) Schleimsekretion,
→ 5) Leichte Blutungen ex ano,
→ 6) Blutauflagerungen.
→ 7) Entwicklung eines chronisch derben Ulcus und
→ II: Spätkomplikationen:
→ 1) Stuhlunregelmäßigkeiten mit wechselnden Beistiftstühlen und Stuhlinkontinenz aufgrund der karzinombedingten Stenosierung.
→ 2) Gewichtsverlust.
→ Klinisch-relevant: Das Analkarzinom kann sich als benigne proktologische Analerkrankung wie das Analekzem präsentieren.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese/klinische Untersuchung:
→ 1) Eruierung von Schmerzen, Stuhlgewohnheiten, Butauflagerungen, Abklärung weiterer Risikofaktoren.
→ 2) Palpation der inguinalen Lymphknotenstationen,
→ 3) Digital-rektal: Das Gewebe ist derber, fester und härter als die Umgebung.
→ A) Evtl. Nachweis von Kontakt- und Schmierblutungen,
→ B) Geringe Schmerzhaftigkeit,
→ C) Verdickung des Analrings, zumeist asymmetrisch z.T. stenosierend.
→ II: Labor: Bestimmung des Blutbildes und der Leberwerte sowie der Tumormarker insbesondere von CEA und SCC (= Squamous-Cell-Carcinoma-Antigen = Plattenepithelkarzinom-assoziiertes-Ag)
→ III: Bildgebende Verfahren:
→ 1) Proktoskopie: Mit multiplen Gewebebiopsien (mapping) und Histologie, insbesondere bei diffusen Veränderungen.
→ 2) Endosonographie: Zur präzisen Bestimmung der Tumorausdehnung bzw. -infiltration und des regionalen Lymphknotenbefalls.
→ 3) Koloksopie: Zum Ausschluss eines Zweittumors im Bereich des Kolons.
→ 4) Spiral-CT/MRT: (Becken und Abdomen) Zur Beurteilung des Staging mit Bestimmung der Umgebungsinfiltration, möglicher Fernmetastasen etc.
→ 5) Röntgen-Thorax: Zum Nachweis evtl. von Lungenmetastasen.
→ Differenzialdiagnose: Von dem Analkarzinom müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: Benigne Erkrankungen: Wie Hämorrhoiden, Perianalthrombose, Analfissur, Analfistel, Pilonidalsinus, Pyodermia fistulans sinifica, etc.
→ II: Infektionserkrankungen: Wie Condylomata acuminata, Herpes-Infektion, Lues, Proktitis aufgrund einer Gonorrhoe-Infektion, etc.
→ III: Maligne Neoplasien: Wie das Melanom und Karposi-Sarkom bei AIDS.
→ Therapie: Hierbei ist das primäre Ziel die kurative Behandlung mit möglicher Erhaltung der physiologischen Kontinenz.
→ I: Analrandkarzinome: Analrandkarzinome im Stadium T1 bis T2 werden mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand lokal exzidiert. Jedoch erfolgt bei T1/T2 Karzinomen die nicht R0 reseziert wurden bzw. T3/T4 – mit Befall der regionalen Lymphknotenstationen eine anschließende Radiochemotherapie.
→ II: Analkanalkarzinom:
→ 1) Wegen der anatomischen Nähe zum Kontinenzapparat und der ausgeprägten Strahlensensibilität ist zumeist eine primäre Radiochemotherapie das Mittel der ersten Wahl.
→ 2) Radiochemotherapie: Hierbei erfolgt eine Radiotherapie, abhängig vom T-Stadium mit 50-60Gy, sowie eine Chemotherapie mit 5-Fluoro-Uracil und Mitomycin C.
→ III: Bei einem Rezidiv, Persistenz des Tumors infolge eines unzureichenden Therapieansprechens oder Analrandkarzinoms T > 2cm (entspricht der Therapie des Analkanalkarzinoms) ist eine operative Intervention indiziert. Typisches Operationsprinzip ist hierbei die Salvage-Operation. Charakteristikum ist die abdominoperitoneale Rektumexstirpation mit Anlage eines Anus praeter. Bei Befall der inguinalen Lymphknoten werden diese radikal mit entfernt.
→ III: Palliative Therapie:
→ 1) In der Palliativmedizin wird gerade im metastasierten Stadium eine Chemotherapie mit Cisplatin und 5-Fluoro-Uracil empfohlen.
→ 2) Weitere Therapieoptionen: Sind u.a. die transanale Elektro-/Lasertherapie oder die Radiatio zur Reduktion der Tumormasse.
→ Prognose:
→ I: Wichtige prognostische Faktoren sind Tumorgröße, Differenzierungsgrad und der Lymphknotenbefall.
→ II: Insgesamt liegt die 5-Jahresüberlebenschance bei Plattenepithelkarzinomen < 2cm und fehlender Metastasierung (N0/M0) bei 60-80%.
→ III: Beim kloakogenen Karzinom richtet sie sich insbesondere nach dem histologischen Differenzierungsgrad.