→ Definition: Als Zystitis bezeichnet man die Organreaktion der Harnblase auf unterschiedliche Noxen. Für die Schädigung der Blase kommen insbesondere bakterielle und/oder virale Erreger, chemische Substanzen, ionisierende Strahlen und nicht zuletzt immunologische Faktoren in Frage. Bei der akuten Zystitis handelt es sich um eine akute Entzündung der Mukosa und Submukosa der Harnblase zumeist durch gram-negative Bakterien insbesondere E. coli (80%, seltener durch gram-positive Bakterien z.B. Enterokokken, Staphylococcus, etc.) verursacht. Typischerweise kann sie isoliert oder in Kombination mit einer Pyelonephritis oder Prostatitis auftreten.
→ Epidemiologie:
→ I: Die Zystitis stellt bei Frauen die häufigste Infektionskrankheit dar;
→ II: Bei Männern ist die seltener, jedoch fast ausschließlich kompliziert.
→ III: Vor allem bei Männern zeigt sich ein Manifestationsgipfel ab dem 50. Lebensjahr zumeist aufgrund einer Prostatavergrößerung.
→ Ätiologie: Eine akute Zystitis wird in der Regel nur dann als unkompliziert bezeichnet, wenn sie bei sonst gesunden, nicht schwangeren Frauen auftritt.
→ I: Auslöser der Erkrankung sind in 70-90% der Fälle Kolikeime insbesondere E. coli, aber auch Enterokokken, Staphylococcus saprophyticus, Proteus mirabilis, Klebsiellen und Peudonomas, etc.
→ II: Pyurie bei negativer Standard-Urinkultur kann auf intrazelluläre Clamydien, Ureaplasma oder Mykobakterien hinweisen. Insbesondere bei älteren Patienten mit schlechtem Allgemeinzustand und HIV-Patienten, etc. manifestiert sich nicht selten ein Candidabefall.
→ III: Weitere Risikofaktoren: (Für die komplizierte Zystitis) sind u.a.:
→ 1) Hohe sexuelle Aktivität.
→ 2) Alter jenseits des 65. Lebensjahres und Diabetes mellitus.
→ 3) Blasenkatheter und Obstruktionen (anatomisch oder funktionell) der ableitenden Harnwege.
→ 4) Schwangerschaft und Immunsuppression.
→ Pathogenese: Pathomechanismus ist die Besiedlung und Anheftung fäkaler Keime im Bereich des Scheideneingangs, Urethra und der Blase. Diese bakterielle Adhärenz gilt als Ausgangspunkt der Infektion und wird durch haarartige Pili oder Fimbrien vermittelt. Diese Pili und ihre spezifischen Adhäsine bestimmen die Virulenz des Bakterium (man unterscheidet hierbei u.a. die P1-Pili und die P-Pili, letztere die insbesondere bei der Entstehung der Pyelonephritis eine bedeutende Rolle spielen). Männer sind durch die längere Harnröhre, antibakterielle Inhaltsstoffe des Prostatasekrets und die geringere Besiedlung des Meatus urethrae deutlich besser geschützt.
→ Klinik: In der Regel fehlen bei der akuten Zystitis Allgemeinsymptome und Fieber.
→ I: Kardinalsymptome der akuten Zystitis sind suprapubische Schmerzen, Miktionsstörungen wie Dysurie, Pollakisurie, Algurie, etc. sowie trüber, häufig terminal blutiger Urin.
→ II: Kinder und alte Menschen haben nicht selten geringere oder maskierte klinische Beschwerden wie generalisierte Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen.
→ Klinisch-relevant: Fieber, Flankenschmerzen und Erbrechen legen den Verdacht der Beteiligung des oberen Harntraktes nahe.
→ Klassifikation: Bei der Zystitis kann zwischen einer akuten und chronischen Form unterschieden werden. Die akute Zystitis weist wiederum zwei Unterformen, die unkomplizierte und komplizierte Form, auf.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese mit Eruierung der charakteristischen Symptome wie Dysurie, Pollakisurie, suprapubische Schmerzen und möglichen gleichzeitigen Beschwerden des Sexualpartners (sexuell übertragbare Erkrankungen), etc. Bei der klinischen Untersuchung lässt sich ein suprasymphysärer Druckschmerz auslösen.
→ II: Labor: Labordiagnostisch erfolgt eine mikroskopische und kulturelle Urinuntersuchung:
→ 1) Mikroskopisch ist eine Leukozyturie, Mikrohämaturie und Bakteriurie nachweisbar.
→ 2) Bei einer E. coli Infektion zeigt sich eine positive Nitritreaktion.
→ 3) Bei komplizierter Zystitis ist eine Bakterienkultur (> 105 cfu/ml sind signifikant = colony-forming-units) mit Testung der Antibiotika-Empfindlichkeit indiziert.
→ III: Zytoskopie: Zytoskopisch zeigt sich eine ödematöse Schwellung und fleckförmige Rötung der vulnerablen Schleimhaut.
→ Differenzialdiagnose: Von der akuten Zystitis müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: (Akute-/chronische-) Pyelonephritis,
→ II: Akute Urethritis (hierbei sind die Erreger meist Clamydien trachomatis, Neisseria gonorrhoeae und Herpes simplex).
→ III: Akute Vaginitis (Erreger zumeist Gandida albicans oder Trichomonaden).
→ Therapie: 50-70% der akuten unkomplzierten Zystitiden heilen unbehandelt spontan aus.
→ I: Allgemeinmaßnahmen: Sind u.a. ausreichende Trinkmenge einhalten, um einen Spüleffekt mittels z.B. Blasentee zu erreichen, evtl. Bettruhe bei erheblichen Beschwerden und/oder Wärmeapplikation.
→ II: Medikamentöse Therapie:
→ 1) Akute unkomplizierte Zystitis: Therapieziel ist zum einen die Symptomreduktion sowie die Verhinderung von Komplikationen (z.B. Pyelonephritis). Therapie der Wahl bei Frauen ist die Kurzzeit-Chemotherapie über 3 Tage, als Eintagstherapie und Einmaltherapie. Bei der Einmaltherapie werden Cotrimoxazol (einmalig 4 Tabletten von 480mg) oder Amoxicillin (3 Tabletten von 1g) einmalig verabreicht. Bei der Eintagstherapie werden die oben genannten Medikamente über den Tag und bei der Dreitagesbehandlung wiederum auf drei aufeinanderfolgenden Tagen verteilt. Besteht eine nachgewiesene Resistenz oder Unverträglichkeit gegen Cotrimoxazol bieten Gyrasehemmer eine gute Alternative. Obligat ist eine Kontrolluntersuchung mit Urinkultur 1 Woche nach Beendigung der Therapie.
→ 2) Akute komplizierte Zystitis: Bei dieser Form muss die Behandlung immer resistenzgerecht nach Antibiogramm erfolgen. Initial bieten die Gyrasehemmer ein breites antibakterielles Spektrum. Auch bei der komplizierten Zystitis sollte nach 24-48 Stunden eine Besserung der klinischen Symptomatik eintreten. Die Behandlungsdauer muss bei dieser Form mindestens über einen Zeitraum von 7-14 Tagen fortgeführt werden.
→ III: Supportive Therapie:
→ 1) Bei häufigeren Rezidiven kann nach Beseitigung bzw. Ausschluss der Risikofaktoren mehrmals pro Jahr eine Kurzzeit-Chemotherapie durchgeführt werden.
→ 2) Manifestiert sich die Zystitis regelmäßig im Anschluss an Geschlechtsverkehr so kann eine postkoitale antibiotische Prophylaxe erfolgen.
→ 3) Die Ansäuerung des Harns z.B. mit L-Methionin (3x 500-1000mg/d) verhindert das Wachstum von Enterobakterien.
→ 4) Bei Frauen in der Menopause kann durch eine vaginale Applikation von Östrogenen (z.B. Östriol 0,5g Creme) die Vaginalflora mit Zunahme der Laktobazillen und Abnahme des pH-Wertes verbessert werden.
→ IV: Langzeitprophylaxe: Insbesondere bei Frauen mit rezidivierenden komplizierten Harnwegsinfekten, aber auch bei Nierentransplantierten und nach Herzklappenersatz wird eine antibiotische Langzeitprophylaxe obligat. Hierfür eignet sich z.B. Cotrimoxazol (480mg/d) oder Nitrofurantoin (1000mg/d).