Definition: Bei der chronischen Pyelonephritis handelt es sich um eine chronisch-interstitielle Nephritis, hervorgerufen zumeist durch rezidivierende, bakterielle Infektionen der oberen Harnwege (= Harnwegsinfektion) bei Veränderungen des Harntraktes oder infolge eines vesikourethralen Refluxes. Charakteristisch sind keilförmige Narbenbildungen mit Einziehung der Nierenoberfläche.

  Ätiologie: Die chronische Pyelonephritis entsteht nur bei prädisponierenden Veränderungen mit Behinderung des Harnabflusses.

→ I: Anomalien der Nieren und/oder der ableitenden Harnwege.

→ II: Obstruktionen im Bereich der abführenden Harnwege wie Urethrastrikturen, Steine, Tumoren, Prostatahyperplasie, etc.

III: Vesiko-urethraler Reflux: Hierbei kommt es zum Rückfluss des Urins in die Ureteren und Niere. Normalerweise verlaufen die distalen Ureteren submukös und die Mündungen verschließen durch den physiologischen Blaseninnendruck. Beim VUR besteht eine Insuffizienz des Ureterverschusses im Bereich der vesikalen Mündungsstelle.

981 Schematische Darstellung der Pathogenese der chronischen Pyelonephritis

 

Klassifikation:

→ I: Primärer kongentialer VUR: Aufgrund einer Fehlanlage der Uretermündung (verkürzter submuköser Verlauf).

→ II: Sekundärer  VUR: Neurogene Innervationsstörung der Blase, Obstruktionen, urologische Eingriffe.

 

Pathogenese:

→ I: Häufigste Ursache einer chronische Pyelonephritis ist der vesiko-urethrale Reflux. Charakteristischerweise staut sich der Urin aus der Blase über die Ureteren in das Nierenbecken- bzw. Nierenkelchsystem und schließlich in das Nierenparenchym.

→ II: Infiziert sich in diesem Zusammenhang der gestaute Urin entwickelt sich einer Entzündungsreaktion, die zu Vernarbungen des Nierenparenchyms mit konsekutiver Gefahr der Ausbildung einer pyelonephritischen Schrumpfniere bzw. einer terminalen Niereninsuffizienz führt.

941 Wichtige Risikofaktoren für die Entwickllung einer chronischen Pyelonephritis

 

Klinik: Die chronische Pyelonephritis ist in der Regel symptomlos bzw. -arm. Charakteristisch im Krankheitsverlauf sind rezidivierende fieberhafte Harnwegsinfekte (wie z.B. Zystitis, etc. in der Anamnese). 

→ I: Die Symptome sind unspezifisch mit Müdigkeit, Kopfschmerzen, Inappetenz, Durst und Polyurie; im akuten Schub finden sich Symptome der akuten Pyelonephritis.

→ II: Weiter Symptome sind unklare, dumpfe Rückenschmerzen oder Flankenschmerzen sowie mögliche gastrointestinale Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust, etc.) und renale Anämie oder arterielle Hypertonie.

 

Komplikationen:

→ I: Im akuten Schub: Eitrige Nephritis, paranephritische Abszesse, abszedierende Pyelonephritis, PyonephroseUrosepsis (siehe akute Pyelonephritis).

→ II: Durch die Obstruktion der Harnwege kann sich eine Hydronephrose oder eine pyelonephritische Schrumpfniere entwickeln.

→ III: Ausbildung einer terminalen Niereninsuffizienz (Anstieg von Harnstoff, Kreatinin und Abnahme der Kreatinin-Clearance) bis hin zum Nierenversagen.

→ IV: Entwicklung einer renalen Hypertonie, aber auch Anämie.

→ V: Tubuläre Partialfunktionsstörungen wie Verlust der Harnkonzentrationsfähigkeit mit Polyurie und Polydipsie, Verlust von Natrium und Kalium (Hyponatriämie, Hypokaliämie).

942 Abszedierende Pyelonephritis

 

Diagnose:

→ I: Der vesiko-uretrale-Reflux wird heutzutage meist in der Kindheit diagnostiziert und behandelt (medikamentös: Langzeittherapie mit Trimethoprim + Sulfamethoxazol, alternativ chirurgische Therapie).

→ II: Labor:

→ 1) Urin: Proteinruie (bis 4g/d) sowie Urinkultur, Bakteriurie Urinsediment mit Leukozyturie, Leukozytenzylinder, Erythrozyturie.

→ 2) Blut: BSG und CRP-Erhöhung, im fortgeschrittenen Stadium renale Anämie und Zunahme der Retentionswerte (Kreatinin i.S., Harnstoff, Abnahme der Kreatinin-Clearance).

→ III: Bildgebung: Die Diagnose der chronischen Pyelonephritis wird mittels i.v. Pyelogramm gestellt. Dies zeigt insbesondere die Kelchdeformierungen unterschiedlichen Schweregrads. Typischerweise verplumpen die Kelche, die Kelchhälse nähern sich einander und es kommt schließlich zum Parenchymverlust. Weitere bildgebende Untersuchungen sind u.a.:

→ 1) Sonographie: Bestimmung der Größe und Form der Niere, evtl. Nachweis einer Hydronephrose im Zuge einer Harnstauung, evtl. Nachweis von Nierensteinen.

→ 2) Röntgen: Nachweis eines verplumpten Nierenbeckenkelch-Systems sowie narbiger Einziehungen, bei Schrumpfniere (= pyelonephritische Schrumpfniere) zusätzlicher Verlust des Nierenparenchyms.

→ 3) Bei Verdacht auf einen vesiko-urethralen Reflux ist die Miktionszystourethrographie und zur Beurteilung der Ostien eine Zystoskopie indiziert.

 

Differenzialdiagnose: Von der chronischen Pyelonephritis müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden; hierzu zählen:

→ I: Weitere nephrologische bzw. urologische Erkrankungen mit einer ähnlichen klinischen Symptomatik wie z.B. xanthogranulomatöse Pyelonephritis, Nephrolithiasis, Pyonephrose, etc.

→ II: Gastrointestinale Erkrankungen wie Appendizitis, Cholezystitis, Divertikulitis.

→ III: Lumbago, etc.

982 Xanthogranulomatöse Pelonephritis

 

Therapie:

→ I: Im akuten Schub: Antibiotische Behandlung nach Antibiogramm, evtl. antibiotische Langzeittherapie zur Rezidivprophylaxe.

→ II: Bei prädisponierenden Faktoren können diese operativ behoben werden.

→ III: Behandlung der Komplikationen wie renale Anämie, renale Hypertonie und die terminale Niereninsuffizienz mit:

→ 1) Allgemeinmaßnahmen: Wie ausreichend Flüssigkeitszufuhr, Vermeiden nephrotoxischer Substanzen, Kontrastmittel und Medikamente insbesondere NSAR, Nikotinkarenz, etc.

→ 2) Blutdruckeinstellung im unteren Normbereich mittels ACE-Hemmer oder AT1-Blocker.

→ 3) Medikamentöse Korrektur einer Hyperlipidämie sowie Optimierung der Butzuckereinstellung bei Diabetikern. 

 

Prognose:

→ I: Bei rechtzeitiger Diagnosestellung kann bei adäquater Therapie die chronische Pyelonephritis ausheilen bzw. nur lokalisierte Veränderungen bestehen.

→ II: Ansonsten entwickelt sich im weiteren Verlauf durch den Verlust des Nierenparenchyms eine Schrumpfniere mit evtl. renale Hypertonie, Proteinurie bis hin zur terminalen Niereninsuffizienz (mit der Gefahr der Urämie).