Definition: Bei der Urosepsis handelt es sich um eine zumeist durch gram-negative Bakterien (E. Coli, Klebsiellen, Proteus mirabilis, Pseudonomas aeruginosa, etc.) ausgelöste Infektion des Urogenitaltraktes mit nachfolgender Bakteriämie. Sie stellt eine lebensbedrohliche Infektion der harnableitenden Wege dar und ist die 3. häufigsten Ursache einer Sepsis bzw. endotoxinbedingten septischen Schock.

 → Ätiologie:

→ I: Infektion: Mit gram-negativen Bakterien (E. Coli, Klebsiellen > 50% der Fälle, Klebsiella, Proteus mirabilis, Pseudonomas aeruginosa, sowie selten multiresistente Keime wie z.B. die Methicillin-resistenten-Staphylokokken, Vancomycin-resistenten-Enterokokken, etc.) bzw. iatrogen im Rahmen von urologisch-endoskopischen Eingriffen (häufigste Ursache). 

→ II: Prädisponierende Faktoren:

→ 1) Obstruktionen im Bereich der ableitenden Harnwege, wie Strikturen, Steine, Prostatahyperplasie oder Tumoren.

→ 2) Vorbestehende Entzündungen wie Zystitis, akute - und chronische Pyelonephritis, paranephritische Abszesse oder Prostatitis.

→ 3) Begleiterkrankungen im Sinne multimorbider Patienten mit reduzierter Abwehrlage auf Intensivstationen, Patienten mit Diabetes mellitus (D.m. Typ 1/D.m. Typ 2), immunsuppressiver Therapie z.B. mit Glukokortikoide, Patienten mit Niereninsuffizienz oder Leberzirrhose, aber auch im Zusammenhang mit Schwangerschaft, Malignomen und Harnblasen-Dauerkatheter, etc. 

 

Klinik: Die Urosepsis wird nach dem zeitlichen Ablauf in eine hyperdyname Frühphase und eine späte Schockphase unterteilt:

→ I: Charakteristische Sepsissymptome mit deutlich reduziertem Allgemeinzustand, septischem Fieber > 38,5°C und Schüttelfrost.

II: Dumpfe Flankenschmerzen, Dysurie und weitere zystitische Beschwerden.

→ III: Tachykardie, Hypotonie und Tachypnoe.

→ IV: Entwicklung eines akuten Nierenversagens bis hin zum Schock und Koma.

V: Im fortgeschrittenen Stadium besteht die Gefahr eines Multiorganversagens.

814 Gegenüberstellung von Schockfrüh  und Schockspätzeichen

 

Diagnose:

→ I: Anamnese: Dysurische Beschwerden, Nephrolithiasis, urologische Eingriffe oder Tumorleiden in der Vorgeschichte.

→ II: Klinische Untersuchung:

→ 1) Labor:

A) Erhöhung der Entzündungsparameter mit BSG und CRP Erhöhung, Leukozytose mit Linksverschiebung, später Leukozytopenie (Leukozytensturz als Sepsiszeichen) und einer Erhöhung des Prokalzitonins.

→ B) Anstieg der Retentionswerte (Harnstoff und Kreatinin).

→ C) Gerinnungsfaktoren: Abnahme des Quick-Wertes, Thrombozytopenie (sensitivster Sepsisparameter); Abnahme des Fibrinogens und des AT-III, Zunahme der D-Dimere sowie eine Verlängerung der PTT sind Zeichen einer DIC.

→ D) BGA: Im Frühstadium besteht zumeist eine respiratorische Alkalose aufgrund einer Tachypnoe, im fortgeschrittenen Stadium entwickelt sich anschließend eine metabolische Azidose.

→ E) Urikult und Blutkulturen.

→ 2) Sonographie: Nachweis eines infizierten Herdes und/oder einer Harnabflussstörung.

 

→ Klinisch relevant: Eine negative Urinkultur stellt kein Ausschlusskriterium für eine Urosepsis dar, da bei Harnabflussstörungen die Infektionsquelle unter Umständen nicht drainiert wird.

 

→ Differenzialdiagnose: Von der Urosepsis müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:

→ I: Gastrointestinal wie akutes Abdomen, Pankreatitis anderer Genese, Gallenkoliken oder Appendizitis.

→ II: Gynäkologisch wie Tubarabort, infizierte oder rupturierte Extrauteringravidität oder Pyosalpinx.

→ III: Weitere Differenzialdiagnosen sind u.a. Nierensteine oder akute Ischialgie.

 

Therapie: Die wichtigste therapeutische Intervention ist die schnellstmögliche Entfernung des septischen Herdes.

→ I: Allgemeinmaßnahmen: Intensivmedizinische Überwachung von RR, Puls, Atmung und Körpertemperatur durch O2-Substitution, Elektrolyt- und Volumengabe, kreislaufunterstützende Medikamente (Dopamingabe), etc.

812 Benadlungsalgorithmus der Urosepsis

→ II: Medikamentöse Therapie: Initiale Gabe eines Breitbandantibiotikums bis zur Keimbestimmung (nachfolgend gezielte Antibiotikatherapie nach Antibiogramm). Initial: 

→ 1) Cephalosporine der 3.Generation: Ceftriaxon am 1. Tag 2 x 2g/d intravenös, ab dem 2.Tag 2 x 1g/d + Aminoglykosid wie Gentamicin 3-6mg/kgKG/d intravenös.

2) Alternativ: Ciprofloxacin (2x 200mg/d i.v.) + Gentamicin 2-6mg/kgKG/d.

→ 3) Insbesondere bei Verdacht auf eine Infektion mit Enterokokken wird die Gabe von Amoxicillin/Clavulansäure (3x 2,2g/d i.v.) + Gentamicin 2-6mg/kgKG/d empfohlen.

→ 4) Auch ist eine hochdosierte Kortikosteroid-Gabe von 1-2g Prednisolon intravenös obligat.

→ III: Herdsanierung:

→ 1) Prostatahyperplasie: Anlage eines suprapubischen Katheters.

2) Paranephritischer Abszess/Nierenabszess: Punktion und Drainagierung mittels Pigtail-Katheter, evtl. Nephrektomie.

→ 3) Prostatitis: Transurethrale Resektion zur Eröffnung und Drainageanlage.

813 Mögliche Therapieoptionen der Herdsanierung

 

→ Prognose:

→ I: Die Urosepsis weist einen günstigeren Verlauf auf als andere Sepsisformen.

 II: Jedoch bildet sich in 20-40% ein septischer Schock aus, der wiederum in 50% der Fälle letal endet.