→ Definition: Bei der Harnwegsinfektion handelt es sich um eine Infektion des Harntrakts (= Gesamtheit der Harnorgane mit Nieren, Nierenbeckenkelchsystem, Ureteren, Vesica urinaria und Uretra) mit Bakterien, Trichomonaden, Clamydien, Mykoplasmen, aber auch Pilzen oder Parasiten. Zu dem Krankheitsbild zählen insbesondere:
→ I: Akute Zystitis,
→ II: Akute - und chronische Pyelonephritis
→ III: Urethritis bis hin zur
→ IV: Lebensbedrohlichen Urosepsis (in manchen Büchern zählen auch Prostatitis, Epididymitis und Orchitis dazu).
→ Klinisch-relevant: Die komplizierten Harnwegsinfekte sind definiert als:
→ A) Alle Harnwegsinfekte bei Kindern, Männern und Schwangeren.
→ B) Bestehen von anatomischen oder funktionellen Besonderheiten und
→ C) Innerhalb der letzten 2 Wochen:
→ 1) Anlage eines Blasenkatheters,
→ 2) Entlassung aus einem Krankenhaus oder Pflegeheim und
→ 3) Antibiotikatherapie.
→ Epidemiologie: Die Harnwegsinfektionen stellen die häufigsten bakteriellen Infektionen des Menschen dar.
→ I: Im Erwachsenenalter (zwischen 15.-50. Lebensjahr) erkranken insbesondere Frauen an HWI.
→ II: Bei Männern ist die Harnwegsinfektion vor dem 50. Lebensjahr eine Seltenheit, jedoch nimmt die Inzidenz mit zunehmendem Alter insbesondere aufgrund von Prostataerkrankungen deutlich zu.
→ Ätiopathogenese: Harnweginfektionen werden insbesondere durch potenziell pathogene Bakterien aus Darm und Vagina verursacht.
→ I: Es kommt überwiegend zur Kolonisation der periurethralen Schleimhaut und anschließendem Aszendieren in die Harnblase, gegebenenfalls auch in die Nieren; eine hämatogene Infektion manifestiert sich nur selten.
→ II: Häufiger Erreger der Harnwegsinfekte sind u.a. E. coli, Enterokokken, Proteus, Klebsiellen, Pseudonomas, Serratien, etc.
→ III: Weitere wichtige begünstigende Faktoren bzw. Risikofaktoren für einen HWI sind:
→ 1) Weibliches Geschlecht, kürzlicher Geschlechtsverkehr (Honeymoon-Zystitis), aber auch Gravidität.
→ 2) Obstruktive Harnwegserkrankungen wie angeborene Anomalien, Steine, Koagel, entzündliche Strikturen, Prostatatumoren sowie weitere Tumoren, retroperitoneale Fibrose, etc.
→ 3) Vesikoureteraler Reflux angeboren oder durch Obstruktion erworben.
→ 4) Immunsuppression bei z.B. Diabetes mellitus oder immunsuppressiver Therapie.
→ 5) Iatrogen diagnostische Eingriffe oder Anlage eines Blasenkatheters, etc.
→ 6) Weitere Ursachen: Sind insbesondere neurogene Blasenentleerungsstörungen (bei Querschnittslähmung), Multiple Sklerose, Analgetikaabusus, Gebrauch von Spermiziden, Immobilisation und nicht zuletzt zu geringe Flüssigkeitszufuhr, etc.
→ Klinik: Das klinische Bild der Harnweginfekte ist sehr variabel und reicht von einer asympytomatischen Bakteriurie bis hin zur Urosepsis.
→ I: Asymptomatische Bakteriurie: Ist gekennzeichnet durch einen positiven Erregernachweis ohne klinische Symptomatik. Eine antibiotische Therapie ist in der Regel nicht indiziert; Ausnahmen sind u.a. Kinder, Schwangerschaft, Vorliegen einer Obstruktion, operative oder interventionelle urologische Eingriffe. Therapeutisches Mittel der Wahl sind Fluorochinolone oder Cephalosporine der dritten Generation.
→ II: Klinisches Bild u.a. einer:
→ 1) Akuten Zystitis: Erschwerte - (= Dysurie) und schmerzhafte Harnentleerung (= Algurie) mit häufigem Harndrang (= Pollakisurie), evtl. auch nachts (= Nykturie) sowie Unterbauchschmerzen. Eine wichtige Komplikation der akuten Zystitis ist die Pyelonephritis.
→ 2) Die akute Pyelonephritis ist gekennzeichnet durch das Auftreten von Dysurie, Flankenschmerzen, klopfschmerzhaftes Nierenlager, Fieber, Schüttelfrost, gelegentlich auch Übelkeit und Erbrechen. Wichtige und z.T. schwerwiegende Komplikationen der akuten Pyelonephritis sind Urosepsis, paranephritischer Abszess und Pyonephrose mit anschließender Niereninsuffizienz.
→ II: Chronische Pyelonephritis: Zumeist jahrelang symptomlos mit intermittierenden akuten Schüben oder aber auch allgemein unspezifischen Symptomen wie Leistungsminderung, Abgeschlagenheit, Kopf- und Rückenschmerzen. Komplikationen der chronischen Pyelonephritis sind u.a. renale Hypertonie und progrediente Niereninsuffizienz.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese/klinische Untersuchung: Abklärung von urologischer Voroperationen und Harnabflussbehinderungen, Immunsuppression durch z.B. Diabetes mellitus oder Medikamente, etc. Die klinische Untersuchung umfasst insbesondere den Flankenschmerz, das schmerzhafte Nierenlager, aber auch die rektal-digitale Prostata-Untersuchung, etc.
→ II: Labor:
→ 1) Urinanalyse: (aus Nativ- oder Mittelstrahlurin) Mit Leukozyturie, signifikanter Bakteriurie (Mittelstrahlurin > 105 Keime/ml Urin 2malig) und Nitritnachweis (da Nitrite im Organismus ohne Bakterien nicht vorkommen, ist eine Bestätigung ein Nachweis für eine bakterielle Infektion) durch die bakterielle Nitratreduktase.
→ 2) Indikationen für eine Urinkultur sind komplizierte Harnwegsinfekte, systemische klinische Zeichen (z.B. bei Pyelonephritis oder Urosepsis), aber auch ein Nichtansprechen einer 48-stündigen Antibiotikatherapie oder Bakteriurie in der Schwangerschaft.
→ 3) Mikrobiologische Untersuchung: Sterile Leukozyturie bei Gonorrhö, Urogenital-TBC, Analgetikanephropathie, Reiter-Syndrom, beginnende Antibiotikatherapie.
→ 4) Blutuntersuchung: Mit Bestimmung der Retentionswerte, Entzündungsparameter, Differenzialblutbild (Linksverschiebung), gegebenenfalls Blutkulturen bei Verdacht auf Urosepsis.
→ III: Bildgebende Verfahren:
→ 1) Sonographie: Ausschluss oder Nachweis von Steinschatten, Harnstau und Blasenfüllung bzw. Restharnbestimmung und Beurteilung der Prostata und Nieren (Nierengröße, Parenchymveränderungen, Narben, Zysten, etc.).
→ 2) Evtl. intravenöse Pyelogramm zum Ausschluss von Obstruktionen, Nierensteinen und Divertikel, aber wiederum auch zur Beurteilung der Nieren (z.B. asymmetrische Nierenschrumpfung, Kelchdeformitäten, etc.). Diese Untersuchung darf nur bei einem Kreatinin von < 2,5mg/dl durchgeführt werden.
→ 3) Weitere bildgebende Verfahren wie CT und MRT bei speziellen Fragestellungen, Miktionszystourogramm bei Verdacht auf Reflux oder Zystoskopie zum Tumorausschluss bei Makrohämaturie.
→ Therapie: Die Therapie der Harnwegsinfekte umfasst zum einen wichtige Allgemeinmaßnahmen, zum anderen die spezifische Antibiotikatherapie.
→ I: Allgemeinmaßnahmen: Beinhaltet insbesondere:
→ 1) Ausschaltung der begünstigenden Faktoren.
→ 2) Bettruhe bei akuter Pyelonephritis und reichlich Flüssigkeitszufuhr und nicht zuletzt
→ 3) Bei Schmerzen Applikation eines Spasmolytikums wie z.B. Buscopan.
→ II: Antibiotikatherapie:
→ 1) Unkomplizierte Harnwegsinfektion mit:
→ 2) Die Behandlung der komplizierten HWI umfasst die Harnwegsinfektion des Mannes sowie die akute Pyelonephritis. Initial steht die Anbehandlung mit Cotrimoxazol oder Chinolon im Vordergrund; anschließend erfolgt gegebenenfalls ein Wechsel des Antibiotikums nach Antibiogramm. Die Therapiedauer beträgt mindestens 2-3 Wochen. Bei schweren Krankheitsverläufen ist eine stationäre Aufnahme mit intravenöser Antibiotika-Applikation bis 48 Stunden nach Entfieberung indiziert.
→ 3) Wichtige Aspekte der chronischen Pyelonephritis umfassen u.a.: