Komorbiditäten: Bei ca. 50% der Abhängigen findet man gleichzeitig eine psychische Störung wie Depression, Persönlichkeitsstörungen (insbesondere die emotional-instabile - oder die dissoziale PS) oder Angsterkrankungen. Meist entwickelt sich die Suchterkrankung aufgrund einer Eigentherapie der zugrunde liegenden psychischen Störung. Entwicklungsgeschichtlich weisen die Betroffenen häufig Überforderungssituationen, Stresssituationen, Leistungsdruck, aber auch chronische Schlafstörungen und Schmerzzustände auf.

 

Motivationsstufen: Da die Suchterkrankung den Betroffenen auf psychischer, physischer sowie sozialer Ebene schädigt, knüpfen die Therapieansätze auf allen Ebenen an. Hierbei ist es wichtig, die Motivationslage und Änderungsbereitschaft des Patienten umfassend zu explorieren. Es werden nach Prochaska und DiClementi 4 verschiedene Motivationsstufen unterschieden: 

I: Stufe 1: (= Vor-Absicht = Pre-Contemplation) Hierbei besteht beim Suchtkranken kein Abstinenzwunsch und keine Änderungsabsicht, vielmehr besitzt das Suchtmittel die höchste Priorität.

771 Erste Motivationsstufe der Abhängigkeitserkrankung

II: Stufe 2: (= Absicht = Contemplation) Es entsteht eine vermehrte Sorge um die eigene Person und die Gesundheit; trotzdem besteht noch eine heftige Ambivalenz. Therapeutisch sind unterschwellige Hilfsangebote, Informationen über die Drogenwirkung und eine Entzugsbehandlung indiziert (im Mittelpunkt steht die Motivationsförderung.

772 Zweite Motivationsstufe der Abhängigkeitserkrankung

III: Stufe 3: (= Vorbereitung = Preparation /Handlungsphase) Das Interesse für Bezugspersonen erwacht wieder, die eigene Gesundheitssorge führt zur Reduktion des Substanzenkonsum bzw. tagelangen Abstinenz. Therapeutisch ist hier eine (meist) stationäre Entwöhnungstherapie indiziert.

773 Dritte Motivationsstufe der Abhängigkeiterkrankung

IV: Stufe 4: (= Aufrechterhaltung = Maintenance) Es kommt zur Normalisierung der Lebensgewohnheiten, die Abstinenz besteht über Wochen und Monate, neue Ziele werden gesetzt. Die Betroffenen haben eine Entwöhnungstherapie erfolgreich beendet und sich von ihrer Sucht distanziert; z.T. besteht eine intermittierende Abstinenzunfähigkeit.

774 Vierte Motivationsstufe der Abhängigkeitserkrankung

 

Therapieprinzip: Viele Abhängige zeigen zumeist initial keine Krankheitseinsicht oder bagatellsieren ihre Problematik. Als evident hat sich eine Therapie in 4 Stufen erwiesen. Hierbei unterscheidet man:

 I: Kontaktphase: (= Stufe 1) Diese erfolgt meist in niedergelassenen Praxen und Suchtberatungsstellen. Ziel dieser Phase ist es, die Motivation des Suchtkranken zu einer Therapie aufzubauen und zu stärken. Wichtig bei der Interaktion ist die motivierende Gesprächsführung (= der Patient soll in der Diskussion über die negativen Folgen des Substanzmissbrauchs selbst Einsicht gewinnen; belehrendes oder beschuldigendes Verhalten ist kontraindiziert). Zudem kommt es auch zur Klärung der Notwendigkeit einer Entgiftungstherapie, der Kostenübernahme und Erstellung eines Therapieplans (Abb.: Wichtige Therapiephasen der Abhängigkeitserkrankung). 

770 Wichtige Aspekte der motivierenden Gesprächsführung

 II: Entgiftungsphase: (= Stufe 2) Ziel dieser Phase ist es, den Suchtkranken aus einem Zustand der chronischen Intoxikation in einen Zustand der absoluten Abstinenz zu überführen. Der qualifizierte Entzug wird in der Regel stationär wegen möglicher Komplikationen in internistischen oder psychiatrischen Kliniken durchgeführt. Die Dauer beträgt im Mittel 10-14 Tage. 

 III: Entwöhnungsphase: (= Stufe 3) Sie dient der Festigung der Abstinenz und wird gerade bei Alkohol- und Opiatabhängigkeit über eine Dauer von 2-6 Monaten in Spezialkliniken durchgeführt. Hierbei handelt es sich insbesondere um psychotherapeutische, psychosoziale und rehabilitative Behandlungsmaßnahmen und umfasst u.a. nachfolgende Elemente:

→ 1) Analyse möglicher Rückfallsituationen,

→ 2) Rollenspiele zur Rückfallprophylaxe,

→ 3) Expositionstherapie sowie

→ 4) Training sozialer Kompetenz.

 IV: Nachsorgephase: (= Stufe 4) Ziel dieser Phase ist es, den Zustand der Abstinenz, der in den ersten 3 Phasen erreicht wurde, weiter zu stabilisieren. Diese Phase erfolgt ambulant mit Hilfe von z.B. Selbsthilfegruppen, Ärzten, Psychologen, Beratungsstellen und dem Sozialamt und hat eine wichtige Bedeutung.

 

 Klinisch-relevant: Diese 4 Phasen sollten hintereinander sehr zeitnah erfolgen.

262 Therapiekonzept bei Suchterkrankungen