Definition: Die Lungenkontusion ist definiert als eine Schädigung des Lungenparenchyms durch stumpfe (indirekte) Gewalteinwirkung bzw. durch ein Dezelerationstrauma. Die Lungenparenchymschädigung verursacht eine umschriebene Hämatombildung mit konsekutiver interstitieller Ödembildung und inflammatorischer Reaktion. Folgen sind u.a. Alveolarkollaps und evtl. die Entwicklung einer respiratorischen Insuffizienz. Eine Lungenparenchymverletzung mit Zerreißen der Pleura viszeralis wird als Lungenlazeration bezeichnet.

→ Epidemiologie:

→ I: Bei ca. 34% der Patienten mit stumpfem Thoraxtrauma lässt sich eine Lungenkontusion nachweisen.

→ II: Inbesondere bei Rippenserienfrakturen (> 4 Rippen; meist im Bereich der 4.-10. Rippe) instabiler Thorax und der Skapulafraktur zeigen sich hohe Manifestationsrate mit ca. 50% der Fälle.

→ III: Patienten mit Polytrauma haben in bis zu 60% eine primäre Lungenkontusion. 

 

Ätiologie:

→ I: Durch die Gewalteinwirkung (z.B. nach Straßenverkehrsunfall, Sturz aus hoher Höhe, Druckwellen- und Explosionstrauma, etc.) kommt es initial zu einer Lungenparenchymblutung mit nachfolgender zytokininduzierter Steigerung der Permeabilität und Ausbildung eines interstitiellen bzw. alveolären, proteinreichen Ödems und Mikro-Atelektasen. Dies wiederum führt zu einer Surfactant-Schädigung und Ventilationsstörung der betroffenen Lungenareale.

II: Die betroffenen Lungenareale werden zu diesem Zeitpunkt nur noch perfundiert und nicht mehr ventiliert, was wiederum die Entwicklung eines Rechts-Links-Shunts (je nach Ausmaß der Parenchymschädigung) mit evtl. konsekutiver arterieller Hypoxie (respiratorische Insuffizienz) fördert.

 

Einteilung:

→ I: Einfache Lungenkontusion: Die Verletzung stellt sich nur radiologisch dar.

→ II: Lungenkontusion mit respiratorischer Insuffizienz: Hierbei fällt die arterielle Sauerstoffkonzentration unter die physiologische Norm ab. Pathophysiologisches Korrelat ist zum einen ein Ventilations-Perfusions-Mismatch mit intrapulmonalem Shuntfluss, zum anderen eine Schrankenstörung.

 

Klinik:

→ I: Einfache Lungenkontusion: Die Symptome sind stark vom Ausmaß der Lungenverletzung abhängig und werden nicht selten durch die Begleitverletzungen wie Pneumothorax, Rippenfrakturen etc. überdeckt. Symptome sind u.a.: 

→ 1) Dyspnoe,

→ 2) Ateminsuffizienz,

→ 3) Hämoptoe. 

→ 4) Verlauf: Bei der einfachen Lungenkontusion zeigt sich nach 24-72 Stunden eine radiologische Besserung, nach 7-10 Tagen heilt sie meist komplikationslos aus.

 II: Lungenkontusion mit respiratorischer Insuffizienz: Klassische Symptome sind Dyspnoe, Hämoptoe, Anzeichen einer respiratorischen Insuffizienz mit:

→ 1) Unruhe,

→ 2) Tachykardie,

→ 3) Tachypnoe,

→ 4) Somnolenz,

→ 5) Evtl. Zyanose bei pO2 < 60mmHg. 

 

→ Komplikationen:

→ I: Begleitverletzungen wie Contusio cordis oder eine Aortenruptur.

→ II: Gerade bei schweren Kontusionen entwickelt sich oftmals eine Pneumonie im betroffenen Bereich.

→ III: Die Entwicklung eines ARDS (= Acut-Respiratory-distress-Syndrom) ist in den ersten 24 Stunden am größten und nimmt nach 72 Stunden deutlich ab; besteht ein ARDS ist das Letalitätsrisiko sehr hoch.

 

Diagnose: Die Lungenkontusion entwickelt sich erst nach einigen Stunden, sodass das Röntgenbild initial unauffällig sein kann.

→ I: Einfache Lungenkontusion:

→ 1) Anamnese eines schweren stumpfen Thoraxtraumas aufgrund z.B. eines Verkehrsunfalls ist wegweisend.

→ 2) Röntgen-Thorax: Fleckige bis konfluierende Verschattungen auf der betroffenen Seite (Coup) oder der Gegenseite (contre-coup), z.T. sind ganze Lungenlappen betroffen. 

→ 3) Arterielle Blutgasanalyse: (Sollte wiederholt durchgeführt werden, um eine evtl. Intervention frühzeitig einzuleiten.

992 Normwerte der Blutgasanalyse

 

 Klinisch-relevant:

→ A) Sie bildet sich meist erst 6-8 Stunden nach dem Trauma aus, die Rückbildung dauert ca. 2-4 Tage.

→ B) Deshalb ist eine wiederholte radiologische Kontrolle der Lunge zum Nachweis einer Kontusionsentwicklung von großer Bedeutung.

 

→ II: Lungenkontusion mit respiratorischer Insuffizienz:

→ 1) BGA: Regelmäßige Kontrolle zur Erfassung einer zunehmenden respiratorischen Insuffizienz und somit zur frühzeitigen Einleitung von weiteren Interventionen.

→ 2) Spiral-CT + Kontrastmittel: Dient der genauen Darstellung des Ausmaßes der Kontusion und zeigt zudem mögliche Begleitverletzungen auf.

649 Differenzialdiagnose Lungenkontusion bzw. Lungenlazeration

 

Therapie:

→ I: Einfache Lungenkontusion:

→ 1) Hierbei reicht eine intensive Atemtherapie.

→ 2) Ausreichende Anlagesie bei Begleitverletzungen wie die Rippenfraktur.

→ II: Besteht ein Hämtothorax ist die Anlage einer Bülau-Drainage mit begleitender antibiotischer Abschirmung (z.B. Tazobac 3x 4,5g/d i.v. über einen Zeitraum von 5-10 Tagen) indiziert. Des Weiteren sind tägliche BGA- und Röntgenkontrollen obligat.

→ III: Lungenkontusion mit respiratorischer Insuffizienz: Bei der respiratorischen Insuffizienz ist die maschinelle Beatmung mit endexspiratorischem Überdruck (PEEP) das Mittel der 1. Wahl.

 

→ Prognose:

→ I: Die Lungenkontusion ohne respiratorische Insuffizienz führt zu einer restitutio ad integrum.

→ II: Besteht jedoch bei der Kontusion eine respiratorische Störung kommt es nicht selten rasch zur Hypoxämie und Lungenorganversagen infolge der Freisetzung toxischer Mediatoren mit konsekutivem Gewebeschaden. Die Letaliät bei respiratorischer Störung liegt bei bis zu 25%.

→ III: Viele Patienten, die die akute Phase der Lungenkontusion überstanden haben weisen überwiegend langfristig lungenfunktionelle Defizite auf.