→ Definition: Bei den Rippenfrakturen unterscheidet man zwischen:
→ I: Solitärfraktur: Fraktur von 1-2 Rippen. Eine Fakur am Übergang vom Knorpel zum Knochen wird als Separation bezeichnet.
→ II: Rippenserienfraktur: Fraktur von > 3 benachbarten Rippen.
→ III: Flail-Chest: Fraktur von > als 3 benachbarten Rippen an 2 oder mehr Loki mit Ausbildung einer instabilen Thoraxwand. Die Thoraxinstabilität ist zumeist mit einer Lungenkontusion vergesellschaftet.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Am häufigsten sind die 4.-9. Rippe betroffen, da die ersten 3 Rippen durch den Schultergürtel geschützt sind. Die Rippen X-XII (= Costae fluctuantes) können nur durch heftigste direkte Gewalteinwirkung frakturieren und bergen somit immer die Gefahr schwerster weiterer Verletzungen der Wirbelsäule sowie intra- und retroperitonealer Organe.
→ B) Nur Dezelerationstraumata (Folge der Unterbrechung einer schnellen Körperbewegung z.B. beim Autounfall) können zur Fraktur der oberen 3 Rippen meist mit Begleitverletzung der Aorta, subaortalen Äste, des Herzens oder des Tracheobronchialbaums führen. Eine Angiograhie ist immer indiziert bei:
→ 1) Fehlendem Puls im Bereich der oberen Extremität,
→ 2) Sich rasch entwickelndem Hämatothorax und
→ 3) Sensibilitäts- und/oder motorischer Ausfällen der Hand.
→ Ätiologie:
→ I: Direktes Traumata wie Schlag oder Stoß.
→ II: Schwere stumpfe Gewalteinwirkung auf die Thoraxwand z.B. durch eine Autounfall oder Verschüttung.
→ III: Bei pathologischen Veränderungen der Rippen z.B. aufgrund von Skelettmetastasen oder Osteoporose können Bagatelltrauma wie das Stoßen an einer Tischkante aber auch heftiges Husten oder Niesen zur Fraktur führen.
→ Klinik:
→ I: Solitärfraktur: Lokale Druckschmerzhaftigkeit, Kompressionsschmerz, atmungsabhängiger Schmerz, Schonatmung, Prellmarke, Hämatom.
→ II: Rippenserienfraktur:
→ 1) Massive Schmerzen mit Krepitation, Schonatmung und Thoraxdeformität.
→ 2) Evtl. durch Instabilität der Thoraxwand hervorgerufenes Nachhinken der betroffenen Thoraxhälfte und Entwicklung einer paradoxen Atmung (inspiratorische Einziehung und exspiratorische Vorwölbung des Wandsegments).
→ 3) Kreislaufstörungen durch weitere intrathorakale Verletzungen wie Lungen- und Herzverletzungen, Aortenruptur.
→ 4) Extrathorakale Verletzungen mit Schädel-Hirn-Traumata, stumpfes Bauchtraumata, Milzruptur etc.
→ Komplikationen: Bei der Rippenfraktur, aber insbesondere bei der Rippenserienfraktur manifestieren sich zumeist Begleitverletzungen. Hierzu zählen u.a.:
→ Diagnose:
→ I: Klinische Untersuchung: Hämatom an der Thoraxwand, Prellmarke, Druckschmerzhatigkeit, Krepitation, Kompressionsschmerz.
→ II: Bildgebende Verfahren:
→ 1) Röntgen: Thorax in 2 Ebenen.
→ A) Lunge: Nachweis von Frakturen der Rippen, Sternums, WS, Nachweis eines Pneumothorax, Hämatothorax, einer Lungenkontusion. Bei konkretem Verdacht sollte eine Zielaufnahme des knöcherner Hemithorax durchgeführt werden.
→ Klinisch-relevant: Insbesondere bei tiefen Rippenfrakturen (9.-12.) der rechten Thoraxwand sollte an ein potenzielles Lebertrauma gedacht werden.
→ B) Mediastinum: Verbreiterung, Emphysem.
→ C) Zwerfell: Kontrolle der Zwerchfellkontur, um eine mögliche Ruptur mit konsekutivem Nachweis von subphrenischer Luft sowie Abdominalverletzungen auszuschließen.
→ 2) CT: Gerade solitäre, nicht-dislozierte Frakturen sind über das Röntgen nur schwer darstellbar.
→ A) Nachweis eines ventralen Pneumothorax,
→ B) Nachweis einer Lungenkontusion.
→ 3) Sonographie: Abdomen mit evtl. Nachweis von freier Flüssigkeit im Abdomen, Nachweis einer Leber-, Milzruptur oder Nierenverletzungen. Diese Untersuchung sollte nach einigen Stunden wiederholt werden um zeitlich verzögerte Komplikationen (z.B. zweizeitige Milzruptur) nicht zu übersehen.
→ III: EKG: Rhythmus- und Repolarisationsstörungen bei Herztraumata, Niedervoltage bei Perikarderguss.
→ Therapie:
→ I: Solitärfraktur: Gabe eines Analgetikums, eines Antitussivums sowie Atemübungen.
→ II: Rippenserienfraktur:
→ 1) Sauerstoffgabe über eine Nasensonde.
→ 2) Hochdosierte Gabe eines Analgetikums wie Pethidin oder Tramadol (50-75mg alle 4 Stunden) zur Vermeidung von Pneumonien und/oder Atelektasen infolge einer schmerzbedingten Schonatmung.
→ 3) Atemgymnastik,
→ 4) Gabe eines Spasmolytikum.
→ 5) Thoraxdrainage: Bei Pneumothorax und Hämatothorax und prophylaktische bei Rippenserienfraktur und geplanter Beatmung.
→ Klinisch-relevant: Bei Rippenserienfraktur und gleichzeitiger Beatmung besteht immer die Gefahr der Ausbildung eines Spannungspneumothorax. Deshalb muss immer die Anlage einer Drainage erfolgen.
→ 6) Intubation und Beatmung: Diese ist bei respiratorischer Insuffizienz mit pO2 <60mmHg und Tachypnoe mittels endexspiratorischen Überdruck, indiziert; es erfolgt eine PEEP-(Positive-Endexpiratory-Pressure)-Beatmung über einen Zeitraum von 10-14 Tagen. Hierdruch wird eine verbesserte alveoläre Ventilation mit konsekutiv gesteigertem Gasaustausch sowie eine innere Schienung der instabilen Throraxwand erreicht.
→ III: Operativ: Diese ist nur selten bei extremer Dislokation der Rippen, instabilem Thorax, bei Einspießung von Rippenfragmenten in die Lungen oder bei schwerem Blutverlust (initial > 1500ml, später > 200ml/h) durchzuführen. Das Verfahren umfasst die Thorakotomie im Bereich der Fraktur mit nachfolgender Blutstillung und osteosynthetischer Versorgung mittels intramedullärer Pins, Rippenklammern oder Miniplatten.
→ Prognose:
→ I: Solitärfraktur: Günstig, da die Heilung meist problemlos erfolgt.
→ II: Rippenserienfraktur: Problematischer, da die Heilung langsam (6-8 Wochen) erfolgt und die Prognose insbesondere von den Begleitverletzungen bestimmt wird. Nicht selten kann sich eine Reduktion des Atemzugvolumens bzw. eine Interkostalneuralgie entwickeln.