→ Definition: Bei der Pneumonie handelt es sich um eine zumeist akute (seltener chronische) Infektionskrankheit des Lungenparenchyms durch Bakterien, Viren, Pilze, Protozoen und Parasiten.
→ Klassifikation: Heutzutage erfolgt die Einteilung der Pneumonie klinisch in:
→ I: Ambulant erworbene Pneumonie (CAP = Community-acquired-Pneumonie),
→ II: Nosokomiale Pneumonie (HAP = Hospital-acquired-Pneumonie); sie tritt charakteristischweise 48 Stunden nach einer Krankenhausaufnahme auf) und
→ III: Pneumonie bei Immunsupprimierten sowie die Pneumonie des beatmeten Patienten (VAP = Vantilator-associated-Pneumonia).
→ IV: Weitere gebräuchliche Klassifikationen sind u.a.:
→ 1) Typische - und atypische Pneumonie (z.B. Legionellen, Coxiellen, etc) sowie
→ 2) Primäre - (aus voller Gesundheit) und sekundäre Pneumonie (prädisponierende Vorerkrankungen).
→ Epidemiologie:
→ I: Die ambulant erworbene Pneumonie stellt weltweit die häufigste Infektionskrankheit dar. In Deutschland liegt die Inzidenz bei etwa 300000/Jahr, wobei etwa die Hälfte im Krankenhaus behandelt werden muss.
→ II: Die nosokomiale Pneumonie manifestiert sich wiederum bis zu 1% der Patienten im Krankenhaus und nimmt mit Anstieg der Aufenthaltsdauer deutlich zu.
→ Ätiologie:
→ I: Häufigster Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie ist der Streptokokkus pneumoniae. Weitere Erreger sind unter anderem Haemophilus influenzae, Mykoplasma pneumoniae, selten ein schwerer Krankheitsverlauf der Rickettsiose, etc.
→ II: Nosokomiale Erreger bei der Hospital-acquired-Pneumonie sind Staphylokokkus, Pseudonomas, Klebsiellen, Acinetobacter, Enterobacter, E. coli, Proteus, etc. (nicht selten sind die Erreger multiresistent). Die Pathogenese wird durch klinische Interventionen wie Anlage eines Venenverweilkatheters, ZVK, Magensonde Beatmung, aber auch durch Aspiration begünstigt.
→ III: Vorerkrankungen:
→ 1) Kardiopulmonal: Wie Linksherzinsuffizienz, chronisch-obstruktive Bronchitis, Lungenembolie, Bronchiektasen, Mittellappensyndrom, Mukoviszidose, Bettlägerigkeit, etc.
→ 2) Immundefizit: Bei z.B. Diabetes mellitus, Immunglobulinmangelsyndrome (IgG-Mangelsyndrom, variables Immundefektsyndrom), Erkrankungen des lymphatischen Systems, aber auch z.B. Alkoholabhängigkeit, etc.
→ IV: Weitere Faktoren: Weitere wichtige Prädispositionen sind u.a. hohes Alter, Zigarettenrauchen, Luftverschmutzung, vorbestehende Lungenerkrankungen, weitere Begleiterkrankungen, etc.
→ Pathogenese:
→ I: Bei der Pneumokokken-Pneumonie manfestiert sich eine typischer phasenhafter Krankheitsverlauf mit:
→ II: Die ambulant erworbene Pneumonie erfolgt zumeist aerogen oder über eine Tröpfcheninfektion.
→ III: Bei der nosokomialen Pneumonie sind Infektionswege insbesondere:
→ 1) Mikroaspiration aus dem Mund-Rachen-Raum.
→ 2) Tuben im Oro- und Nasotrachealbereich wirken als Infektionsschienen, etc.
→ IV: Eine hämatogene Infektion erfolgt nur sehr selten.
→ Klinik: Die Pneumokokken-Pneumonie beginnt zumeist plötzlich mit charakteristischen Symptomen:
→ I: Innerhalb von wenigen Stunden entwickeln sich Fieber (40°C) und Schüttelfrost.
→ II: Zunächst trockener Husten, der in einem Zeitraum von 2-3 Tagen mit gelbem oder blutigem Sputum produktiv wird. Des Weiteren manifestiert sich:
→ 1) Dyspnoe und
→ 2) Tachypnoe.
→ III: Weitere Symptome: Sind u.a.
→ 1) Tachykardie,
→ 2) Thoraxschmerzen mit Schonatmung oder asymmetrische Throaxbewegung sind klinische Zeichen einer Begleitpleuritis oder eines Pleuraergusses.
→ 3) Insbesondere bei älteren Patienten kann geistige Verlangsamung und eine zunehmende Verwirrtheit (durch Exsikkose) einziges Krankheitssymptom sein.
→ IV: Interstitielle Pneumonie: Zumeist schleichender Beginn mit leichtem Fieber und geringem Husten und langsam zunehmender Atemnot stehen im Vordergrund der Klinik.
→ V: Der Beginn einer HAP ist häufig schwer zu erkennen, da zumeist die Grunderkrankung im Vordergrund steht. Frühe Zeichen sind u.a.
→ 1) Neu auftretendes Fieber,
→ 2) Anstieg der Entzündungsparameter (Akute-Phase-Protein, CRP, Leukozyten).
→ 3) Auch eine zunehmende Atemnot mit abnehmender arterieller Sauerstoffsättigung ist für eine nosokomiale Pneumonie typisch.
→ Komplikationen: Bei den Pneumoniekomplikationen unterscheidet man zwischen:
→ I: Lokalen Komplikationen: Wie u.a :
→ 1) Lungenabszess.
→ 2) Häufig Begleitpleuritis mit nachfolgendem Pleuraerguss bis hin zum Pleuraempyems.
→ 3) Bei chronischen Krankheitsverläufen kann sich eine karnifizierende Pneumonie bzw. bei chronischen Verläufen durch atypische Erreger (z.B. Mykobakterien) eine Infarktpneumonie oder poststenotische Pneumonie entwickeln.
→ 4) Breitet sich das inflammatorische Geschehen der Pneumonie über die gesamte Lunge aus so entwickelt sich ein parapneumonisches akutes respiratorisches Distress-Syndrom (ARDS) aus.
→ II: Systemische Komplikationen: Umfassen:
→ 1) Entstehung von Streuherden mit konsekutiver Meningitis, Hirnabszessen, etc.
→ 2) Pneumogene Sepsis und SIRS.
→ 3) Bei atypischer Pneumonie nicht selten extrapulmonale Manifestation ZNS-Befall, Perikarditis und Endokarditis.
→ 4) Dekompensation einer Herzinsuffizienz.
→ Klinisch-relevant: Bei Nicht-Ansprechen der Therapie immer auch an eine TBC oder Bronchialkarzinom denken.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese/klinische Untersuchung:
→ 1) In der Anamnese der Patienten sollte auf Auffälligkeiten wie z.B. atypische Erreger, Infektionswege, etc. geachtett werden. Abzufragen ist u.a.
→ A) Sind Auslandsreisen getätigt worden,
→ B) Erkrankten mehrere an der Pneumonie (viral),
→ C) Sind insbesondere Kinder betroffen (häufig Clamydien),
→ D) Existieren Vorerkrankungen (COPD, Bronchiektasen, Herzinsuffizienz, etc).
→ E) Besteht ein Verdacht auf Immunschwäche z.B. Alkohol, HIV, immunsuppressive Therapie, etc.
→ 2) Die klinische Untersuchung umfasst den Nachweis von Husten und Fieber, typische fein- bis mittelblasigen Rasselgeräuschen, Bronchophonie, evtl. der Stimmfremitus verstärkt. Weitere Auskultationsbefunde sind u.a. Pleurareiben bei Pleuritis, Brummen und Giemen bei Bronchialobstruktion.
→ II: Labor: Beinhaltet mindestens 1x Differenzialblutbild, BSG, C-reaktives Protein, Leukozytose (mit Linksverschiebung) Elektrolyte, Leber- und Nierenparameter.
→ 1) Anlage von Blutkulturen bei Fieber (> 38 °C).
→ 2) Erregerbestimmung primär aus Sputum (evtl. auch aus bronchoalveolären Lavage, Pleurapunktion, etc.).
→ 3) Insbesondere bei interstitiellen Pneumonie sollte durch einen Antigen-Nachweis (mit DNA-Analytik) z.B. im Bronchialsekret, Urin, Serum der Erreger identifiziert werden.
→ 4) Bei respiratorisch insuffizienten Patienten ist eine BGA (Abb.: Normwerte der Blutgasanalyse) obligat.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Nur bei Nachweis von zilientragendem Bronchialepithel im Sputumausstrich handelt es sich sicher um Sputum und nicht um Speichel aus der Mundhöhle.
→ B) Faustregel: Bei unkomplizierter ambulant-erworbener Pneumonie ohne Vorerkrankungen kann zunächst ein Therapieversuch ohne Erregernachweis erfolgen. Bei nosokomialen Pneumonie und abwehrgeschwächten Patienten sollte primär immer ein Erregernachweis zur gezielten Therapie erfolgen (bei atypischen Infektionen erfolgt ein serologischer Antikörpernachweis mittels IgM-Titer für akute Infektionen).
→ III: Röntgen-Thorax: In 2 Ebenen sollte insbesondere bei nosokomialer Form, schweren Krankheitsverläufen oder atypischer Pneumonie durchgeführt werden.
→ 1) Bei der Lobär bzw. Segmentpneumonie zeigt sich eine flächige Infiltration eines Lungenlappens bzw. -segments mit Nachweis eines positiven Bronchopneumogramms.
→ 2) Bei der Bronchopneumonie wiederum fehlt zumeist das positive Bronchopneumogramm, da sich die Infektion bronchogen ausbreitet und die Atemwege durch Eiter und Zelldetritus verlegt sind.
→ IV: Risikoabschätzung: Die Risikostratifizierung dient der Einschätzung der Erkrankungsschwere und konsekutiv der Prognose. Hierfür existiert der sogenannte CRB-65 oder CURB Score:
→ Differenzialdiagnose: Von der Pneumonie müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: Poststenotische Pneumonie bei z.B. Tumoren und Fremdkörpern.
→ II: Bronchoalveoläres Karzinom.
→ III: Exazerbation einer COPD sowie
→ IV: Lungenemphysem und Lungenfibrose.
→ Therapie:
→ I: Allgemeine Maßnahmen: Sie beinhalten u.a.
→ 1) Körperliche Schonung, Anfeuchten der Umgebungsluft zur Schleimmobilisation, Atemgymnastik (Lagerungsdrainage, Klopfmassage, Vibration), evtl. Applikation von kurz wirksamen ß-Sympathomimetika, Mykotika zur Verbesserung der mukoziliären Clearance.
→ 2) Ausreichend Flüssigkeitszufuhr.
→ 3) Weitere Maßnahmen sind u.a bei pleuritischen Schmerzen Applikation von Analgetika, evtl. nasale Sauerstoffgabe und nicht zuletzt die Thromboembolieprophylaxe mittels Heparin, etc.
→ II: Antibiotikatherapie:
→ 1) Ambulant erworbene Pneumonien werden in der Regel mit oralen Antibiotikatherapiert; Mittel der Wahl bei der Pneumokokken-Infektion ist die Monotherapie mit dem Aminopenicillin, Amoxicillin, in einer hohen Dosis. Bei Mykoplasmen werden Tetrazykline, bei Clamydienpneumonie zusätzlich Makrolide empfohlen.
→ 2) Hospitalisierte Pneumonien erhalten immer eine intravenöse Antibiotikatherapie und hängen insbesondere auch von dem Risikofaktor der Pseudonomas aeroginosa-Infektion (zusätzliche pulmonale Erkrankungen wie Bronchiektasen, COPD, kürzliche Krankenhausaufenthalte, Intensivstation, etc.) ab.
→ 3) Noch bevor die mikrobiologischen Ergebnisse vorliegen, sollte eine kalkulierte antibiotischen Starttherapie (abhängig von den Risikofaktoren s.o.) erfolgen. Bei gutem Ansprechen der antibiotischen Behandlung kann die intravenöse Applikation auf eine orale Form umgestellt werden.
→ 4) Therapiekontrolle: Eine erfolgreiche Therapie manifestiert sich durch Fieberabfall, klinischer Besserung, Abnahme des CRP (sensitiver Procalcitonin) und der Normalisierung der Leukozyten innerhalb von 3 Tagen. Der Röntgenbefund verbessert sich verzögert nach Tagen.
→ Prognose: Bei der unkomplizierten ambulanten Pneumonie ist bei adäquater antibiotischer Therapie die Letalität sehr gering. Bei schwerer Verlaufsform oder bei nosokomialer Pneumonie liegt die Letalität bei bis zu 20%, wobei respiratorische Insuffizienz und eine beginnende Sepsis nicht rechtzeitig entdeckt werden.
→ Prophylaxe:
→ I: Nach der ständigen Impfkommession wird eine einmalige Pneumokokkenimpfung bei bestimmten Menschengruppen empfohlen; hierzu zählen:
→ 1) Menschen > 60. Lebensjahr,
→ 2) Diabetes mellitus und weiteren Stoffewchselstörungen,
→ 3) Herzkreislauf-Erkrankungen sowie Erkrankungen der Lunge,
→ 4) Chronische Nierenerkrankungen und nephrotisches Syndrom,
→ 5) Angeborene und erworbene Immundefekte mit T- oder B-lymphzytärer Restfunktion, etc. Eine Wiederholung der Impfung wird nur bei Patienten mit angeborenem und erworbenen Immundefekt mit T- und B-lymphzytärer Restfunktion sowie chronischen Nierenerkrankungen und nephrotischen Syndrom.
→ II: Zudem empfiehlt die ständige Impfkommession eine Grippeschutzimpfung für die oben genannten Risikogruppen sowie Personen mit erhöhtem Ansteckungsrisiko (z.B. medizinisches Personal, Lehrer, etc.).