Definition:

→ I: Bei der bakteriellen Meningitis handelt um eine infektiöse Entzündung der Pia mater und Arachnoidea mit konsekutiver Exsudation in den Subarachnoidalraum, die Ventrikel und den Spinalkanal (nicht selten ist das Hirnparenchym mitbetroffen = Meningoenzephalitis).

→ II: Die bakterielle Meningitis stellt einen absoluten neurologischen Notfall dar, sodass eine frühzeitige Diagnosestellung und adäquate Therapie obligat sind.

 

Epidemiologie: Die Inzidenz in Deutschland liegt bei 2,5/100000/Jahr, wobei insbesondere Säuglinge und Kleinkinder (zwischen dem 1.-4. Lebensjahr) betroffen sind. Gemäß dem Infektionsschutzgesetz besteht eine namentliche Meldepflicht bei Meningokokken-Meningitis und Sepsis bei Krankheitsverdacht, Erkrankung oder Tod.

 

Erregerspektrum: Mit Einführung der Hämophilus influenza Typ B Impfung hat sich das Erregerspektrum der bakteriellen Meningitis deutlich verändert. Abhängig vom Alter findet man unterschiedliche Erreger:

025 Keimspektrum der bakteriellen Meningitis

 

Pathogenese:

→ I: Die Bakterien heften mit ihren Pili und Adhäsionsmolekülen an der Schleimhautmukosa an; anschließend kommt es zur Endozytose und intrazellulären Ausbreitung. Das Immunsystem wird durch proteolytische Spaltung von sekretorischen IgA(1), Verhinderung der Phagozytose und der Komplementaktivierung verhindert.

→ II: Im Liquorraum besteht nur eine geringe Abwehrmöglichkeit. Die Aktivierung der Immunantwort erfolgt über bakterielle Zellwandbestandteile (z.B. Peptidoglykane, Lipopolysaccharide, etc.). Folge ist eine vermehrte Synthese von Zytokinen (IL-1ß, IL-6, TNF), Arachnoidonsäuremetaboliten und nicht zuletzt plättchenaktivierenden Faktoren. Dies führt über eine gesteigerte intravasale Gerinnung zur Bildung von Mikro- und Makrothromben mit konsekutiven zerebralen Infarkten.

→ III: Infektionsweg: Es bestehen verschiedene Infektionswege wie:

→ 1) Hämatogen: Im Rahmen einer Pneumokokken-Pneumonie oder bei Endokarditis, Listeriose, etc.

→ 2) Per continuitatem: Als Nachbarschaftsprozess bei Sinusitis frontalis, Ostitis, Mastoiditis, etc.

→ 3) Direkt: Als offenes Schädel-Hirn-Trauma bei Kalotten- oder Schädelbasisfraktur, chirurgischen Eingriffen oder im Zusammenhang mit einer Liquorfistel.

 

Klinik: Der Beginn der eitrigen Meningitis ist zumeist akut bis perakut und führt innerhalb kurzer Zeit zu einem schweren Krankheitsbild. Charakteristische klinische Symptome sind u.a.:

→ I: Prodromi: Grippeähnliche Symptome mit Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Kopf- und Gliederschmerzen, Überempfindlichkeit gegenüber Berührungsreizen.

II: Neurologische Symptome:

→ 1) Starke Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Meningismus und Photophobie.

→ 2) Agitiertheit, Verwirrtheit sowie Desorientiertheit.

→ 3) Bewusstseinseintrübung in unterschiedlicher Ausprägung (bis hin zum Koma), Hirnnervenausfälle (Paresen des III, IV, VI und VII), sowie fokale und generalisierte Anfälle.

→ III: Weitere Symptome: Sind u.a. septische Fieber 39-40 °C, Stauungspapille und typisches Exanthem bei Meningokokkenmeningitis.

→ IV: Es existieren aber auch atypische Krankheitsverlauf mit Fehlen von Fieber (evtl. auch Hypothermie insbesondere bei Früh-/Neugeborenen) und Meningismus bei z.T. komatösen Patienten (apurulenter Liquor, fehlende Zellzahlerhöhung, v.a. bei Zusammenbruch des Abwehrsystems bei Immunsupression, chronischer Alkoholabhängigkeit, etc.); nicht selten findet man initial psychotische Symptome oder epileptische Anfälle.

 

→ Komplikationen: Wichtige Komplikationen bei der eitrigen Meningitis sind insbesondere:

→ I: Hirnödem (ca. 5-10% der Fälle),

→ II: Hydrocephalus (ca. 5-10% der Fälle),

→ III: Sinusvenenthrombose (3% der Fälle),

→ IV: Septischer Schock (10% der Fälle) und nicht zuletzt die

→ V: Disseminierte intravasale Verbrauchskoagulopathie.

 

Klinisch-relevant: Es manifestieren sich überwiegend bei der Meningokokken-Infektion schwere Verlaufsformen; hierzu zählen u.a.: 

→ A) Sepsis (in bis zu 35% der Fälle) und das

→ B) Waterhouse-Fridrichsen-Syndrom (mit DIC und Multiorganversagen).

026 Wichtige Fakten des Waterhouse Friderichsen Syndroms

 

Diagnose:

→ I: Anamnese mit Klärung vorangegangener Infektionserkrankungen im Bereich des Nasen-Rachen-Raums.

→ II: Neurologische Untersuchung: Nachweis eines Meningismus sowie positiver Dehnungszeichen (der Meningen):

→ 1) Lasegue-Zeichen: Es handelt sich um ein Dehnungszeichen; Am auf dem bauchliegenden Patienten wird vom Untersucher das angehobene Bein im Hüftgelenk gebeugt und konsekutiv der N. femoralis gedehnt. Der Test ist positiv, wenn es zu Schmerzen im Hüftgelenk oder Sakralbereich kommt.

→ 2) Weitere Dehnungszeichen der Meningen sind u.a.:

028 Neurologische Dehnungstests der Meningen

III: Labor:

→ 1) Allgemeine Entzündungszeichen mit BSG-, CRP-Erhöhung und Leukotyose mit Linksverschiebung. Die Bedeutung von Prokalzitonin bei der Diagnosestellung der Meningitis ist noch unklar; jedoch ist es bei der Erfassung einer bakteriellen Sepsis von Bedeutung.

 

Klinisch-relevant: Ein normaler Wert des C-reaktiven Proteins schließt eine bakterielle Meningitis mit nahezu 100% aus.

 

2) Blutkulturen: Dienen zum kulturellen Nachweis von Bakterien. Hierbei werden mindestens 2 Sets aerobe und anaerobe Blutkulturen aus 2 verschiedenen Venen abgenommen.

→ IV: Lumbalpunktion: Charakteristisch für eine bakterielle Entzündung sind u.a.:

→ 1) Trüber eitriger Liquor durch Pleozytose (1000 Zellen/mm3 v.a. Granulozyten).

→ 2) Zucker vermindert, Laktat erhöht.

→ 3) Interleukin-6-Erhöhung (Abb.: Liquorbefund der verschiedenen Meningitiden).

→ 4) Antigen-Schnelltest zur Bestimmung spezifischer Erreger (Ergebnis nach einer Stunde) sowie bakteriologische Untersuchung mit Antibiogramm (dauert lange).

→ 5) Mikroskopischer Erregernachweis (z.B. Diplokokken) im Ausstrich-Präparat.

→ V: CCT: (Zum Ausschluss einer Herniationsgefahr durch Hydrocephalus oder Hirnödem sollte ein cCT vor der Liquorentnahme erfolgen) Ist zumeist unauffällig. In 10-15% zeigen sich intrakranielle Komplikationen wie Hydrocephalus, Hirnabszess, Hirnödem, etc., aber auch der Nachweis möglicher Ursachen wie Sinusitis, knöcherne Defekte als Eintrittspforte sind von Bedeutung. So stellt der Nachweis von Luft ein Duraleck dar und Hypodensitäten können Hinweis auf eine Endokarditis mit entsprechenden septischen Embolien sein.

 

Differenzialdiagnose: Von der bakteriellen Meningitis müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:

→ I: Meningitiden anderer Genese (z.B. tuberkulöse -, etc.), lymphozytäre Meningitis (z.B. Mollaret-Meninigitis) bei Virus- oder Reizmeningitis. (z.B. bei Sonnenstich).

→ II: Selten aseptische Meningitis z.B. nach NSAR-Einnahme (z.B. Ibuprofen).

→ III: Enzephalitis (z.B. Herdenzephalitis, Herpes-simplex-Enzephalitis, etc.) und Meningoenzephalitis.

→ IV: Weitere Ursachen: Sind u.a.:

→ 1) Neuro-Behcet,

→ 2) Meningeosis carcinomatosa,

→ 3) Intrathektale Medikamentenapplikation,

4) Subarachnoidalblutung,

→ 5) Urämie und nicht zuletzt Leberkoma.

029 Typische Liquorbefunde bei der Differenzialdiagnose der Meningitis

 

Therapie: Der Therapiebeginn sollte sofort nach Abnahme der Blutkulturen und Lumbalpunktion erfolgen. Beim betroffenen Patienten ist eine Isolation, die Einhaltung hygienischer Vorsichtsmaßnahme durch das Personal sowie die engmaschige Überwachung obligat.

→ I: Antibiotherapie:

→ 1) Initial wird eine Antibiotika-Therapie mit entsprechender Erregerwahrscheinlichkeit eingesetzt; empfohlen wird ein Cephalosporin der 3. Generation (z.B. Ceftaxim) in Kombination mit einem Aminopenicillin (z.B. Ampicillin) i.v.

→ 2) Nach Antibiogramm wird auf ein keimspezifisches Antibiotikum umgestellt.

030 Anitbiotikatherapie der eitrigen Meningitis bei Erwachsenen

II: Dexamethason: Glukokortikoide haben überwiegend einen positiven Effekt auf den Krankheitsverlauf insbesondere bei:

1) Bestätigtem Hirndruck,

→ 2) Meningitisassoziierter Arteriitis,

→ 3) Haemophilus-influenzae-Infektion bei Kindern sowie

4) Pneumokokkenmeningitis.

→ III: Therapiedauer: Ist v.a. vom Ansprechen des Antibiotikums abhängig und dauert in der Regel 14 Tage bzw. 7 Tage nach Fieberfreiheit. Bei schweren Krankheitsverläufen, gram-negativen Enterobakterien oder Listerien-Infektion beträgt die Antibiotikagabe mindestens 3 Wochen.

 

Prognose:

→ I: Die Prognose ist vor allem vom Erreger, dem Lebensalter des Patienten, Begleiterkrankungen (z.B. Endokarditis, Pneumonie, AIDS, etc.) und dem adäquaten Therapiebeginn abhängig.

II: Trotzdem besteht in Westeuropa eine erhöhte Mortalitätsrate:

→ 1) Bei einer Meningokokken-Meningitis bei 6%,

→ 2) 25% bei Listerieninfektion im Säuglingsalter (höchste Letalität).

→ III: In 10-25% der Fälle persistieren neurologische Defizite oder Schwerhörigkeit.

 

Prophylaxe:

→ I: Insbesondere bei Infektion mit Meningokokken ist eine Mitbehandlung der engen Bezugspersonen und der Kontaktpersonen innerhalb von 12h (wenn möglich) mit Rifampicin obligat. Während der Schwangerschaft ist Rifampicin kontraindiziert; alternativ wird Ceftriaxon einmalig 250mg i.m. verabreicht.

→ 1) Erwachsene 2x 600mg/d für 2 Tage.

→ 2) Kinder zwischen dem 1.-12. Lebensjahr 2x 10mg/kgKG/d über 2 Tage.

→ II: Impfungen:

1) Haemophilus influenzae Typ B bei allen Säuglingen nach der Impfkomission (STIKO).

→ 2) Pneumokokken: Impfempfehlung besteht für alle Säuglinge ab dem vollendeten 2. Lebensmonat und für Risikogruppen.

→ 3) Meningokokken-Serogruppe-C (auch hier besteht eine Impfempfehlung für Kleinkinder bis zum vollendeten 2. Lebensjahr sowie für Risikogruppen).