Definition: Bei Subarachnoidalblutungen handelt es sich um (spontane) Einblutungen in den Subaranoidalraum, der einen direkten Anschluss an den Liquorraum hat. Sie führen zur Vermischung von Liquor und Blutbestandteilen und können somit die Liquorzirkulation deutlich beeinträchtigen.

091 Sonderformen der Subarachnoidalblutung

 

Epidemiologie:

→ I: Die Inzidenz für die Subarachnoidalblutung liegt in Europa bei 6-12/100000 und Jahr, sie macht 5% aller Schlaganfälle aus.

→ II: Frauen sind etwas häufiger als Männer betroffen (F : M = 1,6 : 1), wobei der Manifestationsgipfel zwischen der 5.-6. Lebensdekade liegt.

→ III: Zudem zeigt sich eine familiäre Häufung aneurysmatischer Subarachnoidallungen (bei Verwandten 1. Grades besteht ein 1-7 fach erhöhtes Risiko. Eine Untergruppe der familiären hat eine vermehrte Assoziation zum z.B. Ehlers-Danlos-Syndrom, Marfan-Syndrom oder der polyzystischen Niere.

 

Ätiopathogenese:

→ I: 80% der (spontanen) Subarachnoidalblutungen werden durch eine Ruptur eines Aneurysma im Bereich des Circulus arteriosus cerebri (Willisii), zumeist an Gabelungsstellen, verursacht. In 10-15% der Fälle ist ein Zweitaneurysma eruierbar, auch sind multiple Aneurysmen möglich. Prädilektionstellen hierfür sind:

→ 1) A. cerebri anterior und Ramus communicans (40%).

→ 2) A. carotis interna (30%).

→ 3) A. cerebri media (20%) und

→ 4) Vertebrobasilär (10% der Fälle).

090 Schematische Darstellung häufiger intrakranieller Aneurysmalokalisationen

→ II: Die Wahrscheinlichkeit der Ruptur ist vor allem von der Größe und der Geschwindigkeit der Größenzunahme des Aneurysmas abhängig; Dehnungen bzw. zusätzliche Gefäßwandbelastungen, Strömungsturbulenzen sowie arterielle Hypertonie führen schließlich zur Ruptur.

→ III: Weitere Ursachen: Sind insbesondere:

→ 1) Alkoholabhängigkeit, Abusus von Kokain und dessen Alkaloidform (Crack).

→ 2) Gefäßläsionen bei der Arteriosklerose, aber auch Panarteriitis nodosa, Lupus erythematodes, Wegener-Granulomatose, Moyamoya, etc.

→ 3) Genetische Faktoren als familiäres intrakranielles Aneurysma-Syndrom (mindestens 2 Verwandte 1. Grades sind betroffen) sowie die autosomal-dominant vererbte polyzystische Nierenkrankheit.

→ 4) Arteriovenöse Angiome (insbesondere im Bereich der A.cerebri media-Gebiet über der Konvexität einer Hemisphäre) bzw. eine arteriovenöse Malformation.

→ 5) Bakterielle Embolien der Vasa vasorum (= mykotisches Aneurysma).

→ 6) Arrosionen durch Hirntumoren und Metastasen.

→ 7) Hämorrhagische Diathesen (z.B. Thrombasthenie Glanzmann-Naegeli, Hypersplenismus, Haemophilie A/B, von Willebrand-Jürgens-Syndrom, Verbrauchskoagulopathie, Morbus Olser, etc.).

8) In 20% der Subarachnoidalblutungen ist trotz umfangreicher Diagnostik eine Ursache nicht zu finden.

 

Pathophysiologie: Der Blutaustritt in den Subarachnoidalblutung kann eine Tamponierung der äußeren Liquorräume bewirken. Folge ist sowohl eine Liquorzirkulationsstörung an den Austrittsstellen des IV. Ventrikels (Foramen Luschkae sowie Foramen Magendii) als auch eine Resorptionsstörung im Bereich der Granulationes arachnoidales. Der sich nun entwickelnde intrankranielle Druckanstieg behindert den venösen Abfluss und induziert ein diffuses Hirnödem mit Maximum am 4.-10. Tag (ein Hydrozephalus kann sich bereits nach 24 Stunden ausbilden). Die Spontanthrombosierung des Aneurysma im Sinn der Gerinnungskaskade, unterstützt durch eine lokale Vasokonstriktion (infolge von vasoaktiven Substanzen wie Prostaglandine und Serotonin) sowie der erhöhte intrakranielle Druck induzieren den Stillstand der Blutung. Dieser massive Vasospasmus mit Maximum auch am 4.-10. Tag nach Ruptur führt zur arteriellen Minderperfusion mit konsekutive Gefahr eines Hirninfarktes (in bis zu 30% der Fälle).

 

Klinisch-relevant:

→ A) Durch die schnell einsetzende physiologische Fibrinolyse des Thrombus kommt es häufig zur Rezidivblutung (20-30% der Fälle) der Aneurysmaruptur und tritt insbesondere in den ersten 4 Wochen (50% schon am ersten Tag) nach Ruptur auf.

→ B) Die Rezidivblutung bricht aufgrund der leptomengialen Verklebung immer in die Hirnsubstanz ein (diametral zur Subarachnoidalblutung).

 

Klinik:

→ I: Kleine nicht-ruptierte Aneurysmen sind nicht selten stumm, evtl. Symptome wie rezidivierende Kopfschmerzen mit fluktuierenden neurologischen Hirnnervenausfällen.

→ II: Aneurysmaruptur: Leitsymptom ist schlagartiger einsetzender Vernichtungskopfschmerz, nuchal, okzipital oder diffus lokalisiert, zumeist ohne bekanntes Ereignis (in 1/3 der Fälle nach körperlicher Anstrengung).

 

Klinisch-relevant: Eine vor diesem Zeitpunkt sich aufzeigende Kopfschmerzepisode kann Zeichen eine

prämotorischen Warnblutung (= „Warning-Leak“ bzw. „Minor-Leak“ ) sein.

 

III: Hinzu kommen Übelkeit, Erbrechen, Photophobie, Nackensteifigkeit bzw. Meningismus.

→ IV: Weitere Symptome: Sind u.a.:

→ 1) Vigilanzstörungen von leichter Somnolenz bis hin zum Koma (ein initiales Koma ist selten).

→ 2) Neurologische Ausfälle wie Aphasie, Gangataxie, Hemiparese, fokal neurologische Defizite (bei Einbrechen der Blutung ins Hirnparenchym), Blasenstörungen, einseitige Ophthalmoplegie, etc.

→ 3) Generalisierte Krampfanfälle als Initialsymptom in 6% der Fälle.

4) Terson-Syndrom: Hierbei handelte es sich um eine Glaskörperblutung (unilateral, bilateral, präretinal, retinal), die sich direkt auf eine Subarachnoidalblutung anschließt. Ursache ist eine intrakranielle Drucksteigerung mit retinaler Venostase.

→ V: Atypische Symptome: Sind insbesondere:

→ 1) Synkope,

→ 2) Verwirrtheitszustand als Hauptsymptom.

092 Charakteristische Symptome bei spezifischer Subarachnoidalblutung

 

Klassifikation: Die Subarachnoidalbllutung nach klinischen Symptomen klassifizieren nach:

→ I: Hunt und Hess und

→ II: WFNS-SAH-Score: (= World-Federation of Neurological Surgeons Subarachnoid-Hemorrhage-Grading-Scale).

093 Klinische Klassifikation der SAB nach Hunt und Hess

 

Diagnose: Im Vordergrund der Diagnosestellung der Subarachnoidalblutung steht die Bildgebung:

→ I: Anamnese/klinische Untersuchung: Anamnese (spontan oder unter köperlicher Belastung z.B. schwer Heben, Bauchpresse, etc.) und ein akut einsetzender Kopfschmerz mit vernichtender Qualität und anschließende Vigilanzstörungen stellen immer einen Hinweis für eine SAB dar.

→ 1) Nachweis eines Meningismus nach wenigen Stunden sowie von möglichen Reizsymptomen wie Kernig-, Bruzinski- und/oder Lasegue-Zeichen (ausgenommen im Koma).

→ 2) Neurologische Ausfälle sprechen für eine Beteiligung des Hirnparenchyms wie Okulomotoriusparese (am häufigsten), Augenmuskelparesen durch Ruptur eines A. carotis interna oder A. communicans posterior-Aneurysmas. Hemiparese, homonyme Hemianopsie, Aphasie und epileptische Anfälle bei Ruptur der A. media cerebri und Paresen der unteren Extremitäten oder Abulie durch Ruptur des A. communicans anterior. Funktionsaufälle der kaudalen Hirnnerven und Hirnstammsymptome manifestieren sich bei einer Aneurysmaruptur im vertebrobasilären Bereich mit zumeist letalem Ausgang.

→ 3) Nachweis vegetativer Symptome wie Hyperhidrosis, arterielle Hypertonie,Tachyarrhythmie, evtl. Fieber.

→ II: Bildgebung: Bei der Diagnosestellung der Subarachnoidalblutung stellt CT den Goldstandard dar.

→ 1) CT: Die diagnostische Befundung umfasst den Nachweis von hyperdensen Läsionen in den basalen Zysternen, Sylvi-Fissur, über der Konvenxität oder im Interhemisphärenspalt innerhalb der ersten 24 Stunden, intrazerebrale Blutungen durch Einbruch ins Hirnparenchym (vor allem bei A. media cerebri Aneurysma). Des Weiteren sind evtl. ein beginnender Aufstau der Ventrikel, Hirnödem und Infarkte eruierbar. Mit zunehmender Resorption der Blutbestandteile ist der CT-Diagnose nicht mehr sicher (nach 6 Tagen nur nur noch 60-80%). Jedoch sind CT-Verlaufkontrollen zur Darstellung von Hirnödem, Hydrozephalus, intraparenchymale oder Ventrikelblutungen sowie mögliche Infarzierung aufgrund von Vasospamus obligat.

→ 2) CT-Angiographie: Dient insbesondere der Blutungsquellen-Suche (= Lokalisation) und ist Goldstandard. Vor allem bei Aneurysmagrößen > 5mm weist die CT-Angiographie eine hohe Sensitivität (95-100%) auf; < 5mm sinkt sie auf 60-80% (die MR-Angiographie hat bei Aneurysmen >5mm eine Sensitivität von 85-100% und fällt auf < 60% bei Größen < 5mm). Somit ist die intrakranielle Angiographie bei der SAB von großer Bedeutung.

3) MRT: Ist insbesondere bei subakuter Subarachnoidalblutung die Methode der Wahl; T2-gewichtet dient sie der Suche älterer SAB (bis zu 3 Monaten zurückliegend). Des Weiteren kann die MRT bei negativer Angiographie (da eine thrombosierte Aneurysma-Ruptur dem Nachweis entgeht) indiziert sein.

→ 4) Liquorpunktion: Wenn die SAB-Diagnose mittels Computertomographie nicht klar gestellt werden kann, ist die Lumbalpunktkion unerlässlich. Bei der akutenBlutung ist der Liquor massiv blutig (3-Gläser-Probe), einige Stunden (4-12 Stunden) später wird der Überstand nach Zentrifugation xanthochrom (der sich nach 2-3 Wochen vollständig zurückbildet). Zudem ist durch die Erythrozyten-Phagozytose noch nach Monaten eine Hämosiderin- bzw. Hämatoidin-Ablagerung in den Makrophagen darstellbar.

→ 5) Transkranielle Dopplersonographie: Zumeist frühstens nach 3 Tagen ist der Nachweis von Vasospamen bzw. transienter Frühspasmen der intrakraniellen Gefäße darstellbar.

 

Differenzialdiagnose: Von der Subarachnoidalblutung müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:

→ I: Kopfschmerz anderer Genese wie Migräneattacke, Spannungskopfschmerz, idiopathischer Donnerschlag-Kopfschmerz (primärer Kopfschmerz bei körperlicher Anstrengung oder sexueller Aktivität als Orgasmus-Kopfschmerz).

→ II: Intrazerebrale Blutungen (zumeist führendes Symptom fokale Anfälle).

→ III: Ischämischer Infarkt: Insbesondere bei einem Infarkt im hinteren Stromgebiet manifestieren sich in 1/3 der Fälle akute Kopfschmerzen.

→ IV: Die Sinusvenenthrombose kann mit einer Subarachnoidalblutung bzw. akut einsetzenden Kopfschmerzen einhergehen.

→ V: Weitere Differenzialdiagnose: Sind u.a.:

→ 1) Traumatische Subarachnoidalblutung,

2) Meningitis (CT unauffällig oder Nachweis eines Hirnödems, Liquor kann auch hämorrhagisch sein).

→ 3) Aortendissektion und Karotisdissektion.

4) Häufige und schwerwiegende Fehldiagnosen wegen Verzögerung der operativen Therapie sind Okzipitalneuralgie und das Zervikalsyndrom.

→ 5) Tolosa-Hunt-Syndrom: Hierbei handelt es sich um eine retroorbitale Entzündung mit Paresen der Hirnnerven III, IV und VI und einseitigen Kopfschmerz.

095 Schematische Darstellung der Epidural , Subdural  und Subarachnoidalblutung

 

Therapie: Ziel der Therapie bei der Subarachnoidalblutung ist die Vermeidung von Rezidivblutungen, die Vasospasmusprophylaxe sowie eine Entlastung des Hydrozephalus.

→ I: Operative Therapie: Hierbei steht insbesondere die Frühoperation (innerhalb der ersten 72 Stunden nach Ereignis) im Vordergrund. Zwar kann die Frühoperation selbst einen Vasospasmus induzieren, jedoch wirken Auspülung von Blutkoageln sowie eine mögliche Fibrinolyse (mittels rt-PA) diesem entgegen. Bei einer SAB Grad IV und V ist vor der Operation eine intrakranielle Drucksenkung mittels ventrikulärem Shunt obligat; ansonsten muss bis zum 12. Tag gewartet werden. Bei gleichzeitig bestehenden intrakraniellen raumfordernden Blutungen mit beginnenden Einklemmung ist immer eine operative Hämatomausräumung mit anschließender Klippung des Aneurysma indiziert.

II: Mikrochirurgie: Hierbei wird das Aneurysma angiographisch nachgewiesen und über den gleichen Operationszugang im Bereich des Aneurysmahalses durch eine Klemme (= Klipp) verschlossen bzw. ligiert (= Klippung). Bei  Riesenaneurysmen oder einem Aneurysma der A. carotis interna im supraklinoidalen Verlauf (in einer offenen OP nicht zugänglich) ist eine Ligatur der A. carotis interna eine Therapieoption, jedoch mit hohem Risiko für ischämische Komplikationen behaftet. Diesbezüglich kann auch eine risikoärmer Behandlung mit angiographischer Okklusion durch einen eingebrachten ablösbaren Ballon im weiter distal gelegenen Bereich in Betracht gezogen werden.

→ III: Interventionelle Therapie: Dieses Therapieverfahren hat in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Beim endovaskulären Coiling wird angiographisch mit Hilfe eines Katheters sogenannte Platin-Spiralen in das Aneurysma eingeführt. Diese führen in der Folge zu einer Thrombosebildung mit konsekutivem Verschluss des Aneurysmas (die Gefahr für eine unvollständige Okklusion mit Reperfusion ist höher als bei der operativen Therapie).

 

Klinisch-relevant: Die meisten Aneurysmen lassen sich heutzutage endovaskulär behandeln, ausschlaggebend sind jedoch die Größe, Konfiguration und die Lokalisation des Aneurysma.

 

IV: Konservative Therapie: Die Behandlung erfolgt intensivmedizinisch und dient insbesondere der Aufrechterhaltung von vegetativen Funktionen und der Vasospasmenprophylaxe. Sie umfasst:

→ 1) Schon eine präoperative Applikation eines Kalziumantagonisten dient der Verminderung Vasospasmen induzierter Hirninfarkte. Hierfür wird Nimopidin über einen zentralen Katheter mit einer Dosierung von 5ml/h unter Blutdruckkontrolle appliziert (eine Steigerung auf 10ml/h darf frühsten nach 6 Stunden erfolgen). Der Blutdruck sollte systolisch nicht unter 140mmHg gesenkt werden.

→ 2) Bei postoperative Verschlechterung der Vigilanz oder weiterer hinzukommender neurologischer Symptome sollte immer an eine sekundäre zerebrale Ischämie gedacht werden. In dieser Situation ist die Triple-H-Therapie, eine (risikoreiche) hypertensive, hypervolämische Hämodilution, indiziert.

→ 3) Bei 1/3 der Patienten entwickelt sich aufgrund einer überschießenden Natriurese eine Hyponatriämie mit Hypovolämie, die mit Fludrocortison behandelt wird.

→ 4) Weitere Interventionen sind u.a Stabilisierung der Herz- und Kreislauffunktion, Flüssigkeits- und Elektrolyt-Bilanzierung sowie Thromboseprophyaxe mit einer Low-Dose-Heparinisierung, etc.

 

Prognose: Die Letalität der Subarachnoidalblutung liegt insgesamt bei 45%-50% (sehr hoch) und ist insbesondere durch Rezidivblutungen und sekundäre zerebrale Ischämie bedingt.

→ I: Etwa 10% der Betroffenen versterben schon vor Klinikaufnahme und weitere 10% während der nächsten 24 Stunden.

→ II: Während die Letalität der 1. Aneurysmablutung bei 20-30% liegt, ist sie bei der 2. doppelt so hoch.

→ III: Prognostisch wichtig sind insbesondere:

→ 1) Das Ausmaß der initialen Blutung sowie

→ 2) Die adäquate diagnostische Befundung.

096 Weitere wichtige prognostische Aspekte