Definition:

→ I: Kokain: Wird aus den Blättern des Kokastrauches gewonnen und nasal, inhalativ und in seltenen Fällen auch i.v. appliziert (in Peru wird es auch gekaut). Ein relativ billigere Substanz ist das Kokain-Derivat, Crack. Kokain kann zudem auch mit Heroin (Speedball) gemischt und injiziert werden.

II: Crack: Hierbei handelt es sich um eine Mischung, bestehend aus Kokainhydrochlorid und Bikarbonat, die beim Inhalieren eine spezifisches Geräusch „Crackling-sound“ verursacht. Der Wirkungsbeginn von Crack erfolgt innerhalb von Sekunden, die Rausch selbst hält zumeist nur wenige Minuten (5-10min) an; der psychotrope Effekt ist deutlich intensiver; das psychische Abhängigkeitspotenzial sowie die Komplikationen sind bei Crack drastischer als bei Kokain.

III: Weitere Stimulanzien sind u.a.: Amphetamin, Methamphetamin, (Speed; und in reiner kristallinen Form = Crysal), Dexamphetamin, Amfetaminil, Ephedrin, Methylphenidat, Mephedron (= Badesalz, Angle-dust) 3,4 Methylendioxy-Methamphetamin (= Ecstasy) und Gammaaminobuttersäure (= Liquid-Ecstasy). Sie wirken ähnlich wie Kokain stimulierend auf dopaminerge und noradrenerge Neurone, haben jedoch zusätzlich einen positiven Effekt auf Serotoninrezeptoren. Der Konsum kann oral, nasal oder i.v. erfolgen.

 

Klinisch-relevant:

→ A) Amphetamine, insbesondere Methylphenidat, werden therapeutisch zur Behandlung der Narkolepsie oder bei ADHS eingesetzt, sind aber auch Bestandteil von Appetitzüglern.

→ B) Kokain und andere Stimulanzien (Weckamine) haben ein hohes psychisches Abhängigkeitspotenzial, sodass sich rasch eine Toleranzentwicklung manifestiert; eine physische Abhängigkeit besteht jedoch nicht.

 

Epidemiologie:

→ I: 3-5% der jungen Erwachsenen weisen Erfahrungen mit Kokain/Weckaminen auf.

→ II: In den westlichen Staaten ist Kokain, nach Cannabis, die am zweithäufigsten eingenommene illegale Droge.

→ III: Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen (M : F = 9 : 1); der Manifestationsgipfel liegt zwischen dem 25.-35. Lebensjahr.

IV: In Deutschland liegt der Anteil an Kokain-Abhängigen bei 0,2%, bei anderen Stimulanzien bei 0,1%.

 

Wirkmechanismus:

→ I: Kokain: Es aktiviert dopaminerge Neurone im mesolimbischen und mesokortikalen System (= Belohnungssystem) durch reversible Hemmung des Reuptakes von adrenergen Neurotransmittern (insbesondere Noradrenalin), Dopamin bzw. direkten MAO-Inhibition und anderen biogenen Aminen u.a. Serotonin in die Nervenzelle (= indirektes Sympathomimetikum). Der Wirkungsbeginn erfolgt bei i.v. oder inhalativem Konsum zumeist sofort bzw. bei nasaler Applikation nach 1-3min; der psychotrope Effekt ist kurz, die mittlere HWZ liegt zwischen 30-120min. Peripher fungiert Kokain als Natriumkanalblocker, der neben dem vasokonstriktiven Effekt eine kardiotoxische Wirkung aufweist.

II: Amphetamin-Derivate: Hemmen nicht nur reversibel die Wiederaufnahme von Dopamin und anderen biogenen Aminen in die präsynaptische Nervenzelle, sondern fördert auch direkt die Ausschüttung der Transmitter (Dopamin und Noradrenalin; im Vergleich zu Kokain zusätzlich noch Serotonin) in den synaptischen Spalt. 

472 Abhängigkeit der Stimulanzien   des Kokains

 

Klinik: Die Klinik verläuft charakteristischerweise biphasisch:

→ I: Euphorisches Stadium:

→ 1) Sogenanntes „Rush“ mit äußerst angenehmer Gefühlslage, Euphorie, Glücksgefühl, gehobene Stimmung, gestärktem Selbstwertgefühl; die Phase hält nur wenige Minuten an.

→ 2) Weitere Symptome sind verminderter Appetit, Antriebssteigerung, verbesserte, subjektive Leistungsfähigkeit und Kreativität, Kritiklosigkeit, erhöhte Kontaktfähigkeit mit Rededrang, sexuelle Enthemmung mit gesteigerter Libido, Ideenflucht und vermindertes Schlafbedürfnis.

→ 3) Vegetative Symptome: Sind innere Unruhe, Schwitzen, Mydriasis, Tachykardie, arterielle Hypertonie, Tachypnoe, Hyperreflexie, evtl. Ataxie.

II: Dysphorisches Stadium: Schließt sich dem euphorischen Stadium an, wird als "Crash" bezeichnet und ist durch Müdigkeit, Erschöpfung, Antriebslosigkeit, Angstgefühle, depressive Verstimmung, Depression, Dysphorie, evtl. Aggressivität charakterisiert, was wiederum häufig zu einem erneuten Konsum führt.

127 3 stufige psychotroper Effekt des Cocains

 

Klinisch-relevant:

→ A) Der Crash fördert entweder einen Mischkonsum mit z.B.:  

→ 1) Alkohol: Es entsteht das lebertoxische Kokainethylester und/oder

→ 2) Heroin: (= Speedball) oder den

→ B) Binge-Konsum: Hierbei wird Kokain in sehr kurzen zeitlichen Abständen konsumiert, um die dysphorische Phase zu unterbinden.

→ C) Die Wirkung der Amphetamine im Vergleich zu Kokain ist mit 6-8 Stunden deutlich länger.

 

Komplikationen:

→ I: Kokainintoxikation: Gekennzeichnet durch Agitiertheit, Angst, Paranoia, Erregungs- oder Dämmerzustände und ein delirantes Syndrom. Begleitende somatische Symptome sind u.a. Mydriasis, Übelkeit, Tachykardie, weitere Herzrhythmusstörungen und arterielle Hypertonie, Vasospasmen mit z.T. lebensbedrohlichen ischämischen Organstörungen von ZNS, Myokard (Myokardinfarkt, kokaininduzierte Kardiomyopathie) und Interstitium bis hin zum Multiorganversagen. Des Weiteren manifestiet sich Hyperthermie (Fieber), Rhabdomyolyse, epileptische Anfälle und evtl. ein Kokain-Schock. Hierbei handelt es sich um eine akute lebensbedrohliche Situation mit Hypotonie, zerebraler Minderperfusion (aufgrund anhaltender Vasokonstriktion) und der Gefahr von ischämischen Läsionen, zerebralen Krampfanfällen sowie Koma.

 1) Diagnose: Bei Verdacht auf eine Drogenintoxikation kann ein Drogenscreening (AK-Assay) im Urin differenzialdiagnostisch weiterhelfen. Kokain ist aufgrund seiner kurzen HWZ nur über wenige Stunden im Urin nachweisbar; sein Hauptmetabolit, das Benzoylecgonin, ist jedoch bei Einmalkonsum über 2-4 Tage und bei  Dauerkonsum sogar bis zu 14 Tagen verifizierbar (im Blut bis 48 Stunden).

→ 2) Differenzialdiagnose: Von der Kokainintoxikation müssen insbesondere die akute Manie, aber auch schizophrene Psychosen oder andere substanzinduzierte Intoxikationen abgegrenzt werden.

→ 3)Therapie: Gabe von Diazepam. 

711 Kokainintoxikation

 II: Chronischer Konsum:

 1) Psychisch: Apathie, Dysphorie, Affektlabilität, aber auch Angstzustände, Depersonalisation, induzierte Psychosen (Illusionen, Halluzinationen) und Wahn. Insbesondere bei den Stimulanzien manifestiert sich beim chronischen Konsum Kritikunfähigkeit, Aggressivität, Impulskontrollstörungen mit Gefahr der Suizidalität. Ein mögliche Komplikation ist das Aufreten einer Weckaminpsychose, die durch Angst, Paranoia, Sinnestäuschungen und Wahn charakterisiert ist.

 2) Somatisch: Reizung der Nasenschleimhaut, Sinusitis, Nekrosebildung des Nasenseptums, gastrointestinale Störungen wie Ulzerationen und Ischämie, pulmonale Störungen und nicht zuletzt Nierenschädigungen.

 

 Klinisch-relevant:

 A) Bei Abhängigen, die gerade viel und über einen langen Zeitraum Kokain konsumiert haben, kann sich eine kokain-induzierte Psychose entwickeln, die gekennzeichnet ist durch schizophrenie-ähnliche Symptome wie Wahn und Halluzinationen. Diese tritt unmittelbar nach Konsum bis spätestens 30 Stunden danach auf und hält über Tage bis Wochen an.

 B) Bei Persistenz der psychotischen Symptome über 6 Monate, bzw. bei psychotischen Rezidiven nach langfristiger Abstinenz spricht man nicht mehr von einer Kokain-induzierten Psychose, sondern vielmehr von einer komorbiden psychotischen Störung aus dem schizophrenen Formenkreis, die durch die Einnahme von Kokain getriggert wurde.

 

III: Kokainentzugssymptome: Die Abhängigkeit entwickelt sich schnell, jedoch bestehen keine spezifischen Symptome, vielmehr sind depressive evtl. auch dysphorische Verstimmung, Schlafstörungen, Erschöpfung mit erhöhter Suizid-Gefahr (Dauer 7-14 Tage) nachweisbar; die Reduktion des Cravings zieht sich z.T. über Monate. Des Weiteren können vegetative Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Tachykardie und ausgeprägtes Schwitzen auftreten. Die Therapie erfolgt mit der Substitution eines Antidepressivums wie z.B. Doxepin.

IV: Amphetamin-Intoxikation: Mit zentralnervöser Erregung, zerebralen Krampfanfällen, Hyperthermie, hypertensiven Krisen, Arrhythmien, Hirnblutungen. Induziert ist die Gabe von Haloperidol und Diazepam.

V: Amphetaminentzugssymptome: Keine typischen, jedoch häufig extreme Müdigkeit oder aber Schlaflosigkeit, Dysphorie, Depressivität mit der Gefahr der Suizidalität, Heißhunger, Muskelschmerzen, aber auch diffuse Schmerzen und Erschöpfungssymptome. Therapeutische Maßnahmen ist die Applikation von trizyklischen Antidepressiva wie Doxepin oder Amitriptylin.

 

 Diagnose:

→ I: Wichtig ist die adäquate und umfassende Eigen-, Fremd- und Drogenanamnese.

→ II: Labor: Routinelabor mit konsekutivem Drogenscreening. Nachweis des Kokain-Hauptmetaboliten, Benzoylecgonin im Urin (ist bis zu 3 Tagen, bei chronischem Konsum sogar bis zu 22 Tagen nachweisbar). Auch bei den Amphetaminen ist ein Urin-Antikörper-Assay möglich.

570 Diagnosekriterien der Störung durch psychotrope Substanzen

 

→ Differenzialdiagnose: Von der Kokainabhängigkeit müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden; hierzu zählen u.a.:

→ I: Andere Formen der Intoxikation sowie die Polytoxikomanie.

→ II: Somatische Erkrankungen: Wie die Hyperthyreose z.B. bei Schilddrüsenautonomie, oder dem Morbus Basedow, Hypoglykämie, Phäochromozytom, etc.

→ III: Psychiatrische Erkrankungen:

→ 1) Beginnende Schizophrenie,

→ 2) Solitäre manische Episode oder im Rahmen einer bipolaren affektiven Störung

569 Kokain  bzw Stimulanzienabhängigkeit

 

 Therapie:

 I: Allgemein: Sowohl bei der Kokain- als auch Stimulanzienabhängigkeit ist eine stationäre Entzugsbehandlung, bei Selbst- oder Fremdgefährdung eine Unterbringung indiziert.

 II: Medikamentöse Therapie: Sie wird unterstützend zur Entzugstherapie angewandt; hierzu zählen u.a.:

 1) Die akute Intoxikation mit Kokain oder einem anderen Weckamin erfolgt durch die Applikation eines Benzodiazepins wie z.B. Diazepam 5-10mg/d oder Lorazepam 2-4mg/d.

 2) Die Behandlung vegetativer Symptome wie Tachykardie, arterieller Hypertonie, Agitiertheit, Erregung, etc. mit Hilfe eines Betablockers (z.B. Propanolol), insbesondere bei Kokain sollte ein Kombinationspräparat aus Alpha- und Betablocker z.B. Carvedilol verabreicht werden.

 3) Bei bestehender Depressivität mit/ohne Suizidalität haben sich vor allem die trizyklischen AD wie Imipramin (100-150mg/d) oder Clomipramin (100-150mg/d) sowie die SSRI wie Citalopram (20mg/d), Fluoxetin (20mg/d) oder Paroxetin (20mg/d) etabliert.

 4) Bei sich entwickelnder Psychose ist die Gabe eines klassischen Antipsychotikums (z.B. Haloperidol 5-12mg/d, Fluphenazin 4-10mg/d) oder atypischen Neuroleptikums (z.B. Olanzapin 10-15mg/d, Quetiapin 200-300mg/d) indiziert.

 

Sonderstellung: Eine Sonderstellung nimmt das Ecstasy ein:

→ I: MDMA: (= 3,4-Methylendioxymethamphetamin) Die bedeutendste Substanz aus dieser Gruppe ist das 3,4-MDMA = Ecstasy; es handelt sich um eine Designerdroge, die zumeist in Tablettenform in Einzeldosen von 50-100mg vorliegen.

II: Wirkmechanismus: MDMA fördert die Serotoninausschüttung und hemmt gleichzeitig die Wiederaufnahme des Serotonins aus dem synaptischen Spalt in die Nervenzelle. Die sympathomimetische Wirkung ist deutlich geringer als bei den Amphetaminen.

→ III: Klinik: Es nimmt eine Sonderstellung ein, da es dosisabhängig eine amphetaminartige (jedoch weniger stark sympathomimetisch) und/oder halluzinogene Wirkung hat:

1) Wirkeintritt nach 30-90min, Wirkdauer 4-6 Stunden,

2) Euphorie, erhöhte Kontaktfreudigkeit und Emotionalität.

→ 3) Es wird zu den Entaktogenen (Stoffe, die zu einer Berührung des eigenen Inneren führt) gerechnet, da es gerade auch auf der emotional, kommunikativen Ebene wirkt.

→ 4) Appetit- und durstmindernd mit der Gefahr der Exsikkose.

→ 5) Es gibt eine psychische, jedoch keine physische Abhängigkeit.

 → IV: Nebenwirkungen: Hypersalivation und Trismus (Kiefersperre) evtl. Muskelrigidität.

 → V: Komplikationen:

→ 1) Ecstasy kann im Zuge einer Intoxikation aufgrund seiner neurotoxischen Wirkung auf das serotonerge System vitalbedrohliche Symptome wie schwere Erregungszustände, Mydriasis, Tachykardie, arterielle Hypertonie, starke Hyperthermie, Hyponatriämie, disseminierte intravasale Koagulopathie, Rhabdomyolyse, akutem Nieren- und Leberversagen hervorrufen.

→ 2) Weitere Komplikationen sind kardiale Arrhythmien, Myokardinfarkt, Krampfanfälle, Schlaganfall

→ VI: Therapie:

→ 1) Allgemeinmaßnahmen: 

→ A) Bei leichteren Formen ist Sedierung, Flüssigkeitszufuhr (Elektrolyte, Glucose), äußere Abkühlung, in schweren Formen intensivmedizinische Überwachung indiziert.

→ B) Ist ein Serotonin-Syndrom nachweisbar, sollte Cyproheptadin 2-4mg in Einzeldosis bis maximal 16-32mg/d versucht werden.

→ C) Beim seltenen Ecstasy-induzierten Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion sollte in leichteren Fällen eine Flüssigkeitresektion, in schweren Fällen eine vorsichtige Natriumsubstitution und focierter Diurese erfolgen.

→ 2) Medikamentös: Benzodiazepine (z.B. Diazepam 10mg i.v.) werden zur allgemeinen Sedierung verabreicht, bei psychotischen Symptomen ist Haloperidol 5mg, bei Bluthochdruck eine begleitende antihypertensive Therapie indiziert.