→ Definition: Bei Cannabis handelt es sich um die am häufigsten verwendete, illegale Droge. Der Hauptwirkstoff ist das Tetrahydrocannabinol (= THC), welches aus der weiblichen Pflanzen gewonnen wird. Hierbei unterscheidet man zwischen:
→ I: Haschisch: Stellt das Harz der Blütenstaude dar; die Wirkung ist deutlich stärker aufgrund des höheren THC-Gehalts von ca. 10% und
→ II: Marihuana: Sind die getrockneten Blüten und Blätter (THC-Gehalt 1-5%).
→ Epidemiologie: Der Konsum von Cannabis hat insbesondere im mittleren und fernen Osten eine lange Tradition.
→ I: 0,5 der Erwachsenen konsumieren täglich Cannabis.
→ II: 1/3 der 18.-19.-Jährigen haben Cannabiserfahrung, wobei das Einstiegsalter in den letzten Jahren deutlich gesunken ist.
→ III: In Deutschland weisen ca. 5% der 15.-25. Jährigen einen Missbrauch auf.
→ IV: Cannabis ist die am häufigsten konsumierte psychotrope Substanz und gilt auch als mögliche Einstiegsdroge für spätere Suchterkrankungen.
→ Wirkmechanismus:
→ I: Der relevante Suchtwirkstoff ist das 9-D-Tetrahydrocannabinol, das agonistisch an körpereigenen CB1/(2)-Rezetoren des ZNS fungiert. Dabei wirkt es G-Protein-vermittelt zentral hemmend auf die Aktivität der Adenylatzyklase. Die Cannabinoid-Rezeptoren findet man v.a. in den:
→ 1) Basalganlien und im Kleinhirn.
→ 2) Aber auch in der Hirnrinde des Stirnbereichs und im Hippocampus.
→ II: Die Wirkung der Cannabinoiden im ZNS ist anticholinerg und serotonerg; es wird eine Steigerung der Durchblutung in dern frontalen Kortex und im Bereich des Gyrus cinguli angenommen.
→ III: Der Effekt ist dosisabhängig; in niedriger Dosis wirkt es anregend, in hoher dämpfend; auch Derealisations-Erleben sowie das Auftreten von Horrortrips und Flashback-Psychosen (= psychotische Episoden Tage und Wochen nach dem Cannabiskonsum) ist insbesondere bei hoher Dosierung möglich.
→ IV: Die Applikation erfolgt zumeist inhalativ als Bestandteil der Zigarette, seltener wird Cannabis oral als Zutat von Nahrungsmitteln z.B. Keksen, Kuchen etc. aufgenommen.
→ V: Pharmakokinetik: THC reichert sich nach Aufnahme in die Gewebe mit hohem Fettanteil an und kann länger als andere Rauschmittel im Urin nachgewiesen werden (der Nachweis erfolgt mittels z.B. Immunoessays, Chromatographie oder spektrometrische Techniken).
→ Indikation:
→ I: In Deutschland ist Cannabis in Ausnahmefällen bei chronischen Schmerzen zugelassen, unterliegt jedoch dem Betäubungsmittelgesetzt.
→ II: Senkung des Augeninnendrucks bei Glaukompatienten.
→ III: Antiemetische Wirkung bei Patienten mit Chemotherapie.
→ Klinik:
→ I: Die zentral-nervöse Wirkung setzt beim Rauchen nach einigen Minuten ein, erreicht ihr Maximum nach 20-30min und dauert ca. 2-3 Stunden. Bei oraler Aufnahme setzt die Wirkung wiederum erst nach 20-30min ein, erlangt ihr Maximum nach 2-3 Stunden und hält ca 3-6 Stunden an. (der psychotrope Effekt setzt verzögert ein).
→ Klinisch-relevant: Der Rausch ist individuell sehr variable und wird u.a. durch die momentane Stimmungslage des Konsumenten bestimmt.
→ II: Symptome des Rausches: Sind Entspannung, Euphorie, psychomotorische Verlangsamung, gesteigerte optische und akustische Wahrnehmung, verlangsamtes Raum-Zeit-Gefühl, Konzentrations- und Denkstörungen mit vermindertem Abstraktionsvermögen und Ideenflucht. Insbesondere bei der Einnahme höherer Dosen können sich Derealisations- und Derealisationserlebnisse, paranoide Gedanken, Wahrnehmungsstörungen (z.B. illusionäre Verkennung) und Pseudohalluzinationen (Patient weiß, dass die Halluzinationen substanzinduziert sind) ausbilden.
→ III: Atypischer Rausch: Hierbei ist der Rauschverlauf durch angstbetonte Panikerlebnisse mit daraus resulitierender innerer Unruhe geprägt; weitere Symptome sind häufig niedergedrückte Stimmung, Angst, aber auch durch Aktualisierung von Belastungen und Konflikten eine mögliche Entwicklung von Wahn- und Verfolgungserlebnissen.
→ IV: Körperliche Symptome: Wie konjunktivale Injektionen, Mydriasis, selten Nystagmus, Mundtrockenheit, Tachykardie, orthostatische Hypotonie, Motorikstörungen und gesteigerter Appetit. Gerade bei peroralem Konsum können sich Übelkeit und Erbrechen manifestieren.
→ Komplikationen: Der chronische Konsum führt zur psychischen Abhängigkeit, eine körperliche Abhängigkeit fehlt.
→ I: Komplikationen der akuten Intoxikation:
→ 1) Horrortrip: Starke, panikartige Angstzustände mit dem Gefühl des Bedrohtseins.
→ 2) Psychotische Rauschzustände mit Halluzinationen, Illusionen und Wahn (im Sinne drogeninduzierter Psychosen). Es handelt sich hierbei um eine transiente psychotische Störung, die bis zu 48 Stunden anhalten kann.
→ 3) Selten delirante Rauschzustände mit Agitiertheit, Angst, Verwirrtheitszustände und nachfolgender Amnesie.
→ II: Komplikationen des chronischen Konsums:
→ 1) Kumulationseffekt: Hierbei kommt es zu protrahierten Rauschzuständen mit verstärkter Symtomatik wie misstrauisch-dysphorische Verstimmungen, die z.T. Tage anhalten.
→ 2) Flashbacks: (= Echopsychosen = Nachhallphänomen) Psychotische Episoden Tage bis Wochen nach dem letzten Cannabiskonsum.
→ 3) Gerade bei regelmäßigem, gesteigertem Konsum kann sich eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis entwickeln (6-fach erhöhtes Risiko); dies wird als "Drogen-induzierten Psychose" bezeichnet.
→ 4) Amotivationales Syndrom: Dies ist gekennzeichnet durch das gleichzeitige Bestehen von:
→ Komorbiditäten: Insbesondere bei den chronischen Konsumenten manifestieren sich oftmals weitere psychische Störungen, wie:
→ I: Persönlichkeitsstörungen,
→ II: Angststörungen,
→ III: Affektive Störungen,
→ IV: Schizophrenie.
→ Entzugssyndrom: Gerade bei regelmäßigem, hoch-dosiertem Konsum von Cannabis entwickelt sich in 7% der Fälle (nach ICD-10) eine Abhängigkeit mit Craving, Kontrollverlust und Kontrollverlust; bei absoluter Abstinenz kann ein Absetzphänomen mit charakteristischen Symptomen auftreten.
→ I: Stimmungsveränderungen wie Reizbarkeit, Affektlabilität, Ängstlichkeit,
→ II: Schlafstörungen, Albträumen, Hyperalgesie und
→ III: Vegetativen Symptomen wie innere Unruhe, Schwitzen und Tremor ausbilden.
→ IV: Sie treten dann zumeist innerhalb von 12h auf und halten über 1-3 Wochen an.
→ V: Die Symptome entwickeln sich meist 10h nach dem letzten Konsum, weisen eine individuelle Ausprägung auf und erstrecken sich über einen Zeitraum von 1-3 Wochen. Das klinische Maximum wird um den 2.-6. Tag erreicht.
→ Diagnose: Der wirkungslose Metabolite THC-COOH (= THC-Carbonsäure) kann im Urin über 3d und im Blut bis zu 20d nachgewiesen werden. Ist eine Blutkonzentration von 75ng/ml THC-COOH bzw. ist 11-OH-THC (= glukuronidierter Metabolit) erwiesen, spricht dies für einen regelmäßiger Cannabis-Konsum.
→ Differenzialdiagnose: Hiervon abzugrenzen sind u.a.:
→ I: Andere Formen der Intoxikation z.B. durch Alkohol, Kokain etc.
→ II: Weitere Suchterkrankungen, sowie die Polytoxikomanie,
→ III: Hirnorganische Wesensveränderungen und
→ IV: Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis.
→ Therapie: Nur 5% der chronischen Konsumenten nehmen professionelle Hilfe in Anspruch.
→ I: Psychotherapeutische Therapie: Haben sich Kurzinterventionen mit motivations-verstärkenden, psychoedukativen und kognitiv-verhaltenstherapeutischen Aspekten durchgesetzt. Begleitend sollten Entspannungsübungen (z.B. autogenes Training, progressive Muskelrelaxation), Sport und weitere Bewegungstherapien sowie Selbsthilfegruppen angeboten werden.
→ II: Medikamentöse Therapie: Eine etablierte Pharmakotherapie bei der Behandlung der Cannabisabhängigkeit exisitert nicht: Mögliche Therapieoptionen sind u.a.:
→ 1) Allgemein kann im Entzug unterstützend zur kognitiven Verhaltenstherapie ein trizyklisches AD, wie Doxepin, gegeben werden.
→ 2) In der Akutsituation wird insbesondere Patienten mit schweren Erregungszuständen und psychotischen Symptomen vorübergehend ein Benzodiazepin verabreicht.
→ 3) Bestehen Unruhezustände und Agitiertheit ist ein schwach-potentes bzw. dämpfendes Neuroleptikum wie Promethazin (75-150mg/d), Promazin (100-200mg/d) oder Melperon 150-200mg/d indiziert.
→ 4) Bei ausgeprägten schwerwiegenden Entzugssymptomen kann aber auch ein sedierendes Epileptikum wie Carbamazepin appliziert werden.
→ III: Des Weiteren ist die Behandlung zusätzlicher psychiatrischer Komorbiditäten wie Angststörungen, Persönlichkeitsstörung, affektive Störungen, andere Abhängigkeitsstörungen, Schizophrenie etc. von großer Relevanz.