Definition:

→ I: Bei den Neuroleptika handelt es sich um psychotrope Substanzen, deren klinisch-therapeutischer Effekt es ist, eine dämpfende Wirkung auf psychomotorische Erregtheit, Aggressivität, aber auch auf psychotische Sinnestäuschungen (Halluzinationen), Wahngedanken, katatone Symptome und schizophrene Ich-Störungen zu haben.

→ II: Alle gängigen Neuroleptika weisen einen direkten D2-Rezeptorantagonismus und konsekutiv eine Drosselung der D2-vermittelten Transmission auf.

 

→ Klassifikation: Man unterscheidet bei den Antipsychotika generell zwischen 2 Hauptgruppen:

→ I: Antipsychotika der 1. Generation: (= konventionelle Antipsychotika) Die hauptsächliche Wirkung erfolgt über die Hemmung der Dopamin2-Rezeptoren (Rezeptorantagonismus) und führt überwiegend zur positiven Beeinflussung der Plussymptomatik der Schizophrenie; nicht selten jedoch manifesiteren sich schon in therapeutischer Dosierung extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen. Sie werden bezüglich ihrer chemischen Struktur und neuroleptischen Potenz nochmals unterteilt in:

→ 1) Trizyklische Neuroleptika: Hierzu gehören:

→ A) Phenothiazine: Wie Chlorpromazin, Levomepromazin (niederpotent), Promethazin (niederpotent), Perphenazin (hochpotent), Fluphenazin (hochpotent), Perazin (mittelpotent), Thioridazin (niederpotent).

→ B) Thioxanthene: Chlorprothixen (niederpotent), Flupenthixol (hochpotent).

→ 2) Butyrophenone: Wie Haloperidol (hochpotent), Bromperidol (hochpotent), Benperidol (hochpotent), Melperon (niederpotent).

→ 3) Diphenylbutylpiperidine: Wie Pimozid (hochpotent), Fluspirilen (hochpotent).

 

→ Klinisch-relevant: Nieder- und hochpotente Antipsychotika weisen ein unterschiedliches Wirkungsprofil auf und haben diesbezüglich auch ein divergierendes Einsatzgebiet:

→ A) Niederpotente Antipsychotika:

→ 1) Sie haben eine stark sedierende und stark antriebshemmende Wirkung.

→ 2) Weisen nur eine geringe antipsychotische Wirkung auf.

→ 3) Und haben stark anticholinerge, aber nur geringe extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen.

→ B) Hochpotente Antipsychotika:

→ 1) Sie haben nur geringe sedierende und antriebshemmende Wirkung.

→ 2) Weisen eine stark antipsychotische Wirkung auf.

→ 3) Und haben geringe anticholinerge, jedoch starke extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen.

→ C) Faustregel: Je höher die neuroleptische Potenz, desto höher die antipsychotische Wirkung und desto geringer die sedierende Wirkung.

701 Wirkungsprofil und Nebenwirkungen der Neuroleptika

→ II: Antipsychotika der 2. Generation: Werden auch als atypische Antipsychotika bezeichnet. Ihr Wirkmechanismus erfolgt über den Serotonin-Rezeptor, weniger über den D2-Rezeptor und führen damit zu keinen bzw. nur geringen extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen. Zu den atypischen Neuroleptika zählen u.a. Risperidon, Quetiapin, Olanzapin, Amisulprid, Aripiprazol, Clozapin, etc.

→ 1) Definition: Pharmakologisch handelt es sich bei den atypischen Neuroleptika um eine heterogene Gruppe von Substanzen mit unterschiedlicher Wirkstärke und unterschiedlichen Nebenwirkungen (wie z.B. Gewichtszunahme, Prolaktinsekretion, Sedierung, etc.).

→ 2) Wirkungsmechanismus:

→ A) Antagonismus an den 5-HT2a-(Serotonin-II)-Rezeptoren.

→ B) Geringe Affinität zum D2-Rezeptor.

→ C) Bevorzugte Blockade im Bereich des mesolimbischen Systems, weniger des nigrostriatalen Systems.

→ D) Verstärkte Blockade der Dopamin1- und Dopamin4-Rezeptoren.

→ 3) Die atypischen Neuroleptika weisen eine gute antipsychotische Wirkung auf (Plussymptomatik), aber auch eine hinreichende Wirkung auf die Minussymptomatik auf und haben geringe bis fehlende extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen.

 

 → Wirkungsmechanismus: Der Wirkungsmechanismus der Neuroleptika wird durch die Beeinflussung der verschiedenen Neurotransmittler-Systeme charakterisiert. Alle Neuroleptika haben eine Bindungsaffinität zum Dopamin- und 5-Hydroxytryptamin-Rezeptor und in sehr unterschiedlichem Ausmaß für Noradrenalin-, Acetylcholin- unf Histamin.

→ I: Dopaminerges System: Ein Dopaminanstieg verursacht psychotische Symptome. Neuroleptika sind Antagonisten am postsynaptischen D2-Rezeptor (Aunahme Clozapin antagonisiert am D4-Rezeptor) im Innervationsgebiet dopaminerger Neurone. Zum dopaminergen System gehören:

→ 1) Mesolimbisches System: Reduktion der Positiv-Symptomatik wie Halluzinationen, Wahn, Ich-Störungen, formale Denkstörungen, etc.

→ 2) Mesokortikales System: Mit Minderung der Negativ-Symptomatik.

→ 3) Nigrostriatales System: Hervorrufen von extrapyramidal-motorischen Symptomen.

→ 4) Tuberoinfundibuläres System: Steigerung der Prolaktinproduktion und -konzentration mit Hyperprolaktinämie und sexueller Dysfunktion.

702 Wirkungen und Nebenwirkungen durch den D2 Rezeptorantagonismus

→ II: Serotonerges System: Durch Antagonisierung am Serotonin-Rezeptor haben die Neuroleptika insbesondere Einfluss auf die Negativ-Symptomatik psychotischer Störungen wie z.B. Antriebslosigkeit, Affektverflachung, Gleichgültigkeit, Anhedonie, etc. (Klinik der Schizophrenie). Zudem manifestiert sich eine Reduktion extrapyramidal-motorischer Störungen.

→ III: Cholinerges System: Durch Hemmung der cholinergen Bahnen werden unerwünschte Wirkungen wie Akkomodationsstörungen, Mundtrockenheit, Obstipation (bis hin zum paralytischen Ileus), Blasenentleerungsstörungen und nicht zuletzt Harnverhalten verursacht.

→ IV: Histaminerges System: Die Blockade dieser Bahnen ruft eine sedierende, zentral dämpfende Wirkung hervor, die in der Akuttherapie psychotischer Störungen genutzt wird; in der Langzeitbehandlung ist sie jedoch unerwünscht.

→ V: Adrenerges System: Durch Hemmung der adrengeren Bahnen treten unerwünschte Wirkungen wie arterielle Hypotonie, Tachykardie, Schwindel, etc. auf. Gerade Levomepromazin hat eine ausgeprägte Affinität zum adrenergen System.

 

→ Klinisch-relevant: Während die klassischen Neuroleptika in unterschiedlichem Maße auf die Neurotransmitter-Systeme einwirken, haben die atypischen Neuroleptika ein viel differenziertes Wirkungsprofil. Sie binden fast ausschließlich an serotonergen, dopaminergen Rezeptoren, sodass sie eine gute Wirksamkeit an fie Positiv- bzw. Negativ-Symptomatik psychotischer Störungen aufweisen und gleichzeitig die unerwünschten Wirkungen (z.B. extrapyramidal-motorische Symptome) minimieren.

 

→ Wirkung:

→ I: Akute Wirkung: Psychomotorische Dämpfung und Sedierung mit Minderung der Erregung bzw. Aggressivität bestehen schon zu Therapiebeginn und sind sowohl bei Gesunden als auch bei psychischen Kranken nachweisbar (= Sedativum).

→ II: Antipsychotische Wirkung: Unter Neuroleptikatherapie kommt es zur Distanzierung von psychotischen Symptomen. Die Wirkung tritt erst mit einer Latenz von Wochen ein (Wirkmechanismus der Neuroleptika).

 

→ Indikation: Klassische Indikationen für die Verabreichung von Antipsychotika sind u.a.:

→ I: Behandlung der akuten Schizophrenie oder im Rahmen einer Rezidivprophylaxe.

→ II: Schizoaffektive Störungen: Sie stellen Mischpsychosen mit Symptomen aus dem schizophrenen - und manisch-depressiven Formenkreis (schizodepressive und schizomanische Episoden) dar.

→ III: Akuttherapie der Manie sowie deren Rezidivprophylaxe.

→ IV: Behandlung psychotischer Symptome im Rahmen einer wahnhaften Depression.

→ V: Behandlung der therapieresistenten Zwangsstörung.

→ VI: Therapie von Erregungszuständen im Zusammenhang mit verschiedenen psychotischen Erkrankungen wie organisch psychische Störungen. So hat sich die Applikation von einem Neuroleptikum in niedriger Dosierung (z.B. Haloperidol 1-4mg/d) bei psychotischen Symptomen im Rahmen einer Demenz etabliert.

→ VII: Behandlung von Schlafstörungen, psychomotorischer Unruhe, etc. bei verschiedenen Erkrankungen.

→ VIII: Des Weiteren Delir, Verwirrtheitszustände, Angstzustände, etc.

 

→ Nebenwirkungen: Wichtige Nebenwirkungen unter der Therapie mit Neuroleptika sind u.a.:

700 Wichtige Nebenwirkungen der Neuroleptika

 → I: Extrapyramidal-motorische Störungen: Zu den EPMS zählen insbesondere:

→ 1) Frühdyskinesien: Mit hyper- oder dyskinetischen Bewegungsstörungen.

→ 2) Spätdyskinesien: Verspätet auftretende motorische Bewegungsstörungen vor allem im Gesichtsbereich (z.B. Kau- und Schmatzbewegungen) und den distalen Muskelgruppen.

→ 3) Akathisie: Sitzunruhe zumeist mit Drang nach Bewegung (= Tasikinesie) kombiniert.

→ 4) Parkinsonoid: Mit Rigor, Tremor und Akinese.

→ II: Weitere Nebenwirkungen: Sind u.a.:

→ 1) Appetitsteigerung mit Gewichtszunahme, Diabetes mellitus, etc.

→ 2) EKG-Veränderungen mit verlängerter QT-Zeit und der erhöhten Gefahr der Entwicklung einer Torsades-de-pointes-Tachykardie (EKG-Befund: Torsades-de-Pointes-Tachykardie).

→ 3) Mögliche Erhöhung der Transaminasen, zumeist vorübergehend; in Einzelfällen kann es zu schweren Leberfunktionsstörungen bis hin zum Leberversagen kommen. 

→ 4) Blutbildveränderungen v.a. die Leukopenie und Agranulazytose.

703 Behandlungsempfehlung der Antipsychotika in Problemsituationen