→ Definition:
→ I: Die schizoaffektive Störung ist durch das gleichzeitige und polyphasische Auftreten schizophrener - und ausgeprägter affektiver Symptome der Depression oder Manie während einer Krankheitsepisode gekennzeichnet.
→ II: Diese heterogene Erkrankungsgruppe nimmt eine genau definierte Zwischenstellung zwischen schizophrener- und affektiver Psychose ein.
→ Klinisch-relevant: Nicht jede Schizophrenie, die mit affektiven Symptomen einhergeht (nicht selten findet man bei der Schizophrenie affektive Grundsymptome), ist eine schizoaffektive Störung, vielmehr sind bei der schizoaffektiven Störung die affektiven Symptome (manische/depressive) sehr stark ausgeprägt und beherrschen zeitweise das klinische Bild.
→ Epidemiologie:
→ I: Die Lebenszeitprävalenz liegt bei 0,5-0,8%, wobei Frauen geringfügig häufiger als Männer betroffen sind (M : F = 1 : 1,7). Die schizoaffektive Störung ist ein rekurrentes Krankheitsbild mit polyphasischen Verläufen (zumeist > als 3 Krankheitsepisoden).
→ II: Der Manifestationgipfel liegt charakteristischerweise zwischen dem späten Jugend- und frühen Adoleszenzalter, kann aber auch in jedem Lebensalter auftreten.
→ Ätiologie: Eine familiäre Häufung ist bei den schizoaffektiven Störungen vorhanden. So zeigten genetische Studien, das ein erhöhtes Psychoserisiko bei Verwandte 1. Grades von Patienten mit schizoaffektiver Störung besteht.
→ Klassifikation: Die schizoaffektiven Störungen lassen sich in 3 verschiedene Subtypen einteilen:
→ I: Schizomanische Störungen:
→ 1) Psychose insbesondere durch die schizophrene Plussymptomatik wie akustische Halluzinationen Ich-Störungen Verfolgungswahn etc. und manische Symptome geprägt. Der Patient weist eine zumeist gereizte bis aggressive -, evtl. aber auch gehobene Stimmungslage auf. Des Weiteren ist er antriebsgesteigert, logorrhoeisch und leicht ablenkbar.
→ 2) Die schizomanische Störung beginnt in der Regel akut und klingt über einen Zeitraum von einigen wenigen Wochen wieder ab.
→ 3) Die Prognose ist günstig.
→ II: Schizodepressive Störungen:
→ 1) Es zeigen sich klassische Symptome einer Depression, wie gedrückte Stimmung, Hoffnungslosigkeit, geringes bis fehlendes Selbstwertgefühl sowie stimmungsinkongruenter Wahn mit kommentierenden und dialogisierenden Stimmen.
→ 2) Der Krankheitsverlauf weist im Vergleich zur schizomanischen Störung eine längere Dauer auf, sodass die Prognose weniger günstig ist.
→ 3) Das Suizid-Risiko ist bei diesen Patienten höher als bei Patienten mit unipolarer Depression.
→ III: Gemischte schizoaffektive Störungen: Zeigt Symptome einer Schizophrenie sowie einer gemischten affektiven Störung auf.
→ Klinik: Charakteristikum des klinischen Bildes ist, dass sowohl schizophrene als auch affektive Symptome während derselben Krankheitsepidose im Vordergrund stehen.
→ I: Die schizoaffektive Störung beginnt in der Regel klinisch mit affektiven Symptomen im Sinne der depressiven bzw. manischen Episode.
→ II: Die schizophrene Symptomatik umfasst Ich-Störungen, inhaltliche und formale Denkstörungen, Wahrnehmungsstörungen und Halluzinationen.
→ III: Schizodepressive Symptome: Mit Depressivität, Hoffnungslosigkeit, Interessenverlust, Verlangsamung, Antriebarmut bis hin zum Stupor, Appetit- und Gewichtsverlust, Schlafstörungen insbesondere die Schlaflosigkeit, aber auch depressivem Wahn, Ich-Störungen und Halluzinationen, etc. Die Episoden ist zumeist nicht so floride, aber tendieren zu einer längeren Krankheitsdauer.
→ IV: Schizomanische Symptome: (Zumeist akuter Krankheitsbeginn) Floride Psychose mit innerer Unruhe, Überaktivität, Erregtheit, Hochgestimmtheit, Verlust sozialer Hemmungen, aber auch dysphorischer Stimmung und Aggressivität, Ideenflucht, Logorrhoe, Größen-, Verfolgungs- und Beziehungswahn, Ich-Störungen, formalen und inhaltlichen Denkstörungen und Halluzinationen. In der Regel kommt es innerhalb von wenigen Wochen zur vollständigen Remission.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Die Symptome sind nicht durch eine primäre oder sekundäre Hirnerkrankung zu erklären.
→ B) Bei der schizoaffektiven Störung müssen gleichzeitig schizophrene wie affektive Symptome vorhanden sein, die allein für sich schon die Diagnose einer Schizophrenie bzw. affektiven Störung rechtfertigen.
→ Komorbiditäten: Bei Patienten mit schizoaffektiven Störungen sind vermehrt:
→ I: Angststörungen sowie
→ II: Abhängigkeitsstörungen eruierbar.
→ Diagnose: Die Diagnose der schizoaffektiven Störung kann nach ICD-10 durch nachfolgende Kriterien gestellt werden.
→ Differenzialdiagnose:
→ I: Schizophrenie: Die affektive Symptome sind meist von kürzerer Dauer und man findet sie oftmals in der Resdualphase der Schizophrenie als postschizophrene Depression.
→ II: Affektive Störungen: Die Unterscheidung zur Depression/Manie mit psychotischen Symptomen ist häufig sehr schwer. Während der Wahn bei den affektiven Störungen stimmungskongruent ist, ist er bei den schizoaffektiven Störungen Stimmungs-inkongruent und sehr bizarr.
→ Therapie: Bei der Behandlung der schizoaffektiven Störungen haben sich insbesondere die atypischen Neuroleptika etabliert.
→ I: Akuttherapie:
→ 1) Schizomanische Episode: Hierbei sind Antipsychotika der 1. Generation wie Haloperidol oder atypische Antipsychotika wie Olanzapin, Risperidon oder Aripiprazol (Mittel der 1. Wahl) ggf. in Kombination mit einem Stimmungsstabilisator wie Lithium oder Valproinsäure indiziert. Bei stark antriebgesteigerten Patienten muss evtl. zusätzlich ein sedierendes Medikament wie ein Benzodiazepin oder ein niederpotentes Antipsychotikum verabreicht werden.
→ 2) Schizodepressive Störung: Hierbei wird vorzugsweise ein Antipsychotikum der 2. Generation verabreicht, evtl. auch in Kombination mit einem Antidepressivum. Bei einer Therapieresistenz kann gegebenenfalls eine Elektrokrampftherapie erwogen werden.
→ II: Rezidivprophylaxe: Der schizoaffektiven Störung erfolgt in der Regel mit einem Phasenprophylaktikum wie Lithium (Plasmaspiegel 0,6-0,8 mmol/l) oder Carbamazepin (8-10mg/l). In der Klinik wird eine Kombinationstherapie aus einem Stimmungsstabilisierer und einem atypischen Antipsychotikum empfohlen.
→ Verlauf/Prognose:
→ I: Im Allgemeinen ist die Prognose der schizoaffektiven Störung besser als bei der Schizophrenie und schlechter als bei den affektiven Störungen.
→ II: Prognostisch ungünstige Faktoren für den Krankheitsverlauf sind insbesondere:
→ 1) Eine positive Familienanamnese für Schizophrenie,
→ 2) Schleichender Beginn der Erkrankung,
→ 3) Fehlende auslösende Stressoren zu Beginn der Erkrankung,
→ 4) Ein Überwiegen einer schizophrenen und
→ 5) Ausbleiben einer vollständigen Remission.
→ III: Ca. 20% der schizoaffektiven Störungen verlaufen chronisch, ansonsten findet man rezidivierende (episodische) Krankheitsverläufe mit z.T. jahrelangen symptomfreien Intervallen. Es werden im Durchschnitt 6 Rezidive beobachtet.