→ Definition: Bei den Neuroleptika handelt es sich um eine heterogene Wirkstoffgruppe, die eine Vielzahl von Neurorezeptoren antagonisieren. Neben der hohen Affinität zu den D2-Rezeptoren, interagieren sie zudem noch mit den 5-HT2a-Rezeptoren, Alpha1-Rezeptoren, H1-Rezeptoren und den Muskarinrezeptoren. Für das Verständnis des Wirkmechanismus der Antipsychotika sind 2 Neurotransmitter-Systeme von besonderer Bedeutung:
→ I: Dopaminerge System des ZNS.
→ II: Serotonerge System des ZNS.
→ Dopaminerges System: Die dopaminergen Neurone haben im ZNS eine charakteristische Verteilung. Je nach Ursprung und Projektion ihrer Axone unterscheidet man 4 dopaminergen Leitungsbahnen:
→ I: Mesolimbisches dopaminerges System: Entspringt im Mittelhirn, im Bereich der Area tegmentalis ventralis, zieht zum limbischen System und beinhaltet vorwiegend den Nucleus accumbens, das laterale Septum und den Corpus amydaloideum.
→ II: Mesokartikales dopaminerges System: Entspringt auch im Mittelhirn, zieht zur präfrontalen Kortex, dem Gyrus cinguli und der Area entorhinalis (= ist am medialen Rand der Großhirnlappen lokalisiert, ist Teil des limbischen Systems und hat enge Verbindung zum Hippocampus).
→ Klinisch-relevant: Sowohl die mesolimbischen als auch die mesokortikalen Bahnen sind bedeutend für die Lern-/Gedächtnisleistungen und stellen Teile des Belohnungssystems, die charakteristische Affektionen wie Lust, Freude, Euphorie beinhalten, dar. Hier entwickeln die Neuroleptika ihre antipsychotische Wirkung.
→ III: Nigrostriatales dopaminerges System: Es zieht von der Pars compacta der Substancia nigra zum Striatum und führt durch Blockade der D2-Rezeptoren zum Auftreten von extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen (gerade bei den klassische Neuroleptika).
→ IV: Tuberoinfundibuläres dopaminerges System: Erstreckt sich vom Nucleus infundibularis des Hypothalamus zur Eminentia mediana, von wo Dopamin zur Hypophyse abgegeben wird, welches an die D2-Rezeptoren bindet und eine Prolaktinsekretion hemmt. Dieser Mechanismus wird durch die Antipsychotika (vor allem die klassischen Neuroleptika) aufgehoben und führt zu Galaktorrhoe, Gynäkomastie und sexueller Dysfunktion.
→ Klinisch-relevant: Gerade die konventionelle Neuroleptika wirken unterschiedlich stark an den D2-Rezeptoren.
→ Serotonerges System: (des ZNS) Die Antipsychotika der 2. Generation blockieren vorwiegend die Serotoninrezeptoren (5-HT2) des ZNS, das wiederum die Wirkung auf die Minus-Symptome (Negativ-Symptome) der Schizophrenie erklärt. (Die Blockade der Noradrenalin-, der histaminergen und der Acetylcholin-Rezeptoren führt zu den charakteristischen Nebenwirkungen).
→ Wirkung:
→ I: Die antipsychotische Wirkung der Neuroleptika beruht insbesondere in der Antagonisierung der D2-Rezeptoren der mesolimbischen und mesokortikalen dopaminergen Bahnen.
→ II: Somit zeigt sich ein direkter Zusammenhang zwischen der Affinität zum Rezeptor und der Wirkung auf die Plus-Symptomatik (je höher die Affinität, umso stärker die Wirkung auf die Plus-Symptomatik).
→ III: Man unterscheidet bei der Neuroleptika-Wirkung zwischen einer:
→ 1) Akuten Wirkung: Wie psychomotorische Dämpfung, Sedierung und vegetative Effekte, die ab Therapiebeginn bestehen und sowohl bei Gesunden als auch bei psychisch Kranken nachweisbar sind.
→ 2) Antipsychotische Wirkung: Mit Distanzierung von der psychotischen Sympathomatik. Diese Wirkung setzt mit einer Latenz von ca. 2-4 Wochen ein und betrifft nur psychisch Erkrankte. Ursache ist eine initiale Hyperaktivität der Dopamin-Neuronen, die durch die permanente Antagonisierung der Dopaminrezeptoren verursacht wird und sich im weiteren Therapie-Verlauf reduziert.
→ IV: Clozapin weist zusätzlich eine antagonistische Wirkung an D4-Rezeptoren auf.
→ Klassifikation: Die Neuroleptika stellen eine komplexe uneinheitliche Substanzgruppe dar. Sie können zum einen
→ I: Bezüglich ihrer chemischen Struktur,
→ II: Zum anderen bezüglich ihrer antipsychotischen Wirkung, nämich in
→ 1) Klassische Antipsychotika und
→ 2) Atypische Antipsychotika klassifiziert werden.
→ Pharmakokintetik: Antipsychotika werden gut über den Magen-Darm-Trakt resorbiert, sind zumeist aufgrund ihrer Lipophilie gut ZNS-gängig und unterliegen in unterschiedlicher Ausprägung einem First-pass-Effekt (20-70%) in der Leber (ausgenommen Amisulprid). Durch parenterale Gabe wird dieser jedoch umgangen, sodass geringe Dosen den gleichen Effekt erzielen.
→ I: Orale Gabe: Hierbei wird der maximale Plasmaspiegel nach 1-6 Stunden erreicht (Olanzapin 3-5 Stunden).
→ II: Parenterale Gabe: Durch i.v. oder i.m. Applikation wird der maximale Plasmasiegel schneller erreicht (Olanzapin i.m. nach 15min.). Ausgenommen sind hierbei die Depotpräparate (i.m. Applikation) in der Rezidivprophylaxe, ihr Wirkungseintritt erfolgt sehr langsam.
→ Klinisch-relevant: In der Akuttherapie ist die intravenöse bzw. intramuskuläre Applikation eines Antipsychotikums aufgrund ihres schnelleren Plasmapeaks der oralen Gabe immer vorzuziehen.
→ Metabolismus: Die meisten Antipsychotika werden in der Leber über das Cytochrom-P-450-System metabolisiert, dadurch kann es bei Komedikation zu Interaktionen kommen. Einige Beispiele bezüglich der Metabolisierung der Antipsychotika (über das Cytochrom-P450-System):
→ I: CYP1A2: Clozapin, Haloperidol, Olanzapin, Perphenazin, Fluphenazin.
→ II: CYP2C9: Perazin,
→ III: CYP2C19: Clozapin,
→ IV: CYP 2D6: Aripiprazol, Haloperidol, Perphenazin, Fluphenazin, Levomepromazin, Risperidol.
→ V: CYP3A4: Haloperidol, Pimozid, Clozapin, Ziprasidon, Quetiapin, Risperidon, Aripiprazol.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Bei den Neuroleptika haben aktive Metabolite keine Bedeutung. Ausnahme ist das Risperidon dessen Metabolit, das 9-Hydroxyrisperidon, eine deutliche antipsychotische Wirkung aufweist.
→ B) Klinisches Beispiel: Die Hemmung der CYP1A2 führt zu einer verlangsamten Metabolisierung von Clozapin. Dies kann man sich zu Nutze machen, wenn der Clozapin-Plasmaspiegel nicht erreicht wird z.B. durch Gabe von Fluvoxamin, welches die CYP1A2 hemmt und somit den Clozain-Spiegel anhebt (Plasmakontrolle).
→ Eliminations-HWZ: Die Elimination-HWZ der Antipsychotika ist mit 15-35 Stunden relativ langsam. Ausnahme sind Benperidon mit einer HWZ von 5 Stunden und Pimozid mit einer HWZ von 55 Stunden.