Definition: Unter der Rhabdomyolyse versteht man eine akute ausgedehnte Nekrose des (quergestreiften) Muskelgwebes mit konsekutiver Freisetzung von Myoglobin, Kreatinkinase und v.a. Kalium, etc. sowie der Gefahr der Entwicklung eines akuten Nierenversagens.

 

Ätiopathogenese:

→ I: Durch thermische, traumatische, ischämische Muskelschädigung, übermäßige Kontraktionen (z.B. Epilepsie), genetische Enzymdefekte, metabolische Störungen (HypokaliämieHypophosphatämie), Nebenwirkungen von Medikamenten und nicht zuletzt infolge eines toxischen Effektes auf die Muskulatur (= exogen-toxische Myopathie durch z.B. Alkohol, Drogen) manifestiert sich eine massive Freisetzung von Kreatinkinase und Myoglobin in den Blutkreislauf; konsekutiv kann eine Verstopfung der Nierentubuli mit Entwicklung eines akuten Nierenversagens eruierbar sein.

→ II: Auslösende Mechanismen der Rhabdomyolyse sind insbesondere:

→ 1) Traumatische Faktoren: Polytrauma mit Crush-Syndrom, Verbrennungen, Schock, Kompartmentsyndrom, etc.

→ 2) Infektionen: Viren wie Echo-, Influenza-, Herpes-simplex-Viren, EBV, HIV, etc., aber auch bakterielle Infektionen mit Staphylokokken, Streptokokken, Salmonellen, Legionellen, Leptospiren, E-coli, Mykoplasmen, etc.

→ 3) Hereditäre Muskelerkrankungen v.a. die Glukogenosen (z.B. McArdle-Syndrom) und Lipidspeichermyopathien (Carnitin-Palmitoyltransferase-Mangel), exogen-toxische Myopathie, etc.

4) Endokrine Störungen: Hypothyreose, threotoxische Krise, Hyperaldosteronismus, hyperosmolares Koma, diabetische Ketoazidose, NNR-Insuffizienz.

→ 5) Elektrolytstörungen: Hypokaliämie, -kalzämie, -phosphatämie-natriämie, aber auch Hypernatriämie.

→ 6) Medikamenten-induziert durch Sedativa (z.B. Benzodiazepine), Barbiturate, bestimmte Antidepressiva, MAO-HemmerNeuroleptika, L-Dopa, Opiate, aber auch Antihistaminika, Makrolide, GlukokortikoideStatine, Diuretika, Laxanzien, Amiodaron, Colchicin, etc.

→ 7) Toxisch: Durch Alkohol, Amphetamine, Kokain, Heroin, Schlagengift, CO, Schwermetalle, Organphosphate, etc.

8) Weitere Erkrankungen: Wie die maligne Hyperthermie, das maligne neuroleptische Syndromserotonerge Syndrom, der Status epilepticus, aber auch z.B. das Alkoholentzugs-Delir, Drogen (Amphetamine, Kokain, Heroin) oder sportliche Überbelastung bei Untrainierten (Marschmyoglobinurie).

050 Mögliche Ursachen für die Entwicklung einer Rhabdomyolyse

 

Klinik: Die klinische Symptomatik der Rhabdomyolyse ist einheitlich, kann aber im Ausmaß deutlich variieren:

→ I: Akute generalisierte Muskelschwäche mit Myalgien, Schwellungen und Rigidität.

→ II: Des Weiteren Sensibilitätsstörungen und fehlende distale Pulse müssen an ein Kompartmentsyndrom denken lassen.

→ III: Allgemeinsymptome wie genereller Schwäche, Übelkeit, Erbrechen und evtl. Fieber.

→ IV: Niere:

→ 1) Rot- bis Braunfärbung des Urins durch Myoglobinurie.

2) Entwicklung eines akuten Nierenversagens (die potenzielle Nephrotoxizität des Myoglobin beruht auf einer Dissoziation in Ferrihämat und Globin insbesondere bei niedrigem pH-Wert. Ferrihämat wirkt tubulotoxisch durch Steigerung der Natrium-Permeabilität. Folge ist eine intrazellluläre Natriumakkumulation mit konsekutiver Zellschwellung und schließlich dem Zelltod).

 

Komplikationen: Wichtige und z.T. schwerwiegende Komplikationen bei der Rhabdomyolyse sind insbesondere:

→ I: Hyperkaliämie mit der Gefahr der Entwicklung von kardialen Rhythmusstörungen.

→  II: Freisetzung von Myoglobin mit konsekutiver Manifestation von Tubulusnekrosen bis hin zum Nierenversagen.

→ III: Disseminierte intravasale Koagulopathie und nicht zuletzt

→ IV: Der Schock.

 

Diagnose:

→ I: Anamnese/klinische Untersuchung: Eruierung vorangegangener starker Muskelbelastungen, möglicher früherer latenter Episoden metabolischer Myopathien sowie einer Dunkelfärbung des Urins.

→ II: Labor:

→ 1) Massiver Anstieg der Kreatinkinase (10000 U/l, maximal erhöht nach 24-72 Stunden; der CK-MB-Anteil liegt hierbei unter 6%), des Myoglobins (auch im Urin als Zeichen einer Myonekrose).

→ 2) Serologisch zeigt sich charakteristischerweise eine Elektrolytentgleisung mit Hyperkaliämie, Hyperphosphatämie, Hypokalzämie, Hyponatriämie sowie Harnsäure-Erhöhung und eine metabolische Azidose (Laktaterhöhung).

→ 3) Bestimmung von Alkoholspiegel und Drogensreening.

4) Genetische Muskelerkrankungen: Der Nachweis von assoziierten Autoantikörpern gelingt nur in 20% der Fälle mit:

→ III: MRT: Die Muskulatur kann ödematöse Signalalterationen als Hinweis auf eine nekrotisierende Myopathie aufweisen.

051 Typische Autoantikörper bei den hereditären Muskelerkrankungen

→ IV: EMG: Möglicher Nachweis von pathologischen Spontanaktivitäten sowie kleinen schmalen polyphasischen Potenzialen an der motorischen Endplatte.

→ V: Muskelbiopsie: In der Akutphase zeigen sich ausgedehnte Muskelfasernekrosen mit nur wenig reaktiven entzündlichen Veränderungen; im weiteren Krankheitsverlauf treten jedoch histozytäre Abbau- sowie regenerative Prozesse auf.

 

Klinisch-relevant: Die Elektromyographie und auch die Muskelbiopsie sind in der Diagnosestellung der Rhabdomyolyse nicht von primärer Bedeutung; vielmehr stehen klinisches Bild, akute CK-Erhöhung oder die Braunfärbung des Urins im Vordergrund.

 

Differenzialdiagnose: Von der Rhybdomyolyse müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:

→ I: Myokardinfarkt (hierbei zeigen sich zumeist keine CK-Erhöhung von > 1000 U/l, zudem sind die anderen Marker wie Troponin I und T auch erhöht).

→ II: Akutes Nierenversagen anderer Genese.

→ III: Akute intermittierende Porphyrie (Dunkelfärbung des Urins) und nicht zuletzt

→ IV: Das Guillain-Barre-Syndrom.

 

Therapie: Eine kausale Therapie der Rhabdomyolyse existiert bis heute nicht, vielmehr erfolgt sie symptomatisch mit Behandlung möglicher Ursachen.

→ I: Allgemeinmaßnahmen: Fast ausschließlich ist bei Patienten mit Rhabdomyolyse eine intensivmedizinische Überwachtung der Vitalparameter indiziert.

→ 1) Im Vordergrund der Behandlung steht die Kreislaufstabilisierung mit Volumenzufuhr (z.B. Ringer-Lösung unter ZVD-Kontrolle; bei adäquater Diurese 6-12 l in 24 Stunden), Elektrolytausgleich und Behandlung bestehender Infekte, etc.

→ 2) Mögliche verursachende Medikamente oder Noxen müssen umgehend abgesetzt bzw. die Ursache behandelt werden

 3) Besteht zusätzlich ein verminderter Gefäßwiderstand wird Noradrenalin in einer geringen Dosierung (0,05 µg/kg/min) appliziert.

→ II: Spezielle Therapie: Hierbei richtet sich das Augenmerk insbesondere auf die Prophylaxe bzw. Therapie eines akuten Nierenversagens mit:

→ 1) Ausreichend Hydratation bzw. Rehydratation,

→ 2) Focierte Diurese mit Furosemid 40 mg langsam i.v. unter ZVD- und Ausscheidungs-Kontrolle (insbesondere bei Hyperkaliämie und -kalziämie).

→ 3) Rechtzeitige Nierenersatztherapie bei raschem Kreatinin-Anstieg.

→ 4) Alkalisierung des Urin-pH > 8,0 durch Applikation von Natriumbikarbonat zur Reduktion der Myoglobintoxozität auf die Nierentubuli.

→ III: Weitere Maßnahmen:

→ 1) Bei bestehendem Kompartmentsyndrom sofortige Faszienspaltung.

→ 2) Eine maligne Hyperthermie wird mittels Dantrolen behandelt.

 3) Bei manifester Myositis Prednisolon-Plustherapie, gefolgt von einer oralen Dosierung von 100 mg oder 1 mg/kgKG.