Definition: Die Herpes-simplex-Enzephalitis ist definiert als eine erregerbedingte Entzündung des Hirnparenchyms durch den Herpes-simplex-Virus Typ I (in > 90% der Fälle). Es zeigt sich zumeist ein fronto- und/oder temporobasaler Beginn mit sekundärer Ausbreitung.

 

Epidemiologie:

→ I: Der Herpes-simplex-Virus ist weltweit verbreitet; die Inzidenz für eine Herpes-simplex-Enzephalitis liegt in Westeuropa bei 5/100000 Einwohner und stellt somit die häufigste sporadische Enzephalitis dar.

→ II: Die HSV-Typ I Form hat einen Anteil von 10-20% aller Enzephalitiden.

 

Klinisch-relevant: Der Herpes-simplex-Virus Typ II verursacht zumeist eine rezidivierende lymphozytäre Meningitis (= Mollaret-Meningitis) und nur bei immungeschwächten Patienten und insbesondere Neugeborenen kann sich eine hämorrhagisch-nekrotisierende Enzephalitis entwickeln.

052 Wichtige Fakten der Mollaret Meningitis

 

Ätiopathogenese:

→ I: Die Ätiopathogenese der HS-Enzephalitis ist bis heute noch nicht genau geklärt. Angenommen wird als Eintrittspforte des HSV-Typ I die Nase mit anschließender transaxonaler Penetration des Virus von der Riechschleimhaut der Area cibriformis über den Nervus olfactorius in das Frontalhirn und später weiter in den Temporallappen.

II: Morphologisch manifestieren sich überwiegend einseitig betonte hämorrhagisch-nekrotisierende Herde im Temporallappen und den orbitalen Anteilen des Frontallappens, seltener in der Inselrinde oder den Stammganglien. Histopathologisches Charakteristikum ist der Nachweis von eosinophilen Einschlusskörpern in den Nervenzellen.

→ III: Triggermechanismen: Sind insbesondere:

→ 1) Immunschwäche.

→ 2) Physischer und psychischer Stress, etc.

 

Klinik: Die Herpes-simplex-Enzephalitis weist einen typischen stadienhaften Krankheitsverlauf auf (zumeist 3-5 Stadien). Leitsymptome sind Kopfschmerzen, Fieber und Bewusstseinsstörungen.

→ I: Unspezifisches Prodromalstadium (= grippales Vorstadium) mit Fieber, Kopfschmerzen, evtl. Erbrechen und weiteren Allgemeinsymptomen. Dieses Stadium remittiert zumeist nach wenigen Tagen und es zeigt sich eine kurzfristige klinische Besserung.

→ II: Hemiparese (30-40% der Fälle), Schläfenlappensymptome mit Geruchs- und Geschmackssensationen und ggf. Wernicke-Aphasie, wenn die dominante Hemisphäre betroffen ist.

→ III: Wesensveränderungen sowie psychotische Episoden mit insbesondere Verwirrtheitszuständen und Geruchshalluzinationen.

→ IV: Epileptische Anfälle: Initial zumeist komplex-fokal, im weiteren Krankheitsverlauf (sekundär) generalisiert.

→ V: Zunehmende Bewusstseinseintrübung bis hin zum Koma.

051 Charakteristika der Herpes simplex Enzephalitis

 

Klinisch-relevant: Bei einer Infektion mit dem Herpes-simplex-Virus Typ II manifestiert sich fast ausschließlich eine rezidivierende lymphozytäre Meningitis häufig mit einer Kaudaradikulitis und/oder Myelitis vergesellschaftet. Der Krankheitsbeginn ist hier überwiegend schleichend.

 

Diagnose: Der Verdacht auf eine HS-Enzephalitis stellt immer eine Notfallsituation dar, da der Zeitpunkt des Therapiebeginns ein wesentlicher Prognosefaktor ist.

→ I: Bei der klinischen Untersuchung sind oftmals die Leitsymptome Fieber, Kopfschmerzen, Bewusstseinseinstörungen und fokale und/oder generalisierte Krampfanfälle (klinisch) eruierbar.

→ II: Liquor:

→ 1) Initial manifestiert sich eine granulozytäre Pleozytose (< 350 Zellen), später überwiegend Lymphozyten und Plasmazellen. Bei etwa 5% der Betroffen sind Erythrozyten nachweisbar als Zeichen einer hämorrhagischen Enzephalitis.

→ 2) Des Weiteren zeigt sich eine Eiweiß- und Laktaterhöhung (bis 4mmol/l) bei zumeist normaler Liquorglukose.

→ 3) PCR: (= Polymerase-Ketten-Reaktion im Liquor) Kann in den ersten Erkrankungstagen negativ sein (bei typischer klinischer Symptomatik wird das Verfahren nach 3-4 Tagen wiederholt).

049 Liquordiagnostischer Befund der Herpes simplex Enzephalitis

 

→ 4) Liquor-Antikörper: Nach 10-14 Tagen Nachweis einer intrathekalen HSV-spezifischen IgG-Synthese. Zudem ist der erregerspezifische Liquor-Serum-AK-Index ist frühstens ab Ende der 2. Krankheitswoche erhöht und somit für die Akutdiagnostik ungeeignet.

→ III: Bildgebung:

1) CT: Ist initial in den ersten 4 Krankheitstagen in der Regel normal; anschließend Entwicklung von Hypodensitäten oder hämorrhagischen Läsionen im frontobasalen und temporalen Bereich.

→ 2) MRT: Uni- oder bilaterale Veränderungen im frontobasalen und temporalen Bereich mit möglicher Miteinbeziehung limbischer Strukturen (insbesondere des Gyrus ginguli).

050 Bilgebender Befund der Herpes simplex Enzephalitis

III: EEG: Das EEG zeigt frühzeitig diffuse zerebrale Funktionsstörungen, periodische steile Wellen (alle 2-3 Sekunden), Sharp-slow-Wave-Komplexe im frontobasalen und temporalen Bereich oder aber auch epileptische Potenziale.

 

Differenzialdiagnose: Von der Herpes-simplex-Enzephalitis müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden; hierzu zählen:

I: Virale Meningoenzephalitis und Enzephalitiden (z.B. Herdenzephalitis, etc.) anderer Genese,

II: Sinusvenenthrombose,

→ III: Enzephalitische Beschwerden bei Neuro-Behcet.

→ IV: Limbische Enzephalitis (der Krankheitsverlauf ist weniger akut und die Ausbreitung erfolgt bis zum Balken).

 

Therapie: Bei der HS-Enzephalitis ist immer eine intensivmedizinische Überwachung ggf. mit frühzeitiger Intubation und Osmotherapie bei Hirnödem indiziert. Im Vordergrund der medikamentösen Therapie steht das Virostatikum, Aciclovir, in einer Dosierung von 3x 10mg/kgKG/d über einen Zeitraum von mindestens 2 Wochen. Besteht eine Aciclovir-Resistenz wird alternativ Foscarnet in einer Dosierung von 60mg/kg KG i.v. über eine Stunde alle 8 Stunden für mindestens 3 Wochen verabreicht.

 

Klinisch-relevant:

→ A) Die antivirale Therapie muss schon bei Verdacht auf Herpes-simplex-Enzephalitis erfolgen.

→ B) Da Aciclovir nephrotoxisch wirkt und eine passagere Niereninsuffizienz triggern kann, ist in diesem Fall eine Dosisreduktion erforderlich.

 

Prognose:

→ I: Ohne Therapie liegt die Letalität bei > 70% der Fälle.

→ II: Durch eine frühzeitige Virustatikum-Therapie kann die Sterblichkeit auf 20% reduziert werden, jedoch persistieren sehr häufig neurologische Defizite wie z.B. Störungen des Antriebs oder des Affektes, aber auch gravierende Residualläsionen wie Paresen.

→ III: Prognostisch besonders ungünstige Faktoren sind u.a.:

→ 1) Hohes Lebensalter und

→ 2) Früh einsetzendes Koma.