→ Definition: Divertikel sind durch umschriebene sackförmige (pathologische) Ausstülpungen der Wand von Hohlorganen gekennzeichnet. Im Ösophagus existieren 3 Prädilektionsstellen für die Entwicklung von Divertikeln; im zervikalen Bereich (Zenker-Divertikel in 70% der Fälle), im thorakalen - (20%) und epiphrenischen Bereich (in 10% der Fälle).
→ Klassifikation: Man unterscheidet bei den Divertikeln zwischen echten und falschen sowie zwischen Traktions- und Pulsationsdivertikeln:
→ I: Echte Divertikel: Sie stellen Ausstülpungen aller Wandschichten dar.
→ II: Falsche Divertikel: (= Pseudodivertikel) Hierbei stülpen sich Mucosa und Submucosa durch Muskellücken nach außen.
→ III: Pulsationsdivertikel: Sind die häufigste Divertikelform und gehören zu den falschen Divertikeln mit sackförmigen Ausstülpungen der Ösophagusmuocsa und -submucosa durch muskuläre Lücken z.B. bei angeborener oder erworbener Wandschwäche. Zu den Pulsationsdivertikeln gehören insbesondere:
→ 1) Zenker-Divertikel: (= Zervikaler Pulsationsdivertikel) Die Austrittspforte ist an der pharyngealen Hinterwand, im Bereich des Kilian-Dreiecks zwischen Pars obliqua und Parsfundiformis des M. cricopharyngeus lokalisiert; es entwickelt sich nach links lateral. Ursache ist ein Überdruck des Hypopharynx infolge einer Koordinationsstörung im oberen Ösophagussphinkter.
→ Klinisch-relevant: Das Kilian-Dreieck beschreibt einen muskelarmen bis muskelfreien Bereich am Übergang vom Hypopharynx zur Ösophagusmuskulatur und wird von der Pars obliqua und Pars fundiformis des M. cricopharyngeus gebildet.
→ 2) Epiphrenische Divertikel: Bilden sich direkt oberhalb des Diaphragmas aus; auch sie zählen zu den Pulsationsdivertikeln.
→ IV: Traktionsdivertikel: Bei den Traktionsdivertikeln handelt es sich um echte alle Wandschichten betreffende Ausstülpungen, die sich insbesondere im mittleren Ösophagusdrittel (Trachealbifurkation) manifestieren und durch Zug von außen entstehen.
→ Epidemiologie/Ätiologie:
→ I: Pulsationsdivertikel:
→ 1) Zenker-Divertikel: Das zervikal lokalisierte (falsche) Divertikel im Bereich des Kilian-Dreiecks (Übergang von willkürlicher zu unwillkürlicher Muskulatur) ist mit 70% der häufigste Typ. Es tritt meist nach dem 40. Lebensjahr auf (im Alter zunehmend), wobei Männer 3x häufiger als Frauen betroffen sind. Als Ursache wird eine Koordinationsstörung im oberen Ösophagus bzw. Funktionsstörung des oberen Ösophagussphinkters angenommen, die zu einer intraluminalen Druckerhöhung führt (physiologischer Druck 12-25mmHg).
→ 2) Epiphrenischer Divertikel: Sie stellen mit 20% die 2. häufigste Divertikelform (direkt oberhalb des Zwerchfells nach rechts ausladend) dar. Ursache ist eine Funktionsstörung des unteren Ösophaussphinkters, meist im Rahmen einer Achalasie oder axialen Hiatushernie.
→ II: Traktionsdivertikel:
→ 1) Hierbei handelt es sich um ein echtes Divertikel (alle Wandschichten betreffend), das sich infolge entzündlicher oder schrumpfender Prozesse bzw. durch die Persistenz kongenitaler ösophago-bronchialer Gewebebrücken, ausbildet.
→ 2) Hauptlokalisation ist das mittlere Ösophagusdrittel, parabronchial oder bifurkal (= Bifurkationsdivertikel = parabronchialer Traktionsdivertikel).
→ Klinik:
→ I: Zenker-Divertikel: Leitsymptom ist die Dysphagie. Weitere Symptome können sich, abhängig von der Größe, zudem entwickeln:
→ 1) Gurgeln beim Trinken,
→ 2) Globusgefühl und Dysphagie (mit Zunahme während des Essens),
→ 3) Druckschmerzhaftigkeit,
→ 4) Foetor ex ore (= Halitose) durch Zersetzung der im Divertikel befindlichen Speisereste,
→ 5) Regurgitation von Speisebrei mit Hustenreiz und der Gefahr der Aspiration.
→ 6) Zunehmender Gewichtsverlust durch Vermeidung von Nahrungsmitteln.
→ II: Epiphrenische Divertikel: Meist sind sie asymptomatisch, können aber auch uncharakteristische Symptome wie unklare Oberbauchbeschwerden, retrosternaler Druck und Dysphagie aufweisen.
→ III: Traktionsdivertikel: Sie sind kleiner als die Pulsationsdivertikel und verlaufen klinisch meist stumm. Symptome wie nächtlicher Hustenreiz und Hustenattacken manifestieren sich bei Entzündung.
→ Komplikationen: Können sein:
→ I: Pneumonien durch rezidivierende Aspiration,
→ II: Ösophagobronchiale Fistelbildung, gerade bei den Traktionsdivertikeln,
→ III: Blutungen und Perforation.
→ Diagnose:
→ I: Die Diagnose wird durch das klinische Bild und mit Hilfe der Ösophagusbreischluck-Untersuchung mit einem wasserlöslichen Kontrastmittel (gerade bei V.a. Perforation) gestellt. Hierbei manifestiert sich das Zenker Divertikel als sackförmige Ausstülpung paravertebral links.
→ II: Die Manometrie dient der Darstellung einer Funktionsstörung des oberen/unteren Ösophagussphinkters.
→ III: Bei der Endoskopie besteht die Gefahr der Perforation, dient jedoch dem Ausschluss einer gastroösophagealen Refluxkrankheit bzw. eines Ösophaguskarzinoms.
→ Differenzialdiagnose: Von den Ösophagusdivertikeln müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: Ösophaguskarzinom,
→ II: Abzugrenzen hiervon ist auch die axiale - und paraösophageale Hiatushernie.
→ III: Achalasie: Ähnliche klinische Symptomatik; entwickelt sich jedoch aufgrund einer Destruktion des Plexus myentericus. Radiologisch zeigt sich eine charakteristische Sektglasform des Ösophagus infolge einer spitz zulaufenden Stenosierung.
→ IV: Restrosternale Struma: (Struma) Ähnliche Symptomatik, Bestimmung der Schilddrüsenparameter TSH sowie T3/T4, Sonographie und Szintigraphie.
→ V: Dysphagia lusoria: Bei der Dysphagia lusoria handelt es sich um eine Schluckstörung, verursacht durch die Kompression des Ösophaguslumen von außen.
→ 1) Ätiologie: Sie wird durch einen doppelt angelegten Aortenbogen bzw. eine aberrant verlaufende A. subclavia dexter = Arteria lusoria (physiologischer Ursprung ist der Truncus brachiocephalicus), die kongenital aus der deszendierenden Aorta entspringt und retroösophageal zum rechten Arm zieht, hervorgerufen. Charakteristische Lokalisation der Lumeneinengung ist das obere Ösophagusdrittel.
→ 2) Klinik: Meist asymptomatisch, evtl. Dysphagie, selten Atembeschwerden.
→ 3) Diagnose: Breischlucken, Endoskopie, evtl. MRT.
→ Therapie:
→ I: Zenker-Divertikel: Stellt aufgrund der möglichen Komplikationen immer eine Operationsindikation dar:
→ 1) Operativ: Erfolgt eine kollare (linksseitige) Freilegung des Divertikels mit nachfolgender Abtragung und Myotomie des oberen Ösophagus-Sphinkters.
→ 2) Alternativ kann eine minimal-invasive, endoskopische Therapie indiziert sein. Hierbei wird das Divertikel an der Schwelle zwischen Divertikelhals und Ösophagusmund mittels Linearstapler abgetragen.
→ 3) Eine weitere Therapieoption ist die Trennung des Divertikelseptums durch eine Koagulation (= Argon-Plasma-Koagulation).
→ II: Epiphrenale Divertikel: Eine operative Therapie ist nur bei klinischer Symptomatik indiziert. Es erfolgt eine linksseitige anterolaterale Thorakotomie oder Laparotomie mit Divertikelabtragung sowie eine extramuköse Myotomie des distalen Ösophagussphinkters.
→ III: Traktionsdivertikel: Eine operative Therapie (transthorakal) ist nur bei deutlichen Beschwerden oder ösophagotrachealer Fistelbildung indiziert.
→ IV: Postoperative Komplikationen: Sind insbesondere:
→ 1) Nahtinsuffizienz mit der Gefahr der Entwicklung einer Mediastinitis und die
→ 2) Recurrensparese.