Definition: 

→ I: Die Asbestose gehört neben der Silikose zu den Pneumokoniosen (= Lungenparenchymerkrankungen), die durch die Inhalation von anorganischen, alveolärgängigen Stäuben (bzw. Asbestfasern) entsteht.

→ II: Bei der Asbestose handelt es sich um eine Erkrankung der Lungenparenchyms und/oder der Pleura, ausgelöst durch die Inhalation von Asbestfasern.

 

Klassifikation:

→ I: Lungenasbestose: Asbestinduzierte Lungenfibrose.

→ II: Pleuraplaques,

→ III: Diffuse Pleurafibrose,

→ IV: Lungenkarzinom und Pleuramesotheliom mesit im Bereich der Pleura seltener im Bereich des Peritoneums oder Perikards. 

 

Epidemiologie:

→ I: Bei Asbest handelt es sich um ein faserförmiges, silikalisches Mineral; in 95% um Weißasbest, ansonsten gibt es noch Blau- und Braunasbest.

→ II: Wird im Bereich Asbestzement, Asbesttextil-, Auto- und der Isolierungsindustrie verwendet.

III: Die Entstehung eines Lungenkarzinoms oder eines Mesothelioms erfolgt mit einer Latenz von 15-50 Jahren. Zur genaueren Bestimmung erfolgt die Einteilung in Faserjahre (1x 10 hoch 6/m3 x die Jahre).

 

Klinisch-relevant: Nach 25 Faserjahren verdoppelt sich das Lungenkarzinom-Risiko, das Mesotheliom-Risiko steigt schon deutlich früher an.

 

Pathogenese: Gerade Asbestfasern > 15µm können nicht mittels mukoziliärer Klärung oder mittels Makrophagen eliminiert werden. Sie führen primär zu einer chronischen Entzündungsreaktion im Lungeninterstitium (= Lungenasbestose), lagern sich dann alveolär an und driften schließlich, aufgrund ihrer Pleurotropie, in Richtung Pleura, wo sie subpleural akkumulieren. Folge ist die Entwicklung von hyalinen Plaques, die anschließend verkalken (= Pleuraasbestose).

 

Wirkung:

→ I: Fibrinogene Wirkung: Die Asbestfasern induzieren eine Vermehrung der Makrophagen und aktivieren gleichzeitig die Fibroblasten zur Bildung von Bindegewebe. 

→ II: Karzinogene Wirkung: Asbestfasern, die eine Länge von > 5µm und/oder einen Durchmesser von 3µm haben, weisen ein erhöhtes Karzinomrisiko  auf. Das Karzinom kann sich mit einer Latenz von 15-50 Jahren ausbilden. Ein Pleuramesotheliom gilt immer als Asbest-induziert (= Signal-Tumor).

→ III: Klassifikation: Stadieneinteilung der Asbestose:

793 Stadieneinteilung der Lungenasbestose

 

Klinik:

→ I: Asbestose: Erst im fortgeschrittenen Stadium findet man die typische Symptomtrias:

→ 1) Dyspnoe, trockener Husten und evtl. thorakale Schmerzen

→ 2) Auskultatorisches Knistern über der Lunge

→ 3) Radiologische Fibrose-Zeichen. Es lassen sich gerade im Bereich der Lungenunterlappen streifige bis fleckförmige Verdichtungen aufweisen, die mittels ILO (= Internationale-Labor-Organisation) in 3 Größen s, t und u eingeteilt werden.

II: Pleuraplaques, diffusen Pleurafibrose: Weisen in der Regel einen asymptomatischen Verlauf auf. Typischerweise findet man radiologisch beidseitig in den lateralen bzw. diaphragmalen Bereichen z.T. verkalkte, über die Jahre an Größe zunehmende Pleuraplaques. (gut darstellbar über HR-CT = High-resolution-CT).

III: Asbestpleuritis: Es handelt sich um die häufigste bronchopulmonale Komplikation in den ersten 20 Jahren nach Asbestexposition. Charakteristikum ist das Auftreten von rezidivierenden asymptomatischen Pleuraergüssen.

IV: Lungenkarzinom: Ein, als Berufserkrankung anerkanntes, durch Asbest ausgelöstes Lungenkarzinom erfordert sogenannte Brückensymptome, wie: 

1) Nachweis einer Asbestose auch Minimalfibrose genannt.

2) Nachweis durch Asbest ausgelöste Pleuraerkrankungen.

→ 3) Nachweis einer berufsbedingten Asbestexposition von > 25 Faserjahren.

V: Mesotheliom: Das Mesotheliom findet man vorwiegend im Bereich der Pleura, selten im Bereich des Peritoneums oder des Perikards. Klinische Zeichen sind u.a.:

→ 1) Pleuramesotheliom: Mit Pleuraerguss, Thoraxschmerzen, Husten und Dyspnoe.

2) Peritonealmesotheliom: Mit unklaren Abdominalbeschwerden und Aszites.

 

→ Komplikationen: Wichtige und z.T. schwerwiegende Komplikationen der Lungenasbestose sind u.a.:

→ I: Respiratorische Ventilationsstörung (restriktiv),

→ II: Cor pulmonale und nicht zuletzt

→ III: Lungenkarzinom, Mesotheliom sowie Larynx-Karzinom.

 

  Diagnose:

→ I: Anamnese, gerade auch Berufsanamnese. 

→ II: Klinische Untersuchung:

→ 1) Auskultatorischer Nachweis eines Knisterrasselgeräusches.

→ 2) Lungenfunktionstest: Nachweis einer restriktiven Funktionsstörung mit Abnahme der VC und TLC, Diffusionsstörung, sowie einer Hypoxämie.

III: Bildgebende Verfahren:

→ 1) Röntgen-Thorax: mit streifig-retikulärer Lungenverdichtung im Bereich der Lungenunter- und Mittelfelder, insbesondere supleural gelegen. Evtl. Pleuraschwielen mit flächiger Kalkeinlagerung und Pleuraerguss bei Asbestpleuritis oder Pleuramesotheliom.

→ 2) HRCT: Nachweis von Pleuraplaques.

IV: Bronchoalveoläre-Lavage: Mit Nachweis von Asbestfasern oder einer Alveolitis

V: Thorako-/Bronchoskopie: Mit Biopsie und Histologie bei Verdacht auf eine Neoplasie.

 

Therapie:

 I: Symptomatisch durch O2-Langzeittherapie.

 II: Behandlung der Komplikationen wie das Mesotheliom als multimodale Therapie. Radikale Pleurektomie mit nachfolgender meist palliativer Chemotherapie (z.B. Cisplatin + Permetrexed).

 

 Prognose:

→ I: Insgesamt ist die Prognose für das Mesotheliom schlecht, da zumeist keine kurative Therapie mehr möglich ist. Die mittlere Überlebensdauer beträgt ca. 1 Jahr.

→ II: Das gleichzeitige Auftreten einer Asbestexposition und Rauchen erhöht multiplikativ das Risiko für die Ausbildung eines Bronchialkarzinoms.

 

Prophylaxe:

→ I: Primärprophylaxe: Verbot asbesthaltiger Materialien in Deutschland seit 1993. 

II: Sekundärprophylaxe: Bei unvermeidbarer Exposition Asbestschutzmaßnahmen wie Staubbekämpfung durch Staubanzüge, Feinstaubfiltern, Masken etc.