Definition: Beim Morbus Behcet handelt es sich um eine chronisch-entzündliche (rezidivierende), systemische Autoimmunvaskulitis, die als einzige sowohl die Arterien als auch die Venen betreffen und sich durch Schleimhaut-Aphthen im Bereich des Mundes und Genitals charakterisiert.

 

Epidemiologie:

→ I: Tritt überwiegend im Jugend- und jungen Erwachsenenalter (20.-40. Lebensjahr) auf.

→ II: Junge Männer sind häufiger als Frauen (3:1) betroffen.

→ III: Der Morbus Behcet ist insbesondere in den östlichen Mittelmeerländern wie der Türkei mit einer Prävalenz von 80-370/100000 Einwohnern (sowie weiteren Mittelmeer-Regionen), aber auch in Japan anzutreffen.

 

Ätiologie: Die Entstehung des Morbus Behcet ist bis heute nocht nicht genau geklärt. Es spricht genetische durch die Vergesellschaftung mit HLA-B5 (in 70% der Fälle) für eine genetische Disposition, die durch verschiedene Triggermechanismen wie z.B. virale Infektionen ausgelöst werden kann. Pathogenetisch handelt es sich um eine Immunkomplexvaskulitis.

Klinik:

→ I: Haut/Schleimhaut: Besteht vorwiegend ein muko-kutaner Befall spricht man von einer muko-kutanen Verlaufsform.

→ 1) Multiple genitale und orale Aphthen (= Stomatitis aphthosa),

→ 2) Ulzerationen,

→ 3) Pseudofollikulitis,

→ 4) Erythema nodosum.

 → II: Gelenke: Nicht-erosive Oligo- oder Polyarthralgien, gerade des Ellenbogen-, aber auch des Knie- und Sprunggelenkes (vor allem betrifft es die untere Extremität) und stellt eine arthralgische Verlaufsform dar.

III: Auge:

→ 1) Uveitis anterior/posterior (häufig einseitig),

→ 2) Amotio retinae,

→ 3) Optikusatrophie,

→ 4) Katarakt,

→ 5) Sekundärglaukom.

IV: ZNS-Beteiligung: (= Neuro-Behcet) als Meningitis oder Meningoencephalitis mit Fieber, Erbrechen, Tremor, Ataxie, aber auch Sprachstörungen und Hemiparesen. Auch psychische Veränderungen sind eruierbar. Sind vorwiegend Augen und ZNS betroffen spricht man von okulo-neuraler Verlaufsform.

V: Weitere Symptome:

→ 1) Bei Befall des Magen-Darm-Traktes manifestieren sich aufgrund von aphtösen Ulzerationen eine blutige Diarrhoe sowie ein erhöhtes Perforationsrisiko. Differenzialdiagnostisch muss der Morbus Crohn ausgeschlossen werden.

621 Morbus Behcet im Bereich des Ösophagus

2) Ausbildung von arteriellen und venösen Thromboembolien (z.B. Lungenembolie) bzw. arteriellen Aneurysmen. Diese korrelieren mit der Entzündungsaktivität.

 

Diagnose:

→ I: Positiver Pathergie-Test: Nach intrakutaner Injektion von 0,1ml einer 0,9%igen NaCl-Lösung entwickelt sich mit einer Latenz von 24-48 Stunden eine papulopustolöse Effloreszenz. Histologisch wegweisend sind die charakteristischen Infiltrationen mit polymorphkernigen, zerstörten Leukozyten.

→ II: Labor:

→ 1) Im akuten Schub stellt sich eine Erhöhung der Entzündungsparameter, CRP und BSG, dar.

→ 2) Nachweis von immunologischen Markern wie das HLA-B51 (in 70% der Fälle).

→ III: Die Diagnose des Morbus Behcet wird gestellt, wenn das nachfolgende Hauptkriterium und mindestens > 2 Nebenkriterien zutreffen:

620 Diagnosekriterien des Morbus Behcet

 

→ Differenzialdiagnose: Vom Morbus Behcet müssen v.a. alle anderen rheumatischen Erkrankungen abgegrenzt werden; hierzu zählen:

→ I: Die Vaskulitiden,

→ II: Lupus erythematodes,

→ III: Sarkoidose und nicht zuletzt

→ IV: Die Multiple Sklerose, etc.

 

Therapie:

→ I: Eine kausale Therapie ist nicht bekannt.

→ II: Leichter Schub: Lokale Applikation von Glukokortikoiden, bei milder Arthritis Gabe von NSAR.

→ III: Akuter Schub: Systemische Glukokortikoidgabe evtl. in Kombination mit Azathioprin oder Cyclosporin A. Bei therapieresistenten schweren Verläufen wird als Reservemittel TNF-Alpha-Blocker appliziert.

→ IV: Lebensbedrohlicher Schub: Gabe von Cyclophosphamid.

V: Okuläre Beteiligung: Gerade bei der okulären Verlaufsform sollte Interferon Alpha-2a substituiert werden.

 

→ Prognose: Der Morbus Behcet verläuft zumeist chronisch rezidivierend. Insbesondere häufige Schübe können zu Destruktionen des Auges und/oder Gehirns führen.