→ Definition: Bei der Angiodysplasie des Intestinums handelt es sich um eine fokale mukös und/oder submukös gelegene Gefäßüberschussbildung häufig infolge einer arteriovenösen Kurzschlussverbindung. Sie stellt neben der Diverikulitis die häufigste Ursache für rezidivierende Gastrointestinalblutungen dar.
→ Epidemiologie:
→ I: Die Inzidenz der arteriovenösen Malformation liegt abhängig von der Ätiologie zwischen 1% (angeborene Form) und ca. 26% (erworbene Form); zumeist tritt die Angiodysplasie multiple auf.
→ II: Die Typ I Angiodysplasie ist vorwiegend bei den > 70. Jährigen nachweisbar, manifestiert sich zumeist im Zökum und Colon ascends (rechter Hemikolon) und weist eine gleiche Geschlechterverteilung auf.
→ III: Die Typ II-Form ist angeboren, wird klinisch 20-30 Jahre früher manifest, ist ausschließlich im Dünndarm lokalisiert und betrifft vorwiegend Frauen.
→ Ätiologie/Pathogenese: Es bestehen 2 Theorien, die sich zur Klärung des Pathomechanismus der erworbenen Form etabliert haben:
→ I: Degenerative Alterungsprozesse: Hierbei unterliegen die submukösen Venen beim Durchtritt durch die Muskularis propria einer geringgradigen chronischen Obstruktion mit konsekutiver intraluminaler Drucksteigerung. Im Laufe der Zeit dilatieren die Gefäße und verlaufen geschlängelt, da nur der venöse Abfluss nicht aber der arterielle Zufluss gestört ist. Schließlich greift die Abflussbehinderung auf die Venolen und Kapillaren der Mukosa über und verursachen sekundär eine Insuffizienz der präkapillaren Sphinkteren, sodass sich arteriovenöse Verbindungen ausbilden können, die im weiteren Krankheitsverlauf zu Ektasien der zuführenden Arterien führen.
→ II: Folgen einer Mukosa-Ischämie: Infolge eines erhöhten intramuralen Druckes (z.B. Pressen beim Stuhlgang, erhöhte Peristaltik) bzw. einer vermehrten Wandspannung entwickeln sich intermittierend subklinische Ischämien der Mukosa mit konsekutiver Durchblutungssteigerung der Submucosa. Dieser Pathomechanismus fördert die Ausbildung von arteriovenösen Shunts (= Angiodysplasie).
→ Pathohistologie: Es handelt sich um dilatierte, dünnwandige und mit Endothel ausgekleidete Gefäße, die nur eine sehr zarte muskuläre Media und zumeist keine Adventitia besitzen. Die veränderte Gefäßarchitektur erklärt somit auch die Verletzlichkeit und Blutungsbereitschaft der betroffenen Venen und Arterien.
→ Klassifikation: Nach der Ursache und Lokalisation werden 4 Subtypen unterschieden:
→ Klinik:
→ I: Häufig verläuft die Angiodysplasie klinisch stumm.
→ II: Hauptsymptom ist die chronische oder akut rezidivierende gastrointestinale Blutung mit der Gefahr von lebensbedrohlichen Blutungskomplikationen.
→ III: Unklare Eisenmangelanämie und/oder ein konstant positiver Hämoccult-Test.
→ IV: Komorbiditäten: Angiodysplasien sind vermehrt mit nachfolgenden Erkrankungen vergesellschaftet; hierzu zählen u.a.
→ 1) Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom,
→ 2) Niereninsuffizienz,
→ 3) Sklerodermie sowie
→ 4) Aortenstenose.
→ 5) Besteht eine Komorbidität mit einem Aortenvitium spricht man vom Heyde-Syndrom.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese und klinische Untersuchung.
→ II: Labor: Evtl. positiver Hämoccult-Test und/oder Nachweis einer Eisenmangelanämie (= mikrozytäre, hypochrome Anämie mit Erniedrigung von Eisen und Ferritin und Erhöhung von Transferrin und löslicher Transferrin-Rezeptor).
→ III: Endoskopie: Angiodysplasien stellen sich als kirschrote Flecken in der Schleimhaut dar.
→ Klinisch-relevant: Die meisten Menschen mit Angiodysplasie bluten nicht, sodass es nicht prinzipiell angzeigt ist, die bei der Koloskopie eruierten Angiodysplasien zu therapieren. Vielmehr muss es klar erkennbar sein, dass sie entweder aktiv bluten oder Koagel bzw. Schleimhauteinblutungen aufweisen.
→ IV: Angiographie: Angiographisch lassen sich dilatierte und gewunden verlaufende Gefäßkonvulte und arteriovenöse Shunts nachweisen. Des Weiteren zeigen sich früh mit Kontrastmittel füllende Venen (= early-filling veins), die sich erst spät entleeren. Extravasat weist auf eine aktive Blutung hin.
→ Differenzialdiagnose: Von der Angiodysplasie müssen insbesondere die gastrointestinalen Blutungen unterschiedlicher Genese abgegrenzt werden.
→ Therapie:
→ I: Nicht-operative Therapie: Die akute Blutstillung kann durch eine elektive, lokale Therapie mittels Sklerosierung, Laser- bzw. Elektrokoagulation oder Thermosonde erfolgen. Das Verfahren wird u.a. auch bei diffusen Angiodysplasien eingesetzt, da die Nebenwirkungen einer Kolektomie zu massiv sind. Die Rezidivirate ist hierbei jedoch sehr hoch.
→ II: Operative Therapie: Besteht eine lokalisierte Angiodysplasie wird der betroffene Darmabschnitt in üblicher Weise reseziert.
→ III: Medikamentöse Therapie: Bei Inoperabilität kann ein Östrogen-Progesteron-Kombinationspräparat mit einem niedrig-dosierten Kortison versucht werden.
→ Prognose: Das Rezidivrisiko nach der ersten unbehandelten Blutungsperiode nimmt mit den Jahren deutlich zu. Eine besonders schlechte Prognose besteht bei der Angiodysplasie im Rahmen der Osler-Rendu-Weber-Krankheit, da hier zumeist der gesamte Gastrointestinaltrakt betroffen ist.