Definition: Die Aortenklappenstenose ist definiert als eine Einengung des linksventrikulären Ausflusstraktes mit konsekutiver Behinderung des Blutflusses im Bereich der Aortenklappen (Abb.: Ventilebene des Herzens).

 

→ Epidemiologie: Die Aortenstenose stellt in Europa und den USA den häufigsten und bedeutsamsten Klappenfehler dar. Bei > als 4% der über 75. Jährigen manifestiert sich dieser Klappenfehler.

 

Ätiologie:

→ I: Degenerative Aortenklappenstenose: Stellt die häufigste Ursache im höheren Lebensalter (jenseits des 60. Lebensjahr) dar und entwickelt sich infolge einer degenerativen Kalzifizierung der trikuspidalen Klappe (analog zur Arteriosklerose).

II: Kongenitale Aortenklappenstenose: Bei dieser Form besteht die Aortenstenose schon kongenital und wird zumeist in der Adoleszenz symptomatisch (sie stellt die häufigste Form unter dem 55. Lebensjahr dar). Nach der Morphologie unterscheidet man nachfolgende Substypen:

→ 1) Unikuspidal: Die Aortenklappe ist domartig; die Stenosierung existiert bereits im Kindesalter (10% der Fälle).

→ 2) Bikuspidal: Hierbei manifestiert sich eine kongenitale Fusion beider Kommissuren (60% der Fälle).

 3) Trikuspidal: Die trikuspidale Klappe weist ungleich große Klappentaschen auf; es zeigt sich eine partielle Fusion der Kommissuren sowie ein hypoplastischer Anulus (30% der Fälle).

 III: Rheumatisches Fieber: Heute nur noch sehr selten; Nach Infektion mit ß-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A oder anderen bakteriellen Endokarditiden kommt es zur Fusion der Klappensegel mit sekundärer Verkalkung. Häufig ist sie mit einer begleitenden Aortenklappeninsuffizienz,  Mitralvitium und/oder einer Trikuspidalstenose vergesellschaftet.

→ IV: Selten manifestiert sich die Aortenstenose auch im Rahmen einer rheumatoiden Arthritis oder Zustand nach Radiatio.

 

Pathogenese: Erst bei Abnahme der Aortenöffnungsfläche (normal > 3,5-5 cm²) von < 1,5 bzw. 1 cm² kommt es zu einer Druckbelastung mit Ausbildung einer konzentrischen Hypertrophie zur Aufrechterhaltung des HZV. Dieses kann lange aufrechterhalten werden.

 

→ Klassifikation: Für die Aortenstenose existieren verschiedene Klassifikationen

→ I: Nach der Lokalisation wird die Aortenklappenstenose unterteilt in:

→ 1) Valvulär: Stellt mit 75% die häufigste erworbene Form dar. Es handelt sich um einen kommissuralen kuspidalen Typ.

→ 2) Subvalvulär: Stellt den membranösen bzw. fibromuskulären Typ dar.

→ 3) Supravalvulär: Hierbei handelt es sich meist um eine hochgradige Einengung. Es ist der Uhrglas-Typ.

→ II: Nach dem Schweregrad der Klappenstenose:

957 Klassifikation des Schweregrades der Aortenstenose

 

Klinisch-relevant:

→ A) Meist führt eine primär diastolische Dysfunktion zur Lungenstauung mit zunehmender Leistungsminderung und Luftnot.

B) Infolge der linksventrikulären Hypertrophie manifestiert sich ein erhöhter kardialer O2-Bedarf, der jedoch durch die erhöhte Wandspannung und den damit verbundenen verminderten subendokardialen Blutfluss nicht gewährleistet werden kann. Klinische Folgen sind insbesondere die Angina pectoris Anfälle unter Belastung ohne Koronarstenosen.

 

Klinik: Charakteristikum der Aortenklappenstenose ist, dass die klinische Symptomatik nicht mit dem Ausmaß der Stenosierung korreliert. Über lange Zeit fehlen bei den betroffenen Patienten die Beschwerden. In fortgeschrittenen Stadien zeigen sich dann aber Symptome wie z.B.:

→ I: Verminderte Belastbarkeit mit rasche Ermüdbarkeit.

→ II: Belastungsdyspnoe und Angina pectorisEin weiteres Symptom sind Herzrhythmusstörungen, die in Form von Palpitation zutage treten.

→ III: Im weiteren Krankheitsverlauf können sich Schwindel und Synkopen entwickeln. Anfälle der Bewusstlosigkeit treten insbesondere nach Belastung als Zeichen einer Hypoxie bei deutlich reduzierter Auswurfleistung auf. 

→ IV: Die verkleinerte und verzögerte Volumenentleerung des linken Ventrikels ruft einen kleinen Puls mit langsam ansteigender Pulskurve (= Pulsus parvus et tardus) hervor. In schweren Fällen zeigt sich klinisch ein niedriger systolischer und ein relativ hoher diastolischer RR (z.B. 110/90).

 

Klinisch-relevant: Symptomatisch wird die Aortenklappenstenose bei: 

→ A) Einer Aortenöffnungsfläche (= AÖF) < 1 cm² und /oder

B) Einem mittleren Druckgradienten von 40-50 mmHg.

 

Komplikationen:

→ I: Maligne Herzrhythmusstörungen wie z.B. Kammerflimmern mit konsekutivem plötzlichem Herztod bei körperlicher Belastung.

→ II: Mikroembolisationen insbesondere ins Gehirn aufgrund von verkalkten Aortenklappen und nicht zuletzt das

III: Linksherzversagen.

 

Diagnose:

→ I: Inspektion/Palpation:

→ 1) Pulsus tardus et parvus.

2) Herzspitzenstoß bei konzentrischer Hypertrophie hebend und verbreitert, jedoch nicht verlagert, sowie Schwirren über der Aorta (rechts parasternal) und den Karotiden.

956 Auskulationsphänomene bei den verschiedenen Klappenfehlern

II: Auskultation: (Abb.: Herzklappen und ihre Auskultationsstellen)

→ 1) Spindelförmiges Systolikum (Abb. Differenzialdiagnosen Systolikum) mit Punctum maximum über dem 2. ICR parasternal rechts und Weiterleitung in die Karotiden.

2) 1. Herzton häufig abgeschwächt und der 2. HT. abgeschwächt oder fehlend (fehlender 2. HT spezifisch, aber nicht sensitiv für die Schwere der Aortenstenose). Eventuell ist aber auch eine paradoxe Spaltung des 2. HT (Pulmonalklappe schließt vor Aortenklappe) nachweisbar.

→ 3) Bei bestehender Herzinsuffizienz kann evtl. ein 3. und 4. Herzton nachgewiesen werden.

→ 4) Evtl. frühsystolischer Ejektions-Klick.

958 Auskulationsbefund der Aortenstenose

III: EKG-Veränderungen: Zeichen einer Linksherzhypertrophie mit einem Lagetyp vom Linkstyp bzw. überdrehten Linkstyp. Der Sokolow-Index (SV1 + RV5) > 3,5mV. Eine Druckhypertrophie ist durch eine T-Negativierung in den linkspräkordialen Ableitungen V4-V(EKG-Befund: Aortenstenose). Evtl. Nachweis von Herzarrhythmien wie Vorhofflimmern, AV-Block (EKG-Befund: AV-Block), ventrikuläre Extrasystolen und ventrikuläre Tachykardien.

→ IV: Röntgen: (Abb.: Projektionen der Herz- und Gefäßkonturen im Röntgen-Thorax) Mit möglicher Darstellung einer deutlichen Linksherzverbreiterung und abgerundeter Herzspitze (insbesondere bei Dekompensation), evtl. Erweiterung der Aorta acendens und Aortenklappen-Verkalkung sowie Lungenstauung.

955 Mögliche radiologische Zeichen einer Aortenklappenstenose  

V: Echokardiographie: transthorakal/transösophageal:

→ 1) Bestimmung des maximalen/mittleren Druckgradienten über der Klappe.

2) Berechnung der Klappenöffnungsfläche.

3) Messung der Vorhof- und Kammergröße und konsekutive Bestimmung der Ventrikelfunktion, sowie Beurteilung der Druckverhältnisse im großen und kleinen Kreislauf.

4) Darstellung von fibrotisch verdickten oder sklerotisch veränderten Klappen, sowie das Vorhandensein von Klappenanomalien, wie uni-, bi- und trikuspidale Klappen.

5) Beurteilung der anderen Klappen sowie Darstellung einer gleichzeitigen Aortenklappeninsuffizienz.

 

Klinisch-relevant: Bei den kongenital bzw. rheumatischveränderten Aortenklappen findet man typischerweise die kuppelförmige Domstellung der Taschen, während der Systole.

 

  VI: Invasive Diagnostik: Linksherzkatheter zur:

1) Genauen Beurteilung der Stenose, durch Bestimmung des maximalen und mittleren Druckgradienten über der Klappe und

→ 2) Durch Bestimmung der Klappenöffnungsfläche (KÖF). 

→ 3) Koronarangiographie, um präoperativ vaskuläre Risikofaktoren auszuschließen.

 

→ Differenzialdiagnose: Von der Aortenklappenstenose müssen insbesondere nachfolgende kardiale Erkrankungen abgegrenzt werden. Hierzu zählen:

→ I: Weitere Herzvitien: Wie die Pulmonalklappenstenose und die Mitralklappeninsuffizienz.

→ II: Weitere kardiale Erkrankungen: Ein Ventrikelseptumdefekt, die hypertrophe Kardiomyopathie, Papillarmuskeldysfunktion unterschiedlicher Genese und nicht zuletzt das Aortenaneurysma.

 

  Therapie:

→ I: Patienten mit einer symptomatischen AS müssen immer einen Klappenersatz erhalten. Der Klappenersatz sollte vor Auftreten von Linksherzinsuffizienz-Zeichen (Druckgradient > 50mmHg bzw. charakteristischer Insuffizienz-Symptomatik) erfolgen. Eine begleitende arterielle Hypertonie kann überbrückend mit Betablocker (negativ inotrop) oder Diuretika behandelt werden. 

 

Klinisch-relevant:

→ A) Nachlastsenkende Medikamente wie ACE-Hemmer, Vasodilatatoren (z.B. Nitrate), etc. sind bei stenosierenden Herzklappenvitien kontraindiziert.

→ B) Eine Herzinsuffizienz, infolge einer Aortenklappenstenose, ist medikametös nicht behandelbar.

B) Einzige Therapieoption stellt die Beseitigung der Aortenstenose dar.

 

II: Operativer Klappenersatz: Indikation sind schwere AS mit Symptomen, schwere AS ohne Symptome bei:

→ 1) Einer linksventrikulären Ejektionsfraktion < 50%,

→ 2) Auftretenden Beschwerden unter Belastung (z.B. Ergometrie), 

→ 3) Unter Belastung (z.B. Ergometrie)  kommt es zum Absinken des Blutdrucks.

→ 4) Auftreten von ventrikulären Rhythmusstörungen.

III: Alternative Verfahren:

→ 1) Bei jüngeren Patienten mit geringer Verkalkung z.B. Ballonvalvuloplastie.

2) Bei Hochrisikopatienten die Transkatheter-Aortenklappenimplantation (= TAVI), wobei eine biologische Klappe in einen Stent eingenäht ist.

 

→ Prognose: Generell weist die Aortenstenose ohne Symptome mit < 1%/Jahr eine gute Prognose auf:

 I: Als Warnzeichen für eine akute Verschlechterung der Aortenklappenstenose sind Synkopen unter Belastung und pectanginösen Beschwerden anzusehen.

→ II: Eine Aortenstenose mit Symptomen weist eine 2-Jahresüberlebenschance von < 50% auf.