Definition:

→ I: Bei der atrioventrikulären Blockierung handelt es sich um eine Erregungsleitungsstörung zwischen Vorhof und Ventrikel mit konsekutiver Verzögerung der Impulsleitung bis hin zum kompletten Block.

II: Die Leitungsstörung kann im Bereich des AV-Knotens, des HIS-Bündel oder den Tawara-Schenkel lokalisiert sein, im Sinne einer supra- und/oder infrahissären Blockade (nur elektrophysiologisch mittels intrakarkardialem EKG eruierbar).

 

Ätiopathogenese: Ein AV-Block Grad I und Grad II Typ Wenckebach kann auch bei Herzgesunden mit erhöhtem Vagotonus auftreten; höhergradige AV-Blockaden sind zumeist erworben und manifestieren sich im fortgeschrittenem Lebensalter.

→ I: Ursache für die Genese des AV-Blocks sind zumeist degenerative Veränderungen wie Fibrosierung sowie Kalzifizierung des AV-Knotens bzw. der Leitungsbahn.

→ II: Weitere Pathomechanismen sind u.a.:

→ 1) Ischämisch infolge eines akuten Hinterwandinfarktes (EKG-Befund: Hinterwandinfarkt). Die Versorgung erfolgt über die rechte Koronararterie, deren Äste den AV-Knoten versorgen, und den Ramus circumflexus aus der linken Koronararterie.

→ 2) Iatrogen: Bei der Behandlung mit Digitalis-Präparaten, Antiarrhythmika und weiteren negativ-chronotrop wirkenden Substanzen wie Beta-Blockern, herzwirksamen Kalziumantagonisten, aber auch aufgrund einer Elektrolytverschiebung (insbesondere die Hyperkaliämie und Hypokalzämie) und nach herzchirurgischen Eingriffen.

→ 3) Kardiale/Extrakardiale Erkrankungen: Wie die rheumatische/virale Myokarditis, Endokarditis, Kardiomyopathien, Aortenklappenstenose, aber auch die Lyme Borelliose mit Herzbeteiligung sowie die Sarkoidose; vor allem im Bereich des AV-Knotens etc.

 

Pathophysiologie: Bei vollständiger Blockade der Erregungsleitung vom Atrium auf den Ventrikel treten sekundäre Autonomiezentren (z.B. AV-Knoten, HIS-Bündel) bzw. tertiäre Autonomiezentren (= Kammerersatzrhythmus < 40/min) ein.

 

Klinisch-relevant: Liegt das Autonomiezentrum oberhalb der Aufteilung des HIS-Bündels ist der QRS-Komplex schmal, unterhalb manifestiert sich ein verbreiterter QRS-Komplex.

515 Charakteristika des sekundären bzw. tertiären Autonomiezentrums

 

Klassifikation: Der AV-Block wird nach dem Schweregrad unterteilt in:

→ I: AV-Block I. Grades: (= Verzögerung der Erregungsleitung) Es kommt zu einer konstanten Verzögerung der Erregungsleitung des atrialen Impulses auf den Ventrikel (PQ-Intervall > 0,20 sec bzw. > 200ms). Jeder P-Welle folgt ein QRS-Komplex.

→ II: AV-Block II. Grades: Er stellt eine intermittierende Leitungsunterbreung dar. Es werden 2 Formen unterschieden:

1) Typ I: (Wenckebach-Periodik bzw. Mobitz I) Hierbei kommt es zu einer Zunahme der Überleitungszeit (PQ-Zeit) von den Vorhöfen auf die Ventrikel bis schließlich eine Erregung nicht weitergeleitet wird und die Herzaktion konsekutiv ausbleibt; elektrokardiographisch zeigt sich eine zunehmende Verlängerung der PQ-Zeit bis schließlich ein QRS-Komplex ausfällt. Hierbei ist die Pause kürzer als ein doppeltes PP-Intervall. Die AV-Blockade liegt in 90% der Fälle suprahissär, zumeist im AV-Knoten.

→ 2) Typ II: (= Mobitz II) Charakteristikum ist, dass nicht jede Sinuserregung auf den Ventrikel übergeleitet wird; d.h. nicht jeder P-Welle folgt ein QRS-Komplex. Die anatomische Lokalisation des Mobitz-II-Blocks liegt im oder unterhalb des HIS-Bündels und geht häufig in einen kompletten AV-Block über. Nach der Art der Blockade unterscheidet man 2 Formen:

→ A) Vereinzelte AV-Blockierungen und

→ B) Regelmäßige Blockierungen: Hierbei wird nach der Anzahl der übergeleiteten Vorhofaktionen zwischen einem 2:1 Block (von 2 Sinuserregungen wird nur 1 auf die Kammer übergeleitet), 3:1 Block (von 3 Sinuserregungen wird nur eine auf die Kammer übergeleitet) usw. unterschieden.

 

Klinisch-relevant: Die Pause entspricht dem Doppelten oder Mehrfachen eines PP-Intervalls.

 

III: AV-Block III. Grades: Bei dieser Form besteht eine komplette Unterbrechung, sodass sowohl der Vorhof als auch die Kammer vollständig unabhängig voneinander schlagen; man spricht von einer  AV-Dissoziation. Die Schrittmacherfunktion übernehmen entweder sekundäre oder tertiäre Autonomiezentren (der AV-Block tritt in der Regel im HIS-Purkinje-System auf). Die Phase bis zum Auftreten des Ersatzrhythmus wird als präautomatische Pause bezeichnet.

 

Klinik:

→ I: Die klinische Symptomatik ist insbesondere vom Schweregrad des AV-Blocks und der bestehenden Grunderkrankung abhängig. Vor allem höhergradige AV-Blockierungen (AV-Block II. Grades Typ 2 und AV-Block III. Grades) treten zumeist bei älteren Patienten auf und bedürfen therapeutischer Maßnahmen.

→ II: Patienten mit niedergradigen Blockierungen sind jünger evtl. Sportler und zumeist beschwerdefrei.

→ III: Bei höherem Ersatzrhythmus manifestieren sich uncharakteristische Symptome wie Müdigkeit, Leistungsminderung, Schwäche, Dyspnoe, Konzentrationsstörungen, Schwindelgefühl.

→ IV: Bei vollständigem Block entsteht eine längere Phase der Asystolie bis es zum Einsatz des Ersatzrhythmus; Symptome hierbei sind u.a. Synkopen oder der Adam-Stokes-Anfall (= zerebrale Ischämie aufgrund von Herzrhythmusstörungen) mit charakteristisch klinischen Zeichen (vor allem durch die Dauer der Asystolie bestimmt):

→ V: Des Weiteren können sich bei ausgeprägten bradykarden Ersatzrhythmen eine Herzinsuffizienz mit konsekutiver Minderperfusion der Organe sowie ein kardiogener Schock entwickeln.

518 Klinische CHarakteristika des Adam Stokes Anfall abhängig von der Dauer

 

Diagnose:

→ I: Anamnese/klinische Untersuchung:

→ 1) Eruierung von kardialen Vorerkrankungen, Schwindel und/oder Synkopen.

→ 2) Labor: Bestimmung der Elektrolyte (Kalium, Kalzium), Retentionsparameter (Kreatinin, Harnstoff), Herzenzyme (CK, CKMB, Troponin I/T), evtl. Borelliose-Serologie.

→ II: EKG: EKG, Belastungs- und Langzeit-EKG können höheregradige AV-Blockierungen aufdecken. Ist ein AV-Block III. Grades in Ruhe eruierbar, stellt das Belastungs-EKG eine Kontraindikation dar (EKG-Befund: AV-Block).

517 HIS Buendel Elektrogramm

 

→ III: EPU: Zur exakten Lokalisation der Blockierung ist ein intrakardiales HIS-Bündel-EKG (= HBE: s.o. schematische Darstellung) indiziert. Mittels HBE lässt sich die PQ-Zeit des konventionellen EKG nochmals unterteilt in eine Überleitung vor und nach dem HIS-Bündel:

516 Unterschiede des supra  und infrahissären Blocks mittels HIS Bündel EKG

 

  Differenzialdiagnose: Vom AV-Block sind insbesondere nachfolgende Erkrankungen abzugrenzen:

I: Synkopen anderer Genese,

→ II: SA-Blockierungen.

 

Therapie: Die Behandlung richtet sich insbesondere nach der Ausprägung klinischer Symptome.

I: Kausale Therapie: Behandlung der Grunderkrankung z.B. Myokarditis, akuter Myokardinfarkt. Bei medikamentös-induzierter Blockierung Absetzen von Beta-Blockern, Digitalis oder anderer Antiarrhythmika; evtl. Ausgleich einer Elektrolytverschiebung etc.

→ II: Symptomatische Therapie:

→ 1) Beim AV-Block I. Grades und II. Grades Typ Wenckebach ist zumeist keine Behandlung nötig, evtl. werden mögliche Medikamente abgesetzt. Besteht eine schwere Bradykardie, ist die Gabe von Atropin (0,5-1,0mg i.v.) indiziert.

→ 2) AV-Block II. Grades Typ Mobitz: Bei dieser Form ist das Absetzen von leitungsverzögernden Medikamenten obligat. Insbesondere infrahissäre Blocks gehen häufig in eine vollständige Blockierung über. Der AV-Block Typ Mobitz stellt eine relative Schrittmacherindikation dar. Zeigen sich bei den Patienten klinische Beschwerden besteht eine Indikation.

→ 3) Notfall: Bei ausgeprägten bradykarden Rhythmusstörungen mit Koma und/oder kardiogenem Schock ist umgehend eine kardiopulmonale Reanimation durchzuführen. Hierfür stehen insbesondere nachfolgende Medikamente zur Behandlung der Akutsituation bereit:

→ A) Atropin: Ein Parasympatholytikum in einer Dosis von 0,5-1,0mg i.v.

→ B) Adrenalin: In einer Dosierung von 0,1mg i.v. oder Orciprenalin in einer Dosis von 0,1mg i.v.

519 Spezielle Therapiemaßnahmen bei den verschiedenen AV Blockierungen

 

Klinisch-relevant: Sie beseitigen nicht die AV-Blockierung, vielmehr steigern sie die Frequenz des Ersatzrhythmus.

 

4) In der Klinik ist anschließend die Anlage eines passageren transvenösen Schrittmachers (über die V. jugularis). Nach Behandlung der Grunderkrankung (z.B. Elektrolytverschiebung, Myokardinfarkt, etc.) und Persistenz der Herzrhythmusstörung, ist zur Langzeitherapie die Implantation eines Herzschrittmachers (Zweikammersysteme wie der VDD oder DDD) obligat. 

 521 Indikationen zur permanenten Schrittmacherimplantation einschließlich bei Infarkt

 

→ Prognose:

→ I: AV-Blockierung I und II Grades (Typ Wenckebach) haben eine gute Prognose und können auch bei Herzgesunden aufgrund eines gesteigerten Vagotonus auftreten.

→ II: AV-Blockierungen Typ Mobitz gehen nicht selten im weiteren Krankheitsverlauf in einen kompletten AV-Block über und birgen die Gefahr des Adam-Stokes-Anfalls.

→ III: Durch die Implantation des Schrittmachers wurde die Überlebensrate der Patienten signifikant gesteigert und ist insbesondere von der Grunderkrankung abhängig.