Definition: Bei den Drop-Attacks handelt es sich um nicht epileptische Sturzattacken durch einen abrupten Tonusverlust in der Streckmuskulatur der Beine.

 

Anatomie: Die A. vertebralis versorgt über die A. basilaris (neben dem Zustrom aus dem Circulus Willisii) das Kleinhirn, Hirnstamm, Pons, Sehrinde und das Innenohr. Doppelseitige pathologische Veränderungen der Vertebralisstrohmbahn und eine unzureichende Kompensation aus dem Circulus Willisii führen zu einer Minderperfusion.

017 Schematische Darstellung des Circulus arteriosus Willisii

 

Epidemiologie:

→ I: Die Drop Attacks stellen eine seltene neurologische Störung dar.

→ II: Sie treten vor allem im höheren Lebensalter auf, wobei Frauen etwas häufiger als Männer betroffen sind.

 

Ätiopathogenese:

→ I: Die Ätiopathogenese der Drop-Attacks sind bis heute noch nicht genau geklärt.

→ II: Angenommen wird eine vertebrobasiläre Insuffizienz mit einem intermittierenden Perfusionsdefizit des vertebrobasilären Versorgungsgebietes bzw. der hinteren Schädelgrube und konsekutiver Funktionsstörung der kortikospinalen Bahnen und Formatio reticularis.

→ III: Klinisches Korrelat ist eine über Sekundenbruchteile anhaltende flüchtige Symptomatik, die sich sofort wieder zurückbilden.

→ IV: Weitere Ursachen: Sind u.a.:

1) Auch bei Perfusionsstörungen im Bereich der parasagitalen prämotorischen und motorischen Kortex wurden Drop-Attacks beschrieben.

→ 2) Tumoren im Bereich des 3. Ventrikel und der hinteren Schädelgrube, die zu einer Liquorabflussbehinderung mit konsekutiver Symptomatik führen.

→ 3) Subclavian-Steal-Syndrom, etc.

 

Klinik:

→ I: Leitsymptom der Drop-Attacks ist der Sturz aus dem Gehen oder Stehen nach vorne ohne Warnzeichen oder erkennbare Auslöser (Kopfdrehhungen und -reklination werden diskutiert). Ein weiteres wichtiges Charakteristikum ist der fehlende Bewusstseinsverlust und die fehlende anamnestische Lücke.

→ II: Fakultative Begleitsymptome können die Motorik als auch Sensorik betreffen und umfassen:

→ 1) Schwindel und Okzipitalkopfschmerzen,

→ 2) Visusverschlechterung und evtl. Doppelbilder.

→ 3) Tinnitus und Hörverminderung.

→ 4) Periphere Sensibilitätsstörungen sowie periorale Parästhesien oder

5) Gangunsicherheit und Ataxie.

 

Diagnose: Zur genauen Diagnosestellung ist im Rahmen der Diagnostik eine ohrenärztliche, kardiale und neurologische Untersuchung obligat (die Drops-Attacks stellen eine Ausschlussdiagnose dar). 

→ I: Bildgebende Verfahren:

→ 1) Dopplersonographie: Zur Beurteilung der Vertebralisstrombahn und Darstellung einer möglichen Einengung der A. vertebralis.

2) DSA: (= Digitale Subtraktionsangiographie) Mit Darstellung der extra- und intrakraniellen Abschnitte der hirnversorgenden Arterien. Das Verfahren weist eine hohe Sensitivität und Spezifität auf und ist heutzutage Goldstandard in der Diagnostik der Vertebralinsuffizienz.

→ 3) CCT/CMRT: Ergänzende Untersuchung zur Eruierung einer mögllichen vaskulären Atrophie oder intrazerebral gelegenen ischämischen Herden (z.B. Kleinhirninfarkte).

II: EEG:

→ 1) Zum Ausschluss einer Epilepsie.

2) Zumeist zeigen sich bei den Drop-Attacks keine Veränderungen; evtl. manifestiert sich unspezifisch eine allgemeine Verlangsamung und/oder ein frontal betonter Alpha-Rhythmus.

→ III: Langzeit-EKG: Zum Ausschluss von kardialen Rhythmusstörungen (z.B. Vorhofflimmern, Sick-Sinus-Syndrom, Karotis-Sinus-Syndrom, Adam-Stokes-Anfall, etc.)

→ IV: Audiogramm: Zur differenzialdiagnostischen Abklärung eines Morbus Meniere.

 

Differenzialdiagnose: Von den Drop-Attacks müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:

→ I: Katalepsie: Im Rahmen einer Narkolepsie weist rezidivierende Stürze auf (Kardinalsymptome sind Schlafattacken, hypnagogische bzw. hypnopompe, also beim Einschlafen und Aufwachen auftretende Halluzinationen und die Katalepsie).

→ II: Synkopen unterschiedlicher Genese.

III: Stürze als Frühsymptome der progressiven supranukleären Lähmung.

→ IV: Atonisches epileptisches Anfallsleiden.

→ V: Tumarkin-Otolithenkrise: Hierbei handelt es sich um vestibuläre Drop-Attacks ohne Auslöser und Vorwarnung bei erhaltenem Bewusstsein bei Patienten mit bekanntem Morbus Meniere durch Druckschwankungen der Endolymphe.

→ VI: Paroxymale kinesiogene Dyskinesie: (sehr selten) Hierbei kommt es zu plötzlich auftretenden dystonen ballistischen und choreatischen Bewegungsabläufen der Extremitäten, die bei sehr kurzer Dauer unter Einbeziehung der Beine zu Stürzen ohne Bewusstseinsverlust führen.

 

Therapie: Nur bei Nachweis einer Kausalbeziehung zu einer bestimmten Erkrankung sollte eine entsprechende Behandlung erfolgen.