→ Definition: Beim Marchiafava-Bignami-Syndrom handelt es sich um eine sehr seltene, durch den chronischen Konsum von Rotwein verursachte, extrapontine Myelinolyse mit Degeneration (weiße Substanz) des Corpus callosum. (Ob es sich hierbei um eine Variante der zentralen pontinen Myelinolyse handelt, wird diskutiert.)
→ Ätiologie: Die Pathogenese ist bei dieser sehr seltenen Erkrankung bis heute nicht genau bekannt. Angenommen wird eine chronische Alkoholabhängigkeit (übermäßiger Rotweingenuss), die eine alkoholinduzierte Stoffwechselstörung des Vitamin-B12 verursacht durch Schädigung der Oligodendroglia durch Zyanid (Zyanid wird durch Alkohol freigesetzt und beenträchtigt konsekutiv den Vitamin-B12-Stoffwechsel).
→ Pathohistologie:
→ I: Entmarkung des Balkens.
→ II: Zudem zeigen sich symmetrische extrakallosale Entmarkungen (= Demyelinisierungen) und nekrotische Läsionen mit zystischen Nekrosen in den zentralen Anteilen der vorderen und hinteren Kommissur sowie im Brachium pontis, seltener aber auch im Centrum semiovale, in den Hirnsträngen und oberen Kleinhirnschenkeln.
→ III: Aussparungen manifestieren sich insbesondere im Bereich der:
→ 1) Capsula interna,
→ 2) Corona radiata und des
→ 3) Zerebellums.
→ Klinik: Die Erkrankung ist sehr variabel und weist zumeist einen schleichenden Beginn auf. In der weiteren Entwicklung manifestieren sich jedoch ein progressives demenzielles Defizite (irreversibel). Initial besteht ein Prodromalstadium, bei dem klinische Symptome wie vermehrte Reizbarkeit, sexueller Enthemmung, Affektlabilität und organische Wesensveränderungen im Vordergrund stehen. Im weiteren Krankheitsverlauf zeigen sich Tremor, Rigor, Gangstörungen mit Ataxie, Inkontinenz, aber auch Verwirrtheitszustände, Apathie, Aphasie, Dysarthrie, Abulie (= pathologische Willenslosigkeit), sowie Hyperreflexie und positive Pyramidenbahnzeichen. Im Spätstadium kommt es zu generalisierten Krampfanfällen, Tetraparesen und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma. Augenmuskel- und Blickparesen sind für das Marchiafava-Bignami-Syndrom nicht typisch.
→ Verlaufsformen: Es werden grob 2 Verlaufsformen unterschieden:
→ I: Akute Verlaufsform: Mit plötzlichem Beginn, epileptischen Anfällen, Koma und frühzeitigem Exitus (aufgrund einer Schwellung des Balkens) nach wenigen Tagen.
→ II: Subakute (chronische) Verlaufsform: Mit progressiver Demenz (hierbei zeigen sich atrophische Prozesse).
→ Diagnose: Die Diagnose erfolgt radiologisch mittels cCT oder MRT mit Nachweis von kleinen Läsionen. Insbesondere im T2-gewichteten MRT zeigen sich symmetrische Hyperintensitäten; es ist aber auch eine Diffusionsstörung im Bereich der Kortex eruierbar. Im EEG finden sich zudem unregelmäßige und asymmetrische Beta- und Delta-Potenziale.
→ Differenzialdiagnose: Das Marchiafava-Bignami-Syndrom muss insbesondere von nachfolgenden Erkrankungen begegrenzt werden:
→ I: Diffusionsstörungen im Splenium anderer Genese.
→ II: Wernicke Enzephalopathie (im Gegensatz hierzu sind Augenbewegungsstörungen beim Marchafava-Bignami-Syndrom nicht typisch).
→ Therapie: Eine kausale Therapie existiert augfrund der Seltenheit der Erkrankung bis heute nicht. Symptomatisch wird eine
→ I: Absolute Alkoholkarenz sowie die
→ II: Hochdosierte Substitution von Vitamin B12, Thiamin und Folsäure empfohlen.
→ III: In Einzelfällen wurde unter der Applikation von Kortison (in hoher Dosierung) von einer Besserung der klinischen Symptomatik berichtet.
→ Prognose: Der Krankheitsverlauf ist z.T sehr variabel (akut, aber auch chronisch progredient). Die Prognose ist zumeist infaust.