Definition: Das chronische Erschöpfungssyndrom stellt ein nicht genau definiertes Krankheitsbild dar, dessen Leitsymptom eine kognitive und/oder somatische Erschöpfbarkeit bzw. Mattigkeit ist, die zu einer deutlichen Beeinträchtigung der alltäglichen Lebens führt.

 

Epidemiologie:

→ I: Die Inzidenz für das Chronic-Fatigue-Syndrome ist nicht genau bekannt, in Deutschland wird die Anzahl der Betroffenen auf etwa 300000 geschätzt.

II: Der Manifestationgipfel liegt zwischen der 2. bis 4. Lebensdekade, wobei Frauen deutlich häufiger als Männer (F : M = 6 : 1) betroffen sind.

 

Ätiologie: Die Entstehung des chronischen Erschöpfungssyndrom ist bis heute noch nicht genau geklärt, sodass von einer multifaktoriellen Genese

ausgegangen wird, zu der u.a. nachfolgende Faktoren zählen:

→ I: Infektionen: Vorausgegangene oder chronische Infektionserkrankungen wie Mononukleose, Cytomegalie, Toxoplasmose, Varizella zoster, Herpes-Viren (HHV-6), HIV, aber auch Legionellen, Salmonellen, Lyme-Borreliose. Mykoplasmen, Enteroviren z.B. Coxsackie B, etc.

→ II: Neuroendokrine Faktoren: Herunterregulation der Hypothalamus-Hypophyse-Nebennierenrinden-Achse mit konsekutivem Hypokortisolismus (bei Depression eher Hochregulation).

→ III: Immunologische Faktoren: Typisch sind erhöhte CD-8-T-Zellen, natürliche Killerzellen sowie einer Down-Regulation von RNase-L-Inhibitor in den Lymphozyten.

→ IV: Mitochondriale Störungen, Defekt der mitochondrialen DNA 

V: Weitere Triggermechanismen: Sind u.a.:

1) Traumen, Impfungen, Umweltgifte, Schwermetalle.

→ 2) Chronische Depression, somatoforme Störungen sowie psychogen bedingtes Rückzugsverhalten.

077 Kognitiv behaviorales Modell erde ENtstehung des chronischen Erschöpfungssyndroms

 

Klinik: Nach der Definition des "Center for Disease and Prevention" ist das Leitsymptom des chronischen Erschöpfungssyndroms ein über mindestens 6 Monate andauernden Erschöpfungszustand mit grippeähnlichen Symptomen. Das Krankheitsbild umfasst insbesondere:

→ I: Chronische Mattigkeit, leichte Ermüdbarkeit sowie permanentes Erschöpfungsgefühl.

→ II: Massiv reduzierte Leistungsfähigkeit, Konzentrationsstörungen und evtl. Vergesslichkeit.

→ III: Schlafstörungen oder übersteigertes Schlafbedürfnis, depressive Verstimmung bis hin zur Depression oder Angststörung.

→ IV: Weitere Symptome: Sind u.a. somatischer Natur mit:

→ 1) Myalgien und wandernde nicht-entzündliche Gelenkschmerzen.

→ 2) Halsschmerzen sowie schmerzhafte zervikale oder axillare Lymphknoten.

3) Neu aufgetretene Kopfschmerzen.

→ 3) Keine Erholung nach dem Schlaf, etc.

 

Diagnose: Das Chronic Fatigue Syndrome stellt immer eine Ausschlussdiagnose dar.

→ I: Anamnese/klinische Untersuchung:

→ 1) Eigenanamnese mit Eruierung der klinischen Beschwerden und Verringerung der üblichen Alltagsaktivität um > 50% über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten.

→ 2) Bei der klinischen Untersuchung möglicher Nachweis einer Pharyngitis, geschwollener Lymphknoten, etc.

→ II: Labor: Mit Blutbild, Differenzialblutbild, BSG, CRP, Eiweißelektrophorese (z.B. Hypogammaglobulinämie), Virusserologie, etc.

Diagnosekriterien des chronischen Müdigkeitssyndroms

 

Differenzialdiagnose: Von dem chronischen Erschöpfungssyndrom müssen insbesondere nachfolgende z.T. schwerwiegende Erkrankungen abgegrenzt werden:

→ I: Maligne Erkrankungen, hämatologische -, autoimmunologische - sowie systemische Infektionserkrankungen.

→ II: Psychiatrie: Psychische Störungen wie Depression, Schizophrenie und weitere Psychosen sowie Drogen- und Medikamentenabhängigkeit wie Alkoholismus, Schmerzmittelabusus, Tranquilizer, aber auch die Polytoxikomanie, etc.

→ III: Endokrinologie: Wie Hypothyreose, HypoparathyreoidismusMorbus Addison, Morbus Cushing, etc.

 

Therapie: Bis heute existiert keine kausale Therapie, da die Ursachen letztlich noch nicht bekannt sind. Wichtig jedoch ist es, dass der behandelnde Arzt den Patienten annimmt und die Beschwerden des Betroffenen ernst nimmt.

→ I: Psychoedukation mit Aufklärung des Patienten über die gute Prognose und den selbstlimitierenden Verlauf der Erkrankung.

→ II: Psychotherapie vor allem in Form der kognitiven Verhaltenstherapie mit u.a. Aufbau alternativer Coping-Strategien.

→ III:Medikamentöse Therapie:

→ 1) Trizyklische Antidepressiva wie Imipramin oder Nortiptylin oder MAO-Hemmer in niedriger Dosierung.

→ 2) Immunmodulatoren oder Immunglobuline (i.v.) oder

→ 3) Hochdosierte Applikation von Vitamin-Präparaten.

IV: Weitere Therapieoptionen: Wie z.B.:

→ 1) Physiotherapie und körperliches Training.

→ 2) Akupunktur.

 

Prognose:

→ I: Der Krankheitsverlauf des chronischen Erschöpfungssyndroms ist zumeist wellenförmig mit einer Dauer von 2,5 Jahren oder sehr viel länger und geht häufig mit einer erhöhten Suizidalität einher.

→ II: Faktoren für einen günstigeren Krankheitsverlauf sind insbesondere:

→ 1) Kurze Anamnese und jüngeres Lebensalter.

→ 2) Gute Patientencompliance und Therapieadhärenz.

→ 3) Vermeiden von Unter-, aber auch Überbelastung, etc.