→ Klassifikation: Seit Kraepelin wird die Schizophrenie im Zusammenhang mit ihren unterschiedlichen klinischen Symptomkonstellationen in verschiedene Subtypen (nach ICD-10) unterterteilt.
→ I: Paranoide Schizophrenie: Hierbei handelt es sich mit 65% der Fälle um die häufigste Form der Schizophrenie, wobei sie im Vergleich zu den anderen Schizophrenieformen später auftritt (macht 80%, der nach dem 40. Lebensjahr auftretenden Schizophrenien aus). Im Vordergrund der Symptomatik stehen wahnhafte und halluzinatorische Erlebensweisen, sowie Ich Störungen:
→ 1) Wahnwahrnehmungen mit bizarrem Wahn, wie Verfolgungs-, Beeinträchtigungs-, Eifersuchtswahn und Größenwahn, aber auch andere Wahninhalte. Oft werden im Verlauf der Erkrankung komplexe Wahnsysteme entwickelt.
→ 2) Insbesondere akustische Halluzinationen mit dialogisierenden, kommentierenden und imperativen Stimmen, selten Akoasmen.
→ 3) Ich-Störungen mit Gedankeneingebung, Gedankenausbreitung und Gedankenentzug, aber auch Willensbeeinflussungen.
→ 4) Affektstörungen und formale Denkstörungen sind nicht oder nur wenig vorhanden.
→ Merke: Die paranoid-halluzinatorische Schizophrenie weist ein gutes Ansprechen auf die Antipsychotika-Therapie und hat eine relativ günstige Prognose.
→ II: Hebephrene Schizophrenie: Sie ist mit 15% der Fälle die 2. häufigste Schizophrenieform, weist eine frühen Erkrankungsbeginn in oder kurz nach der Pubertät (zumeist zwischen dem 15.-25. Lebensjahr) und eine eher schlechte Prognose auf. Nicht selten kommt es bei den Patienten zu einer progredienten sozialen Isolation. Im Vordergrund der klinischen Symptomatik (= psychopathologisches Symptomtrias) steht insbesondere:
→ 1) Störungen des Antriebs: Mit Antriebslosigkeit, Ziellosigkeit, Desorganisation und Ratlosigkeit.
→ 2) Störungen des Affektes: Häufig inadäquater und läppischer Affekt, albernes distanzloses Benehmen, Affektverflachung und Manierismen (= psychomotorische Symptomatik mit bizarren, unnartürlichen und stereotypen Bewegungsabläufen).
→ 3) Formale Denkstörungen: Mit ungeordnetem Denken, Zerfahrenheit, Gedankenverschiebung, Symboldenken und nicht zuletzt bizarrer Sprache.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Die hebephrene Schizophrenie weist zumeist einen schleichenden Beginn mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit, evtl. auch Leistungsknick und uncharakteristischen somatischen Beschwerden auf. Nicht selten besteht ein Vorstadium mit inadäquater Beschäftigung mit Religion, Philosophie oder Esoterik.
→ B) Halluzinationen und Wahnvorstellungen treten bei diesem Subtyp ausschließlich flüchtig auf.
→ III: Katatone Schizophrenie: Hierbei stehen psychomotosiche Störungen, wie Erregungszustände, aber auch Stupor und Mutismus im Vordergrund. Auch können sich die verschiedenen Zustandsbilder wie Erregungszustände und Stupor rasch abwechseln. Es wird häufig zwischen einer hypo- und hyperkinetischen Symptomatik unterscheiden:
→ 1) Katatone Hypokinesien: Wichtige Leitsymptome sind u.a.:
→ A) Stupor: Motorische Bewegungslosigkeit.
→ B) Mutismus: Wortkargheit bis hin zum Nichtsprechen bei erhaltenem Sprachorgan.
→ C) Katalepsie: Starres Verharren in einer eingenommenen Körperhaltung (= Haltungsstereotypien). Ein charakteristischer Untersuchungbefund bei der Katalepsie ist die Flexibilitas cerea (= wächserner Biegsamkeit der Extremitäten), bei der der Patient, die vom Untersucher vorgegebene Körperhaltung trotz z.T. ausgeprägt unbequemer Position über einen Zeitraum beibehält.
→ D) Negativismus: Der Patient führt eine gegenteilige Bewegung bzw. Handlung durch, die von ihm gefordert wurde. Der Negativismus wird nochmals unterteilt in:
→ Aktiver Negativismus: Es wird eine gegenteilige Bewegung oder Handlung von dem durchgeführt, was erwartet oder verlangt wurde.
→ Passiver Negativismus: Nicht-Ausführung von Erwartetem bzw. Verlangtem.
→ E) Haltungsstereotypien: Verharren in einer bestimmten Position über einen längeren Zeitraum. Im Gegensatz zur Katalepsie wird die Haltung auch beim Versuch, diese zu ändern, beizubehalten.
→ 2) Katatone Hyperkinesien: Hierzu zählen u.a.:
→ A) Katatone Erregung: Starke psychomotorische Unruhe bis hin zum ungeordneten Erregungssturm = katatoner Raptus.
→ B) Bewegungs-/ Sprachstereotypien: Es zeigen sich repetitive Bewegungsabläufe bzw. unsinniges Wiederholen einzelner Worte oder Sätze.
→ C) Befehlsautomatismen: Automatisches Befolgen von Anweisungen.
→ D) Echolalie: Automatisches zwanghaftes Wiederholen von Gehörtem ohne inhaltlichen Bezug.
→ E) Echopraxie: Automatisches und zwanghaftes Nachahmen von vorgezeigten, gesehenen Bewegungen.
→ F) Manierismus: Sonderbares, bizarres Verhalten mit verschobener Gestik und Sprache.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Die Symptome sind typisch für die katatone Schizophrenie, können differenzialdiagnostisch aber auch bei der schweren Manie oder Depression (im Rahmen eines manischen bzw. depressiven Stupors) oder der dissoziativen Störung (z.B. dissoziativer Stupor) auftreten.
→ B) Aufgrund der guten und umfassenden Antipsychotikatherapie ist diese Schizophrenieform heutzutage nur noch selten nachweisbar. Die Prognose ist eher günstig, ausgenommen davon sind insbesondere sehr jungen Patienten.
→ C) Komplikation: Eine sehr seltene, aber lebensbedrohliche Komplikation der katatonen Schizophrenie ist die fibrile perniziöse Katonie.
→ IV: Undifferenzierte Schizophrenie: Die Diagnose einer undifferenzierten Schizophrenie kann gestellt werden:
→ 1) Wenn die allgemeinen Kriterien eine Schizophrenie bestehen, jedoch das klinische Bild nicht genau der hebephrenen -, katatonen - oder paranoiden Schizophrenie zugeordnet werden kann.
→ 2) Wenn das Krankheitsbild klinische Charakteristika aus mehr als einer Unterform ausweist.
→ 3) Die Diagnose der undifferenzierten Schizophrenie sollte zurückhaltend gestellt werden.
→ 4) Differenzialdiagnostisch ist sie z.T. sehr schwierig von der postschizophrenen Depression oder dem schizophrenen Residuum abzugrenzen.
→ V: Schizophrenes Residuum: Das schizophrene Residuum findet man meist im Verlauf einer oder mehrerer schizophrenen Psychose und ist gekennzeichnet durch eine ausgeprägte Negativ-Symptomatik. Die Diagnose eines schizophrenen Residuums wird nach ICD-10 bei folgenden Kriterien gestellt:
→ 1) Klinik: Initial charakteristische Symptome sind:
→ A) Meist nur Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen.
→ B) Persönlichkeitsveränderungen mit sozialer Kontaktschwäche, affektiver Nivellierung (= Affektverflachung).
→ C) Depressive Verstimmung und
→ D) Hypochondrische Beschwerden.
Im weiteren Krankheitsverlauf entwickeln sich dann zumeist schwere Residualsymptome mit:
→ A) Iimmenser Einengung des Interessen und massiver Antriebslosigkeit.
→ B) Verminderung der Sozialkontakte bis hin zum autistischen Rückzug (= Autismus).
→ C) Massive affektive Verarmung und schwere Vernachlässigung der Körperpflege.
Das schizophrene Residuum kann zeitlich begrenzt sein, z.B. das zeitliche Intervall zwischen akuter Krankheitsphase und vollständiger Remission. Meist jedoch manifestiert sich ein über Jahre bestehender kontinuierlicher Krankheitsverlauf.
→ Klinisch-relevant: Zudem unterscheidet man beim schizophrenen Residuum zwischen einem:
→ A) Reinen Residuum: Hierbei findet man ein chronisches Bestehen der Negativsymptomatik und einem
→ B) Gemischten Residuum: Davon spricht man, wenn neben der Negativsymptomatik ein chronisch persistierende mäßige Positivsymptomatik besteht.
→ VI: Postschizophrene Depression: Von einer postschizophrenen Depression spricht man, wenn nach einer akuten Schizophrenie eine depressive Episode auftritt, bei der die schizophrene Symptomatik in den Hintergrund tritt, aber noch positive und/oder negative (gerade die Negativ-Symptome) z.T. vorhanden sind. Die Diagnose der postschizophrenen Depression kann nach ICD-10 gestellt werden:
→ VII: Schizophrenia simplex: Hierbei handelt es sich um eine Schizophrenie mit einem langsamen, symptomarmen Verlauf. Sie wird auch als blande Psychose bezeichnet.
→ 1) Klinik: Im Vordergrund der klinischen Symptomatik steht eine progrediente Wesensveränderung mit Entwicklung von Negativ-Symptomem und eine verminderter Leistungsfähigkeit, die im Krankheitsverlauf zu einer Desintegration mit sozialer Isolation (beruflicher und gesellschaftlicher Abstieg) führt.
→ 2) Diagnose: Die Diagnose der Schizophrenia simplex kann nach ICD-10 gestellt werden, wenn ausgeprägte Negativ-Symptome bestehen ohne vorherige Manifestation einer Positivsymptomatik.
→ 3) Prognose: Zumeist sehr schlecht; zwar weist die Schizophrenia Simplex initial einen langsamen, blanden Verlauf auf, jedoch ist dieser immer chronisch progredient.
→ VIII: Zönasthetische Schizophrenie: Sie stellt eine Sonderform der Schizophrenie dar und ist durch ihrer typische Symptomatik, bestehend aus zönästhetischen Körpermissempfindungen und Leibhalluzinationen, gekennzeichnet:
→ 1) Klinik: Im Vordergrund stehen Zönästhesien und Leibhalluzinationen verbunden mit motorischen, sensorischen und vegetativen Symptomen. Positivsymptome wie Wahn und Halluzinationen treten nur passager auf.
→ 2) Verlauf/Prognose: Die zönästhetische Schizophrenie weist ein langsames uncharakteristisches Prodromi auf, ist jedoch in ihrem Verlauf chronisch progredient mit Ausbildung von Residualzuständen.