→ Definition: Bei der hebephrenen Schizophrenie handelt es sich um einen Subtyp der Schizophrenie, bei der insbesondere Störungen des Affektes, formalen Denkens und Antriebes im Vordergrund stehen. Das klinische Bild ist durch eine läppische evtl. aber auch apathische Grundstimmung geprägt.
→ Epidemiologie:
→ I: Die hebephrene ist neben der paranoiden-halluzinatorischen Schizophrenie ein häufigerer Subtyp der Schizophrenie; die Lebensprävalenz liegt bei 0,1% in der Allgemeinbevölkerung.
→ II: Der Manifestationsgipfel liegt zumeist in bzw. kurz nach der Pubertät zwischen dem 15.- 25. Lebensjahr.
→ Ätiologie: Wie bei den anderen Schizophrenie-Subtypen stellt die Genese ein multifaktorielles Geschehen dar.
→ I: Genetische Faktoren: Es besteht eine familiäre Disposition; so liegt die Erkrankungswahrscheinlichkeit bei Kindern eines erkrankten Elternteils bei 9,5% und die Konkordanzrate bei eineiigen Zwillingen bei bis zu 50%.
→ II: Neurobiologische Faktoren: Es wird eine Dysbalance insbesondere des dopaminergen und serotonergen Systems diskutiert.
→ II: Prä-/perinatale Komplikationen: Infekterkrankungen während der Schwangerschaft, Suchterkrankungen der schwangeren Frau oder Hypoxie unter der Geburt.
→ III: Psychosoziale Faktoren: Psychosozialer Stress, Überprotektion, rigides Elternhaus etc. werden angenommen.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Die Patienten fallen häufig durch ein plötzliches Versagen in der Schule auf und ziehen sich von Freunden und der Familie zurück.
→ B) Nicht selten sind prämorbide Persönlichkeitszüge wie Einzelgängertum, Scheu und Schüchternheit eruierbar.
→ Klinik: Zumeist zeigt sich ein schleichender Beginn mit uncharakteristischen somatischen Beschwerden, deutlich eingeschränkter Leistungsfähigkeit und rascher Entwicklung von Negativsymptomen.
→ I: Das Vollbild der hebephrenen Schizophrenie ist durch eine charakteristische Symptomtrias gekennzeichnet. Hierzu zählen:
→ 1) Affektstörungen: (= inadäquater Affekt) Mit Affektverflachung und zumeist läppischem, unpassendem -, seltener apathischem Affekt sowie Verschrobenheit.
→ 2) Formale Denkstörungen: Sie äußern sich insbesondere in Form von floskelhafter Ausdrcksweise, Inkohärenz, Weitschweifigkeit, Zerfahrenheit oder bizarrer Manieriertheit der Gedanken und Sprache.
→ 3) Psychomotorische Störungen: Typisch sind Antriebsstörungen, Grimassieren, Faxen, aber auch weitere Stereotypien etc.
→ II: Weitere Symptome: Sind u.a:
→ 1) Auffäligkeit im sozialen Umgang mit flegelhaften, z.T. auch antisozialem Verhalten und Neigung rechtliche Grenzen zu überschreiten (= Delinquenz).
→ 2) Plan- und Ziellosigkeit,
→ 3) Zönästhesien und hypochondrisches Klagen.
→ 4) Frühzeitig kommt es zum sozialen Rückzug bis hin zur Isolation.
→ III: Wahnsymptome sind häufig stark fluktuierend und wechselhaft, ein systematisierter Wahn besteht zumeist nicht; auch treten Halluzinationen nur sehr selten auf.
→ Diagnose:
→ I: Im Mittelpunkt steht die Anamnese (Eigen- und Fremdanamnese) mit Eruierung des Krankheitsbeginns und der klinischen Psychopathologie mit Veränderungen des Sozialverhalten, Affektes und Beginn der Negativsymptomatik etc.
→ II: Umfangreiche neurologische und internistische Untersuchungen zum Ausschluss organischer Erkrankungen.
→ III: Bildgebende Verfahren mit cCT/MRT mit möglichem Nachweis einer diskreten Hirnatrophie bei erweiterten äußeren und inneren Liquorräumen.
→ Differenzialdiagnose: Von der hebephrenen Schizophrenie müssen insbesondere nachfolgende Störungen abgegrenzt werden:
→ I: Drogenmissbrauch mit Cannabis, Amphetaminen oder Halluzinogenen.
→ II: Hirnorganisch bedingte Psychosen, aber auch kindliche bzw. jugendliche Entwicklungsstörungen (z.B. Asperger-Syndrom, Kanner-Syndrom, etc.).
→ III: Selektiver Mutismus.
→ IV: Schizotype Persönlichkeitsstörung.
→ V: Schizophrenes Residuum und nicht zuletzt
→ VI: Schizoaffektive Psychosen, insbesondere wenn bei der klinischen Symptomatik ein depressiver Aspekt besteht.
→ Therapie: Gerade bei der Erstmanifestation der hebephrenen Schizophrenie ist eine stationäre Behandlung indiziert.
→ I: Konservative Therapie:
→ 1) Psychoedukation: Ziel ist die umfangreiche Aufklärung des Patienten und der Angehörigen über die Erkrankung zur:
→ A) Stärkung der Patientencompliance,
→ B) Reduktion der bestehenden Ängste und
→ C) Aufbau von Copingstrategien (= Bewältigungsstrategien).
→ 2) Soziotherapie: Dient dem Aufbau von sozialen und beruflichen Kompetenzen und umfasst die Tagesstrukturierung, Freizeitgestaltung mit Kunst- und Musiktherapie und die Einbeziehung der Angehörigen, um eine ausreichende Lebensqualität für den Patienten zu erhalten bzw. zu stabilisieren.
→ II: Medikamentöse Therapie:
→ 1) Im Mittelpunkt der medikamentösen Behandlung steht die Substitution von atypischen Neuroleptika, da sie einen besseren positiven Effekt auf die Negativ-Symptome haben. Substituiert werden u.a:
→ 2) Bestehen ausgeprägte depressive Zustände mit Antriebs- und Interessenverlust, apathischer Grundstimmung etc. sollte die gleichzeitige Applikation eines Antidepressivums vom SSRI-Typ wie z.B. Citalopram in einer Dosierung von 20-40mg/d erfolgen.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Aufgrund der häufig geringen bis fehlenden Krankheitseinsicht des Patienten ist oftmals ein Depot-Antipsychotikum indiziert.
→ B) Besteht eine medikamentöse Therapieresistenz sollte die Gabe von Clozapin erwogen werden.
→ C) Die Anwendung einer Elektrokonvulsionstherapie ist zumeist unwirksam.
→ Prognose:
→ I: Die hebephrene Schizophrenie weist infolge der frühzeitig einsetzenden Negativsymptomatik, dem chronischen Verlauf mit einer zumeist fehlenden Remission und der häufig nachweisbaren medikamentösen Therapieresistenz einen prognostisch ungünstigen Verlauf auf.
→ II: Häufig ist die Unterbringung des Patienten in eine Langzeiteinrichtung indiziert.