Definition: Beim Thoracic-outlet-Syndrom handelt es sich um einen durch intermittierende oder permanente Kompression des Plexus brachialis sowie der A. und/ oder V. subclavia beim Verlassen der oberen Thoraxaperatur (1. Rippe, Klavikula und M. scalenus anterior) verursachten Symptomkomplex.

Epidemiologie:

→ I: Das Thoracic-outlet-Syndrom tritt meist zwischen dem 30.-50. Lebensjahr auf, wobei Frauen etwas häufiger als Männer betroffen sind; es ist jedoch mit 1/1000000 Einwohner ein sehr seltenes Krankheitsbild.

II: Es tritt vermehrt bei bestimmten Berufsgruppen (z.B. Maler, Gewichtheber, etc.) infolge der extremen Beanspruchung der Schulter-Arm-Regionen auf.

 

Pathogenese:

→ I: Im Bereich der oberen Thoraxaperatur muss das Gefäß-Nerven-Bündel (Plexus brachialis, A. und V. subclavia) 3 bestehende Engstellen passieren.

→ II: Hierzu zählen:

→ 1) Skalenuslücke,

→ 2) Kostoklavikularraum und der

→ 3) Korakoklavikuklarraum.

566 Engstellen im Bereich der oberen Thoraxaperatur

→ III: Durch angeborene (z.B. komplette/inkomplette Halsrippe bei 0,5-1% der Bevölkerung, in 45% der Fälle bilateral angelegt) oder erworbene Veränderungen kann sich eine Kompression des Gefäß-Nerven-Bündels mit konsekutiven Symptomen (u.a. sensomotorische Störungen, poststenotische Aneurysmabildung, periphere Embolien) manifestieren. Typische Veränderungen sind u.a.: 

456 Ursachen des Thoracic outlet Syndroms

 

Klassifikation:

→ I: Halsrippensyndrom: Einengung der Gefäßnervenbündels durch eine Halsrippe (z.B. Exostose).

→ II: Skalenuslücken-Syndrom: Einengung zwischen M. scalenus anterior und medius (hintere Skalenuslücke) in Kombination mit einer zusätzlichen Halsrippe oder abnorm dicken Muskelbäuchen z.B. bei Sportlern.

 

Klinisch-relevant: Durch die hintere Skalenuslücke tritt sowohl der Plexus brachialis als auch die A. subclavia, jedoch nicht die V. subclavia. Sie verläuft in der vorderen Skalenuslücke (zwischen Klavikula und M. scalenus anterior) und wird somit nicht komprimiert.

 

 III: Kostoklavikularsyndrom: Kompression des Plexus brachialis sowie der A/V. subclavia infolge einer Engstelle zwischen 1. Rippe und Klavikula z.B. bei Kallusbildung nach medialer Klavikulafraktur.

IV: Hyperabduktionssyndrom: (= Pectoralis-minor-Syndrom) Kompression des Armplexus sowie der A./V. axillaris innerhalb der Lücke zwischen M. pectoralis minor und Processus coracoideus durch maximale Elevation des betroffenen Arms.

 

Klinik: (in bis zu 90% der Fälle verläuft es asymptomatisch)

→ I: Neurologisch: Durch Schädigung des Plexus brachialis:

→ 1) Lokal: Anfänglich intermittierende Schmerzen im Schulterbereich mit Ausstrahlung in Schulterblatt, zervikal oder in die Brust; im weiteren Krankheitsverlauf rasche Ermüdbarkeit, Parästhesien und Taubheitsgefühl in Arm und Hand (oftmals im Versorgungsgebiet des N. ulnaris C7-C8 und des N. cutaneus antebrachii medialis).

→ 2) Auslösung bzw. Beschwerdezunahme (Kribbelparästhesien) unter Belastung, die einige Minuten nach Beendigung noch anhalten (= Release Phänomen).

→ 3) In der Spätphase Entwicklung von motorischen Ausfällen (Paresen) und charakteristische Atrophie von Thenar und M. interosseus dorsalis I.

→ II: Vaskulär: Durch Kompression der A. subclavia:

→ 1) Kältegefühl, Zyanose der Hand bei Elevation des Arms, Pulsverlust der A. radialis,

→ 2) Weitere Symptome können poststenotische Aneurysma-Bildung mit konsekutiver Thrombosebildung sowie möglichen embolischen Verschlüssen der Fingerarterien und Zeichen eines Raynaud-Syndrom sein.

→ 3) Eine mögliche, jedoch sehr seltene Komplikation ist die Entwicklung einer arteriellen Embolie.

455 Charakteristische Symptome des Thoracic Outlet Syndroms

 

  Klinisch-relevant:

→ A) Die Kompression der Vena subclavia wird als Thoracic-inlet-Syndrom bezeichnet; es entwickelt sich oftmals im Zuge des kostoklavikulären Syndroms und weist folgende klassisch-klinische Beschwerden auf: 

→ 1) Schweregefühl,

→ 2) Zyanose und

→ 3) Schwellung der Hände sowie

→ 4) Schmerzen.

B) Ein thrombotischer Verschluss der V. subclavia (V. axillaris) stellt das Paget-von-Schroetter-Syndrom dar.

 

Diagnose:

→ I: Anamnese/ klinische Untersuchung:

→ 1) Auskultation über der Supraklavikulargube mit evtl. Nachweis von Stenosegeräuschen.

2) Provokationstest:

→ A) Adson-Test: Verlust des Radiuspulses nach tiefer Inspiration und gleichzeitiger Drehung und Reklination des Kopfes zur erkrankten Seite.

→ B) Hyperabduktionstest nach Wright: Kontrolle des Pulsstatus (Pulsverlust) bei 180° abduziertem (eleviertem) und außenrotiertem Arm.

C) Lasegue-Test des Arms: Schmerzprovokation des abduzierten und retroflexierten Arms bei gleichzeitiger Neigung des Kopfes zur kontralateralen Seite. (Siehe Erb-Test).

 → D) Roos-Manöver: Bei nach hinten gezogenen Schultern und Anhebung der Ellenbogen auf Schulterhöhe, wird der Patient angehalten repetitive Faustschlüsse über einen Zeitraum von 2 min durchzuführen. Manifestiert sich anschließend ein Kribbelgefühl in den Händen stellt dies einen Hinweis für ein thoracic outlet-Syndrom dar.

II: Röntgen: Komplettiert wird die Diagnose durch eine Thorax-Röntgenaufnahme (Darstellung  einer evtl. Halsrippen) bzw. der HWS in 4 Ebenen (von vorne, der Seite sowie jeweils schräg seitlich).

III: Weitere Untersuchungsverfahren: Sind:

1) Messung der Ulnaris-Leitungsgeschwindigkeit und

2) Phlebographie/ Duplexsonographie zur Darstellung eines Gefäßaneurysmas bzw. eines kompletten Verschlusses der A. subclavia beim Adson-Test (Provokationsmanöver).

 

Differenzialdiagnose: Von dem Thoracic-Outlet-Syndrom müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:

→ I: Degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule, evtl. zervikales Wurzel-Syndrom (C8-Th1 betreffend).

→ II: Inserationstendopathien,

→ III: Neurologische Systemerkrankung wie die MS.

→ IV: Vaskuläre (autoimmunologische) Erkrankungen wie das Paget-von-Schroetter-Syndrom (= Thrombose der V. subclavia) oder Takayasu-Arteriitis (= Verschluss der A. subclavia bzw. des Aortenbogens).

→ V: Weitere Erkrankungen: Wie u.a.:

→ 1) Karpaltunnel-Syndrom (N. medianus).

→ 2) Loge-De-Guyon-Syndrom (N. ulnaris).

→ 3) Paraneoplastisch bei Plasmozytom oder aber auch im Rahmen eines Pankoast-Tumors mit Nervenkompression, etc.

 

Therapie:

→ I: Konservativ: Zunächst erfolgt eine konservative Therapie in Form von Wärmeanwendungen, Massagen und aktivem Muskelaufbau zur Stärkung der Schultermuskulatur, Dehnung der Skalenus- und Pektoralismuskulatur und zur Vermeidung von Haltungsanomalien (Physiotherapie über mehrere Monate).

II: Operativ:

→ 1) Bei ausgeprägten neurologischen und/oder vaskulären Symptomen ist zur Beseitigung der Engstelle eine operative Therapie indiziert.

2) Nach transaxillärem Zugang wird je nach Ursachen die komplette 1. Rippe (= transaxilläre Exartikulation der 1. Rippe nach Atkins) bzw. die Halsrippe reseziert oder der M. scalenus anterior durchtrennt.