→ Definition: Beim Boerhaave-Syndrom handelt es sich um eine spontane Ösophagusruptur (aller Wandschichten) meist nach fociertem, explosionsartigem Erbrechen. Es stellt die Maximalvariante des Mallory-Weiss-Syndrom dar und ist immer ein chirurigischer bzw. intensivmedizinischer Notfall.
→ Epidemiologie:
→ I: Das Boerhaave-Syndrom stellt eine sehr seltene Erkrankung dar; vorwiegend sind Männer nach dem 40. Lebensjahr betroffen.
→ II: Die Ruptur ist meist oberhalb der Kardia (supradiaphragmal), an der ösophagealen Hinterwand links (vertikal), mit einer Länge von 2-6cm, lokalisiert.
→ Ätiologie: Akuter longitudinaler Einriss aller Wandschichten (2-12cm; suprakardial lokalisiert) des distalen Ösophagus nach plötzlicher, massiver ösophagealer Druckerhöhung durch:
→ I: Erbrechen (häufig nach Alkoholexzessen), sehr selten nach
→ II: Husten und
→ III: Defäkation etc.
→ Pathogenese: Die Genese des Boerhaave-Syndrom ist noch nicht genau geklärt; sie steht zumeist jedoch im direkten Zusammenhang mit heftigem Erbrechen (= intraluminales Barotrauma). Man geht davon aus, dass nicht der absolute Druck sondern vielmehr der Durchanstieg pro Zeiteinheit entscheidend ist.
→ Klinik:
→ I: Nach starkem Erbrechen zeigen sich insbesondere Symptome mit Dysphagie, plötzlich auftretendem retrosternalem bzw. epigastrischem Vernichtungsschmerz und möglicher Ausbildung eines Haut- oder Mediastinalemphysems (30%) auf Höhe des Jugulums. Diese Symptomkonstellation wird als Mackler-Trias bezeichnet und wird in 25% der Fälle beobachtet.
→ II: Evtl. Dyspnoe, Tachypnoe, Zyanose und Entwicklung einer Sepsis bzw. Schocksymptomatik.
→ Komplikationen: Im weiteren Krankheitsverlauf erhöhte Gefahr der Ausbildung einer Mediastinitis mit Zeichen einer Sepsis.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese (heftiges Erbrechen) und klinische Untersuchung.
→ II: Röntgen-Thorax/Thorax-CT: Frühzeitige Gabe eines wasserlöslichen Kontrastmittels mit Übertritt des Gastrografins ins Mediastinums zum radiologischen Nachweis der Ruptur stellt das diagnostische Verfahren der 1. Wahl dar.
→ III: Endoskopie: Zur genauen Lokalisation der Ruptur.
→ Klinisch-relevant: Die endoskopische Untersuchung kann das Krankheitsbild durch iatrogene Manipulation und evtl. Austritt von Luft und Schleim in das Mediastinum verschlechtern.
→ Differenzialdiagnose: Vom Boerhavve-Syndrom müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
→ I: Perforation eines Ulcus ventriculi/Ulcus duodeni; aber auch die akute Pankreatitis oder Cholezystitis sind vom Boerhaave-Syndrom abzugrenzen.
→ II: Spontanpneumothorax,
→ III: Kardiale Erkrankungen: Wie Myokardinfarkt, Lungenembolie, Aortendissektion, etc.
→ Therapie: Jede spontane Ösophagusruptur stellt immer eine chirurgische Notfallsituation dar.
→ I: Operative Therapie:
→ 1) Transabdominaler Zugang mit primärer Übernähung der Ösophagusruptur (innerhalb der ersten 6 bis maximal 12 Stunden nach dem Ereignis) und nachfolgender Deckung durch eine Fundoplicatio oder das Omentum majus. Anschließend erfolgt die Anlage einer Saugspüldrainage ins Mediastinums.
→ 2) Bei länger zurückliegender Ruptur ist eine Diskontinuitätsresektion des Ösophagus indiziert. Hierbei wird die Speiseröhre reseziert, eine kollare Speichelfistel und ein Gastrostoma angelegt. Gleichzeitig erfolgt eine Drainierung des Mediastinums.
→ II: Begleitmaßnahmen: Nahrungskarenz, parenterale Ernährung sowie breitbandantibiotische Abdeckung mittels:
→ 1) Clindamycin 600mg i.v.
→ 2) Metronidazol (Clont) 2x 500mg i.v. oder
→ 3) Ceftriaxon (Rocephin) 2g i.v.
→ Prognose: Sie ist abhängig von Diagnosestellung und dem Zeitpunkt der OP:
→ I: Bei sofortiger Notfalloperation ist die Prognose nicht günstig (Letalität bis 50%).
→ II: Bei verschleppten Fällen infolge einer Mediastinitis schlecht mit hoher Letalität (bis zu 100%).