Definition: Beim VIPom handelt es sich um einen neuroendokrinen Tumor, überwiegend im Bereich des Pankreas, der mit der Produktion des vasoaktiven intestinalen Polypeptids einhergeht und insbesondere durch die klinischen Symptome wässrige Diarrhö, Hypokaliämie, Achlorhydrie und Dehydratation gekennzeichnet ist.

 

Epidemiologie:→ I: Das VIPom ist ein sehr seltener, zumeist bei Diagnosestellung (60-80%) metastasierter Tumor und macht 5% der funktionellen Pan-NET aus. 

→ II: Frauen sind etwas häufiger als Männer betroffen (M : F = 2 : 3), wobei der Manifestationsgipfel zwischen dem 40.-60. Lebensjahr liegt.

→ III: Gelegentlich kann die zumeist (80%) maligne Neoplasie auch extrapankreatisch auftreten:

→ 1) Im Erwachsenenalter als VIP-produzierende Phäochromozytom.

→ 2) Im Kindesalter als extraadrenale Ganglioneurome oder Neuroblastome.

3) Paraneoplastisch bei z.B. Plasmozytomen, kleinzelligem Bronchialkarzinom, etc.

 

Pathophysiologie:

→ I: Die typisch wässrige Diarrhö beim VIPom wird durch das vasokative intestinale Polypeptid hervorgerufen. VIP stimuliert insbesondere die Pankreas-, Gallen-, intestinale Chlorid- und Wassersekretion. Zudem steigert es die intestinale Motilität.

→ II: Weitere Effekte: Des VIP sind u.a.:

→ 1) Die charakteristische Hypokaliämie wird zum einen durch den passiven Kaliumverlust in das Darmlumen (als Folge der gesteigerten Wassersekretion), zum anderen durch den direkt stimulierenden Effekt über die cAMP-vermittelte K-Ausschüttung in das Kolonlumen verursacht.

→ 2) Die Achlorhydrie ist direkt auf die inhibitorische Wirkung von VIP auf die Magensäure zurückzuführen.

 

Morphologie: Makroskopisch ist das VIPom typischerweise im Pankreaskopf bzw. -schwanz lokalisiert (sehr selten im Nebennierenmark, Lunge, Ösophagus, Jejunum, Retroperitoneum), weist eine Größe von 2-7 cm auf und häufig solitär auf. Mikroskopisch zeigt es eine trabekuläres Muster sowie Tumorzellen mit einer atypischen Granula. Immunhistochemisch ist neben dem vasoaktiven intestinalen Polypeptid zumeist noch das pankreatische Polypeptid nachweisbar.

 

Klinik: Charakteristische klinische Symptome des VIPoms sind insbesondere:

→ I: Persistierende wässrige Diarrhö (1-3 l/d), die auch während einer Fastenperiode nicht sistieren und z.T. zu erheblichem Gewichtsverlust führt.

→ II: Elektrolytverlust (insbesondere Hypokaliämie) mit z.T. neurologischen und psychischen Ausfällen, Nierenversagen und Kardiomyopathie.

→ III: Weitere Symptome: Sind u.a.:

→ 1) In bis zu 50% der Fälle manifestiert sich eine diabetische Stoffwechsellage.

→ 2) In bis zu 20% ist eine Flush-Symptomatik eruierbar.

1312 Erhöhte Serumspiegel des vasoaktiven pankreatischen Polypeptids

 

Diagnose: Es können Monate bis Jahre vom Zeitpunkt der ersten Symptome bis zu Diagnosestellung vergehen:

→ I: Labor:

→ 1) Die Serum-VIP-Konzentration liegt meist deutlich > 200 pg/ml beim nüchternen Patienten.

→ 2) Alle Patienten weisen eine Hypokaliämie (häufig < 2,5 mmol/l), viele zusätzlich eine Hypochlorhydrie und Hyperkalzämie auf.

II: Das Stuhlvolumen liegt bei 1-3 l/d. Ein Stuhlvolumen < 700g/d oder eine Steatorrhö machen das VIPom unwahrscheinlich.

→ III: Bildgebende Verfahren: Tumorlokalisation mittels CT, MRT und Endosonographie.

 

Differenzialdiagnose: Insbesondere muss der primäre Hyperparathyreoidismus im Rahmen einer MEN-I mit konsekutiver Hyperkalzämie ausgeschlossen werden.

 

Therapie: Nicht selten ist bei den VIPom Patienten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung (bei bestehender Metastasierung) eine kurative operative Therapie nicht mehr möglich.

I: Eine Heilung erfolgt nur mittels vollständiger Tumorexstirpation (bei Schwanz- oder Korpustumoren Schwanz- oder Linksresektion, bei Kopftumoren eine Pankreatoduodenektomie). Insbesondere bei großen Neoplasien und Versagen der medikamentösen Therapie kann eine chirurgische Tumormassenreduktion indiziert sein.

→ II: Medikamentöse Therapie:

1) Ausgleich des Flüssigkeits- (> 5 l Flüssigkeit) und Elektrolytverlustes (Kalium > 350 mval/d) unter Überwachung.

→ 2) Stomatostatinanaloga (z.B. Octreotid 3x 50-100 µg/d) bessert die Diarrhö rasch und anhaltend (die Umstellung auf ein lang wirksames Somatostatinanaloga ist sinnvoll).

 

Klinisch-relevant: Zur Therapiekontrolle kann als Tumormarker sowohl das synthetisierte vasoaktiven intestinale Polypeptid als auch der Chromogranin-A-Spiegel herangezogen werden.

 

Prognose: In 50% der Fälle bestehen bei VIPom-Patienten zum Zeitpunkt der schon Leber- und Lymphknotenmetastasen. Die meisten Patienten versterben ein Jahr nach Diagnosestellung.