Definition: Das Glukagonom ist ein neuroendokriner (= PanNET), Glukagon produzierender Tumor, der fast ausschließlich im Pankreas (Pankreasschwanz; nur sehr selten im Duodenum) lokalisiert ist. Er geht von den Alpha-Zellen der Langerhans´schen Inseln des Pankreas aus, ist überwiegend maligne und langsam wachsend.  

Epidemiologie:

→ I: Glukagonome machen 5% der PanNET aus und stellen überwiegend maligne metastasierende Neoplasien dar (Metastasierung insbesondere in Leber, seltener in regionäre Lymphknoten, Skelettsystem und Mesenterium).

II: Der Manifestationsgipfel liegt zwischen dem 40. und 70. Lebensjahr, wobei insbesondere Frauen (M : F = 1 : 4) betroffen sind.

 

Pathologie:

→ I: Makroskopisch: Beeindrucken die Tumoren durch ihre beträchtliche Größe (4-10 cm) und sind v.a. im Bereich des Pankreasschwanzes lokalisiert.

→ II: Mikroskopische: Charakteristika des Glukagonom sind u.a.:

→ 1) Ein trabekuläres Muster,

→ 2) Histochemischer Nachweis von Gukagon und seiner Vorstufen.

→ 3) Elektronenmikroskopisch zeigt sich bei dieser Neoplasie eine kleine atypische Granula.

 

→ Klassifikation: Das Glukagonome können unterteilt werden in:

→ I: Sporadische Glukagonome: Sie machen 95% Glukagonompatienten. Sind zumeist funktionell aktive Tumoren mit der charakteristischen Symptomatik (s.u.) und

→ II: Syndromale Glukagonome: Sie sind überwiegend im Rahmen einer multiplen endokrinen Neoplasie Typ I anzutreffen und sind zumeist funktionell inaktive Tumoren. Klinisch sichtbar werden diese Neoplasien durch Kompression und Invasion und die verschiedenen Organe und Blutgefäße z.B.:

→ 1) Kompression des Duodenums mit Magenausgangsstenose,

→ 2) Kompression des Ductus choledochus mit Ikterus.

→ 3) Arrosion der Blutgefäße mit intestinalen Blutungen. 

 

Klinik:

→ I: Hierbei zeigt sich eine charakteristische klinische Symptomatik mit:

→ 1) Diarrhö wechselnd mit Phasen der Obstipation.

→ 2) Glukoseintoleranz bzw. Diabetes mellitus mit Hyperglykämien.

→ 3) Ausgeprägter Gewichtsverlust und

→ 4) Normochrome normozytäre Anämie.

→ II: Weitere Symptome: Sind insbesondere:

→ 1) Kutane neoplastische Symptomatik mit einem nekrolytischen migratorischen Erythem, aber auch

1317 Charakteristika des Erythema necrolyticans migrans

→ 2) Schmerzhafte atrophische Glosstitis, Stomatitis und Mundwinkelrhagaden mit der Gefahr der Superinfektion sowie

→ 3) Ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Thrombosen (z.B. TVT) sowie psychische Veränderungen.

 

Diagnose: Die Diagnose des Glukagonom wird überwiegend klinisch gestellt.

→ I: Labor: Bestimmung der Glukagon-Konzentration im Serum. Hierbei sind die Glukagon-Konzentrationen deutlich erhöht (> 50 pmol/l).

→ 1) Bei einigen Patienten lassen sich weitere Sekretionsprodukte wie Chromogranin oder das pankreatische Polypeptid nachweisen.

→ 2) Weitere laborchemische Veränderungen sind u.a. Glukoseintoleranz bzw. Diabetes mellitus, normochrome, normozytäre Anämie sowie eine Hypoaminoazidämie.

→ II: Bildgebung: Da der Tumor zumeist zu Diagnosestellung > 3cm ist, reicht oftmals die Darstellung mittels Sonographie oder CT. Bei sehr kleinen Tumoren kann gegebenenfalls eine Arteriographie indiziert sein.

→ III: Für die Erfassung von Fernmetastasen ist die Octreotid-Szintigraphie nützlich.

 

Differenzialdiagnose: Vom Gukagonom müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden; hierzu zählen u.a.:

→ I: Benigne familiäre Hyperglukagonämie mit z.T. auch deutlich erhöhten Serumglukagon-Konzentrationen.

→ II: Gering erhöhte Gukagon-Konzentrationen manifestieren sich u.a. bei

→ 1) Nierenversagen,

→ 2) Diabetes mellitus und

→ 3) Chronischer Mangelernährung.

1316 Gastroenteropankreatische Neoplasien und ihre Differenzialdiagnose

 

Therapie: Da zur Diagnosestellung der Tumor zumeist metastasiert ist, ist eine kurative Behandlung oftmals nicht möglich.

→ I: Chirurgische Therapie: Vollständige Tumorexspiration bei kurativem Therapieansatz. Aber auch unter palliativen Gesichtspunkten kann eine Operation mit Tumorresektion, Lymphadenektomie und Lebermetastasenentfernung indiziert sein. Bei multizentrischen Tumoren erfolgt eine subtotale Pankreatektomie.

→ II: Medikamentöse Therapie: Mittel der Wahl insbesondere zur positive Beeinflussung der Diarrhö und des Erythems ist das Octreotid in einer Initialdosis von 3x 100-200 µg/d. Bei Nichtansprechen der Therapie kann die Dosis auf bis zu 1500 µg/d erhöht werden. Weitere symptomatische Therapieansätze sind:

→ 1) Einstellung des Diabetes mit z.B. Sulfonylharnstoffen oder Insulin.

→ 2) Zur weiteren Therapieoption kann beim Erythema necrolyticans migrans zusätzlich noch Zink topisch oder oral sowie essentielle Aminosäuren intravenös appliziert werden.

→ 3) Des Weiteren insbesondere bei ausgeprägter Dermatitis können systemisch Glukokortikoide oder topisch Antibiotika (Tetrazyklin) verabreicht werden.

→ III: Chemotherapie: Eine Kombinationschemotherapie aus Steptozotocin und 5-Fluoruracil weist eine Ansprechrate von 63% auf; führt jedoch nicht zu einer Verbesserung der Überlebensrate.

→ IV: Leberembolisation: Beim Glukagonom kann durch Leberembolisation eine Nekrotisierung der Metastasen erreicht werden, führt aber auch nicht zu einer Verbesserung der Überlebensrate. Eine Wiederholung der Chemoembolisation ist nach 9-12 Monaten möglich.

 

Klinisch-relevant: Als Verlaufskontrolle dienen für das maligne metastasierte Glukagonom sowohl das synthetisierte Polypeptidhormon Glukagon als auch der Chromogranin-A-Spiegel.

 

Prognose: Das Gukagonom weist zwar einerseits ein refraktäres Verhalten gegenüber der Behandlung auf, andererseits wächst der Tumor sehr langsam, sodass die mittlere 5-Jahresüberlebensrate auf 10-40% geschätz wird (= mittleres Überleben 3-4 Jahre).