→ Definition: Das Alport Syndrom beschreibt eine seltene, meist X-chromosomal vererbte (seltener autosomal-rezessiv), glomeruläre Nephropathie infolge eines Defektes des Kollagen Typ-IV und ist durch eine tubulointestitielle Nephritis, Mikrohämaturie, zunehmende Niereninsuffizienz sowie eine hereditäre Taubheit und charakteristische Veränderungen der Linse gekennzeichnet.
→ Epidemiologie:
→ I: Die Prävalenz liegt bei 1/5000-1/10000.
→ II: Bei der X-chromosomal-dominant vererbt Form (Defekt des COL4A5-Gens auf Chromosom Xq22) sind meist Männer betroffen. Hierbei werden 2 Subtypen unterschieden:
→ 1) Juveniler Typ mit Entwicklung einer terminalen Niereninsuffizienz vor dem 30. Lebensjahr und
→ 2) Erwachsenentyp mit Auftreten des Terminalstadiums deutlich jenseits des 30. Lebensjahrs.
→ III: Bei weiblichen Trägern der X-chromosomalen Form zeigt sich das Alport-Syndrom in einer milderen Verlaufsform ohne Niereninsuffizienz.
→ IV: Die autosomal-rezessiv vererbt Form betrifft Frauen wie Männer gleichermaßen auch bezüglich des klinischen Krankheitsbildes.
→ Ätiologie: Die Ursache beruht auf Mutationen der Gene COL4A3, COL4A4 und COL4A5, die Proteinketten des Kollagen-IV kodieren (bei der autosomal vererbten Form in der Alpha-3-Kette). Folge ist eine strukturelle Veränderung der glomerulären Basalmembran (aufgrund einer gestörten Bildung von Kollagen Typ IV) mit anschließender Nephrosklerose.
→ Klinik:
→ I: Niere: Charakteristische Symptome sind Mikrohämaturie (mit dysmorphen Erythrozyten und Erythrozytenzylindern) seltener rezidivierende Makrohämaturie, Proteinurie, evtl. nephrotischen Syndrom (= nephrotische Verlaufsform) mit arterieller Hypertonie, einer progredienten Niereninsuffizienz und konsekutivem Anstieg Nierenretentionswerte.
→ II: Extrarenale Manifestation:
→ 1) Innenohr: Bei bis zu 50% der Betroffenen entwickelt sich in der Adoleszenz eine beidseitige Innenohrschwerhörigkeit im Mittel- und Hochfrequenzbereich, die im weiteren Krankheitsverlauf in Taubheit übergeht.
→ 2) Augen: Eine Augenmanifestation tritt in 10% der Fälle auf und betrifft überwiegend die Linse (Katarakt, Lenticonus = kegelförmige Vorwölbung der Linse) und die Retina. Die Augenbeteiligung ist bei Männer deutlich ausgeprägter als bei Frauen.
→ 3) Weitere extrarenale Manifestationen sind insbesondere periphere Neuropathie sowie Störungen der Thrombozytenfunktion (z.B. Fechtner-Syndrom).
→ Klinisch-relevant: Die Kombination aus Mikrohämaturie und Schwerhörigkeit sollte bei jungen Männer immer an ein Alport-Syndrom denken lassen.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese und klinische Untersuchung: Positive Familienanamnese, familiäre Schwerhörigkeit insbesondere bei männlichen Familienmitgliedern und Niereninsuffizienz legen die Diagnose nahe.
→ II: Die Sicherung der Diagnose erfolgt über Haut- und/oder Nierenbiopsie:
→ 1) Hautbiopsie: Vor allem bei Patienten mit X-chromosomaler Vererbung zeigt sich charakteristischerweise eine Störung des in der Haut vorkommenden Alpha-5-IV-Proteins
→ 2) Nierenbiopsie: Darstellung der charakteristisch veränderten (pathognomonisch) Basalmembran mit Verdickung, Fragmentierung und Lamellierung (Rarefizierung und Aufsplitterung der BM). Die immunfluoreszenz-mikroskopische Untersuchung ist stets negativ.
→ 3) Eine weitere sichere Diagnose bietet der Gentest (auch für die genetische Beratung bei Kinderwunsch).
→ Therapie:
→ I: Eine kausale Therapie besteht bis heute nicht, vielmehr erfolgt sie symptomatisch in Abhängigkeit vom Grad der Niereninsuffizienz.
→ II: Medikamentös: Die Gabe von ACE-Hemmern bzw. AT1-Hemmern kann durch Senkung der intraglomerulären Drücke insbesondere bei Vorliegen einer arteriellen Hypertonie die terminale Niereninsuffizienz hinauszögern. Eine Korrektur der möglichen renalen Anämie wird mittels Substitution von Erythropoetin therapiert.
→ III: Bei bestehender terminaler Niereninsuffizienz ist neben der Hämodialyse auch die Nierentransplantation eine weitere Therapieoption. Jedoch muss darauf hingewiesen werden, dass sich bei 3-4% der Transplantationspatienten mit Alport-Syndrom eine rasch-progrediente Glomerulonephritis entwickelt. Besonders betroffen sind Männer mit Taubheit und terminaler Niereninsuffizienz vor dem 30. Lebensjahr.
→ Prognose:
→ I: Männer entwickeln in fast allen Fällen eine terminale Niereninsuffizienz, bei Frauen ist dies nur selten der Fall.
→ II: Nach einer Nierentransplantation kommt es in 5% der Fälle zum Auftreten von Anti-g-BM-Antikörpern.