→ Definition: Der Pseudotumor cerebri stellt ein Krankheitsbild dar, dass gekennzeichnet ist durch:
→ I: Einen erhöhten intrakraniellen Druck ohne nachweisbare fokale Läsion wie z.B. einen Tumor, Hydrocephalus occlusus oder eine Sinusvenenthrombose.
→ II: Fehlen neurologische Herdsymptome; jedoch können sich direkte Hirndruckfolgen (Stauungspapille mit möglichen Sehstörungen sowie eine druckbedingte Abducensparese) entwickeln.
→ Epidemiologie:
→ I: Die Inzidenz in Deutschland liegt bei 1-3/100000 Einwohnern, wobei das weibliche Geschlecht deutlich häufiger betroffen ist (M : F = 1 : 8).
→ II: Der Pseudotumor cerebri manifestiert sich insbesondere bei übergewichtigen Frauen im gebärfähigen Alter zwischen dem 12.-30. Lebensjahr.
→ Ätiologie: Nach der Entstehung unterschiedet man zwischen 2 Formen:
→ I: Idiopathische Form: Hierbei ist die Pathogenese bis heute noch nicht genau geklärt, jedoch wird es v.a. beim weiblichen Geschlecht, im gebärfähigen Alter und mit Übergewicht angetroffen.
→ II: Sekundäre Form: Bei der Pathogenese spielen insbesondere nachfolgende kausale Faktoren eine bedeutende Rolle:
→ 1) Endokrinologische Erkrankungen sowie metabolische Störungen.
→ 2) Hämatologische Störungen,
→ 3) Medikamenten-assoziiert (aber auch beim Absetzen einer Glukokortikoid-Therapie z.B. bei Asthma bronchiale, etc.) und
→ 4) Weitere Erkrankungen (z.B. arterielle Hypertonie).
→ Klinik:
→ I: Kardinalssymptome des Pseudotumors cerebri sind insbesondere:
→ 1) Kopfschmerzen: Manifestieren sich in 75-100% der Fälle. Sie sind pulsierend frontal oder aber auch okzipital lokalisiert und beginnen zumeist einseitig oder retrobulbär. Eine Verschlechterung der Schmerzsymptomatik wird durch physische Aktivität oder ein Valsalva-Manöver verursacht.
→ 2) Meist bilaterale Stauungspapille und
→ 3) Visusverminderung: (in 50% der Fälle) Progredient durch Vergrößerung des blinden Flecks. Zudem können evtl. episodisches Verschwommensehen von kurzer Dauer sowie Photopsien und/oder Doppelbilder auftreten.
→ II: Weitere Symptome:
→ 1) Übelkeit und Erbrechen.
→ 2) Pulsatiler Tinnitus,
→ 3) Besondere ein- oder beidseitige Abduzensparese (bei Kindern gehört die Abduzensparese zu den unspezifische Hirndruckzeichen),
→ 4) Des Weiteren evtl. unspezifischer Schwindel, kognitive Defizite und radikuläre Schmerzen.
→ III: Das Bewusstsein des Patienten ist charakteristischerweise klar.
→ Diagnose:
→ I: Die Anamnese (u.a. Medikamentenanamnese, Gewichtsentwicklung) sowie die klassisch klinische Symptomatik sind erster Hinweis auf die Diagnose.
→ II: cCT/cMRT: Typisch für den Pseudotumor cerebri sind:
→ 1) Normal weites, aber auch deutlich häufiger enges Ventrikelsystem.
→ 2) Empty-sella-Phänomen,
→ 3) Tramtrack-Zeichen: Dies kommt durch das sich mit Kontrastmittel anfärbende Ödem des N. opticus zustande.
→ 4) Prominente Opticusscheide (T2-gewichtet) infolge eines erweiterten perineuralen Liquorraums um den N. opticus.
→ 5) Ausschluss einer intrakraniellen Raumforderung oder einer Sinusvenenthrombose, etc.
→ III: Lumbale Liquordruckmessung: (in Seitenlage) Ein Liquordruck (normal < 20cm H2O) zwischen 20-25cm H2O ist v.a. bei adipösen Patienten grenzwertig; Werte > 25cm H2O sind sicher pathologisch. Der übrige Liquorbefund ist regelrecht.
→ IV: Augenärztliche Untersuchung:
→ 1) Fundoskopie: Zumeist beidseitige Stauungspapille, vergrößerter blinder Fleck und/oder Gesichtfeldeinschränkung.
→ 2) Sonographie der Optikusscheide mit Durchmesserzunahme des proximalen N. opticus von > 5,8mm Dicke.
→ Therapie:
→ I: Allgemeine Therapieprinzipien:
→ 1) Initial wichtig sind engmaschige ophthalmologische und neurologisch Verlaufskontrollen (alle 2-4 Wochen), da ansonsten ein irreversibler Visusverlust drohen kann. Die diagnostische Lumbalpunktion ist zugleich eine akut therapeutische Druckentlastung, die zudem noch den venösen Abstrom verbessert.
→ 2) Für die Langzeitprognose ist die Normalisierung des Körpergewichts erforderlich und Diät-Beratungen essenziell.
→ 3) Medikamentöse Therapie: Pharmakologisch ist eine Behandlung mit Azetazolamid in einer Dosierung von 2x 250mg/d (alternativ Topiramat 50-200mg/d) in Kombination mit einem Schleifendiuretika möglich. Bei drohendem Visusverlust kann eine hochdosierte Steroidtherapie z.B. Dexamethason überbrückend bis zur operativen Therapie verabreicht werden.
→ II: Operative Therapie: Bei Versagen der konservativen Therapiemaßnahmen und rasch-progredienter Visusminderung ist die Anlage eines lumboperitonealen (oder ventrikukoperitoneal) Shunts indiziert. Des Weiteren kann auch eine einzelne Sinusstenose durch die selektive transvenöse Platzierung eines Stents therapiert werden.