Definition: Bei der transienten globalen Amnesie handelt es sich um eine akute passagere (1-24h) Störung des Neugedächtnisses bei erhaltenem Alt- und prozeduralem Gedächtnis infolge einer vorübergehenden Funktionsstörung mediobasaler Anteile des Temporallappens, einschließlich beider Hippocampi. Sie stellt ein vollständig reversibles Krankheitsbild dar.

 

Epidemiologie: Die Inzidenz für die TGA liegt in Deutschland bei 5-10/100000 Einwohner jährlich. Der Manifestationsgipfel umfasst die 5.-7. Lebensdekade, wobei Frauen genauso häufig wie Männer betroffen sind.

 

Ätiopathogenese: Die Ätiologie ist weitestgehend noch nicht geklärt; man nimmt jedoch ein multifaktorielles Geschehen mit Störung des hippocampalen Systems an:

→ I: Venöse Stauung: Auslösung durch Anstrengung mit Vasalva-ähnlichem Atemmuster und konsekutiver Steigerung des intrathorakalen Drucks (insbesondere in Kombination mit insuffizienten Venenklappen der Vena jugularis interna).

→ II: Es besteht ein möglicher Zusammenhang zwischen transienter globaler Amnesie und Migräne, da die „ Spreading Depression“ gemeinsames pathophysiologisches Korrelat darstellt.

→ III: Assoziation mit einer passageren venösen Ischämie gedächtnisrelevanter Areale.

IV: Evtl. vorausgehendes emotional belastendes Ereignis.

→ V: Bei Patienten mit TGA ist häufiger ein persistierendes Foramen ovale eruierbar.

 

Klinik: Zumeist bestehen Triggermechanismen wie psychische wie physische Stressoren, aber auch Kälte und kaltes Wasser, die zu einer Krankheitsauslösung führen:

→ I: Akut einsetzende Neugedächtnisstörung mit voll ausgeprägter anterograder Amnesie und weniger ausgeprägter retrogrades Amnesie (hierdurch keine Speicherung neuer Gedächtnisinhalte); das Alt- und prozedurale Gedächtnis sind nicht gestört.

→ II: Desorientierung insbesondere zur Zeit und Situation bei Erhaltung der eigenen Person.

→ III: Charakteristisch hierbei ist:

→ 1) Der Patient ist wach und kontaktfähig.

→ 2) Aber auch unruhig, ängstlich, ratlos und stellt wiederholt Fragen zur Zeit und den situativen Umständen (wiederholtes Fragen: Nach " Was mache ich hier" und " Wie komme ich hierher").

→ 3) Sie sind nicht in der Lage die Gedächtnisstörungen wahrzunehmen.

→ IV: Begleitsymptome: Sind u.a.

→ 1) Leichte Kopfschmerzen, Schwindel, Benommenheit.

→ 2) Übelkeit sowie

→ 3) Vegetative Symptome: Mit Schwitzen, Blässe, Tachykardie, Polyurie und nicht zuletzt Diarrhoe.

→ V: Ein weiteres wichtiges Symptom ist das Abklingen des klinischen Bildes innerhalb von 1-24 Stunden (Mittel 6-8h; als Erstes kehrt die Merkfähigkeit zurück, anschließend sistiert die retrograde Amnesie). Für die Dauer der Episode besteht eine Amnesie.

 

Komorbiditäten: Mit der transienten globalen Amnesie sind insbesondere nachfolgende Störungen vergesellschaftet:

→ I: Migräne und Spannungskopfschmerz.

→ II: Psychiatrische Erkrankungen: Insbesondere:

→ 1) Alkoholabhängigkeit und eine

→ 2) Ängstliche Persönlichkeitsstruktur (ängstlich-vermeidende PS) insbesondere bei Frauen.

 

Diagnose: Bei Erfüllung der Kriterien der deutschen Gesellschaft für Neurologie kann die Diagnose der transienten globalen Amnesie gestellt werden:

001 Diagnosekriterien der TGA nach den Leitlinien

I: Labor: Bestimmung von Glukose und der Elektrolyten.

→ II: Bildgebung:

→ 1) MRT: Bei einem großen Anteil der Patienten lässt sich im diffusionsgewichteten MRT punktförmige Läsionen im lateralen Hippocamus 24-72h nach Störungsbeginn nachweisen.

→ 2) SPECT: Minderperfusion im Hippocamus beiderseits, z.T. auch die Neokortex und Basalganglien betreffend.

→ III: EEG: Zumeist nur unspezifisch Veränderungen; gelegentlich Theta- und Delta-Wellen in den temporalen Ableitungen.

 

Differenzialdiagnose: Von der transienten globalen Amnesie müssen insbesondere nachfolgende Krankheitsbilder abgegrenzt werden.

→ I: TIA: (= transitorische-ischämische Attacke) im Stromgebiet der A. cerebri posterior. Bei der TGA fehlen die für die TIA flüchtigen neurologischen Funktionsstörungen wie Vigilanzstörungen, Hemianopsie, Nystagmus, Dysarthrie, Ataxie, Halbseitenzeichen und Paresen.

→ II: TEA: (= Transiente epileptische Amnesie) Sie ist im Unterschied zur TGA:

→ 1) Von kurzer Dauer (< als 1 Stunde),

→ 2) Setzt zumeist beim Aufwachen nach einem epileptischen Anfall ein,

3) Tritt mit hoher Frequenz auf und

→ 4) Weist weitere diagnostische Hinweise für eine Temporallappenepilepsie (mit auffälligen EEG-Veränderungen, motorischen Anfallssymptomen etc.) auf.

III: Weitere Erkrankungen: Transiente Amnesie auch bei:

→ 1) Intoxikation und Hypoglykämie.

→ 2) Commotio cerebri,

→ 3) Initialstadium einer Herpes-Enzephalitis (häufig zusätzlich Fieber und Bewusstseinstrübung) und nicht zuletzt

→ 4) Im Rahmen von dissoziativen Störungen (meist nur retrograde Amnesie, häufig auch Desorientiertheit gegenüber der eigenen Person bzw. Biographie).

 

Therapie: Eine kausale Behandlung existiert nicht (da sich die klinische Symptomatik spontan und vollständig zurückbildet), vielmehr bestehen allgemeine supportive Maßnahmen wie z.B.:

I: Beruhigung des Patienten und seiner Angehörigen.

→ II: Aufnahme des Patienten zur stationären Überwachung bis zum Abklingen der der Symptome.

 

Prognose:

→ I: Rezidive der transienten globalen Amnesie manifestieren sich in bis zu 18% der Fälle.

II: Leichte kognitive Störungen für einige Wochen nach dem Ereignis sind insbesondere bei wiederholter TGA möglich.