→ Therapie: Im Mittelpunkt der Behandlung von dissoziativen Störungen stehen psychotherapeutische Interventionen, während pharmakologische Ansätze nur in Ausnahmefällen und symptomorientiert zum Tragen kommen. In der Behandlung dieser Störung hat sich ein phasenorientiertes Vorgehen als sehr produktiv erwiesen.
→ Therapiephasen:
→ I: 1. Therapiephase: Hierbei steht der Aufbau einer tragfähigen Patienten-Therapeuten-Beziehung, die Entwicklung eines Sicherheitserlebens sowie die Symptomreduktion im Vordergrund. Zumeist besteht erst eine Therapiefähigkeit, wenn die Symptome deutlich reduziert sind und die Motivation gefördert wurde.
→ 1) Allgemeinmaßnahmen: Zur Symptomreduktion haben sich insbesondere Maßnahmen wie die Bewegungstherapie, Entspannungsverfahren (z.B. progressive Muskelrelaxation), Biofeedback und nicht zuletzt soziotherapeutische Interventionen etabliert.
→ 2) Verhaltensverfahren: Sie dienen dem Aufbau von Sicherheitserleben und stellten Alternativen zum Rückzug in die dissoziative Störung dar. Hierzu zählen unter anderem:
→ A) Psychoedukation und umfangreiche Aufklärung mit konsekutiver Vermittlung des Krankheitsmodells.
→ B) Identifikation der dissoziativen Symptome und Frühwarnzeichen mittels z.B. Symptomtagebüchern.
→ C) Erarbeitung der Vor- und Nachteile dissoziativer Phänomene, um deren Dysfunktionalität herauszukristallisieren mit Hilfe der Realitätsprüfung (sokratischer Dialog).
→ D) Erlernen von antidissoziativen Strategien mit konsekutiver Anwendung starker Sinnesreize (z.B. Igelball, Eis-Pack, Riechen von Ammoniak etc.) sowie die Verbesserung der Gefühlsregulation im Sinne der dialektisch-behavioralen Therapie, aber auch
→ E) Das Einstudieren weiterer alternativer Strategien (wie z.B. durch Problemlösetraining oder Training sozialer Kompetenz).
→ II: 2. Therapiephase: Bildet sich die akute Symptomatik zurück und kann der Patient die dissoziativen Symptome besser kontrollieren bzw. durchbrechen, beginnt nun die 2. Phase durch Aufarbeitung bestehender Traumata und Konflikte mit dem Ziel der Reintegration abgespaltener Ereignisse. Hier haben sich insbesondere Therapieverfahren wie die kognitive Umstrukturierung, Expositionsansätze aber auch Hypnose und psychodynamische Interventionen etabliert.
→ III: 3. Therapiephase: In dieser Therapiephase stehen insbesondere die Persönlichkeitsreintegration und gegebenenfalls eine anschließende Rehabilitation im Vordergrund. Um Folgeschäden zu vermeiden, sind vor allem Physiotherapie, Entspannungsverfahren sowie soziotherapeutischer Support indiziert.
→ IV: Pharmakotherapie: Die medikamentöse Therapie der dissoziativen Störung ist vor allem nur kurzfristig (mit Vorsicht) sowie symptomorientiert (siehe Klink der dissoziativen Störungen auf körperlicher Ebene/psychischer Ebene) und wird insbesondere adjuvant als Ergänzung zur Psychotherapie eingesetzt. Wichtige Substanzen hierbei sind Antidepressiva, insbesondere vom SSRI-Typ, und die Benzodiazepine (z.B. Lorazepam 1-2mg/d), die bei massiver Angst und Erregungszuständen appliziert werden. Jedoch ist vor allem bei den anxiolytisch wirkenden Benzodiazepinen aufgrund ihres z.T. verstärkenden Effektes auf dissoziative Symptome Vorsicht geboten.
→ Klinisch-relevant: Es existiert eine Off-Lable Anwendung von Naltrexon (= Opioidantagonist) in einer Dosierung von 25-100mg/d für die Behandlung von dissoziativen Phänomenen bei der Borderline-PS bzw. Depersonalisationsstörung.
→ Verlauf/ Prognose:
→ I: Der Krankheitsverlauf der dissoziativen Störungen (Konversionsstörungen) ist durch einen plötzlichen Beginn und eine spontane Remission nach Tagen bis Wochen (evtl. auch Monaten) insbesondere bei vorangegangener psychischer Traumatisierung gekennzeichnet.
→ II: Es existieren aber auch chronisch-rezidivierende Verlaufe insbesondere bei den Konversionsstörungen (z.B. dissoziativer Bewegungsstörung und dissoziativer Sensibilitäts- und Empfindungsstörung) und der multiplen Persönlichkeitsstörung.
→ III: Persistiert die Symptomatik über eine Zeitraum von mehr als 2 Jahre, ist mit einer Spontanremission zumeist nicht mehr zu rechnen und der Prognose erweist sich als ungünstig. Es manifestieren sich bei diesen Verlaufsformen Symptom- und Syndromwechsel, insbesondere zu somatoformen Störungen und psychosomatischen Erkrankungen.