Definition: Bei den intraabdominellen Abszessen handelt es sich um eine innerhalb der Cavitas intraabdominalis gelegene Ansammlung von infiziertem (eitrigem) Material.

 

Epidemiologie: In der Regel entstehen sie in unmittelbarer Nähe von Krankheitsprozessen:

→ I: Bis heute fehlen epidemiologische Daten bezüglich der Häufigkeit von intraabdominellen Abszessen.

→ II: Bezüglich der Lokalisation sind die Abszesse insbesondere im: 

→ 1) Rechten und linken subphrenischen Raum,

2) Dem Becken und im

→ 3) Subhepatischen Raum lokalisiert.

808 Lokalisation der intraabdominellen Abszesse

 

Ätiopathogenese:

→ I: Die Mehrzahl der intraabdominellen Abszesse bilden sich aufgrund von primär intraabdominellen Erkrankungen wie vorangegangene Operationen, Trauma, Entzündungen oder Infektionen intraabdomineller Organe (z.B. Leberabszess), Hohlorganperforationen, Folgekomplikation einer Peritonitis-Therapie, etc.

→ II: Die häufigsten Bakterien, die im Abszess nachweisbar sind u.a. E. coli, Enterokokken, Enterobacter, Bacteroides fragiles, Klebsiellen Proteus, Clostridien. Bei immunsupprimierten Pattienten findet man zusätzlich noch Pseudonomas aeruginosa, Serratia marcescens und Candida albicans.

 

Klassifikation: Prinzipiell kann sich in jedem Abschnitt der Bauchhöhle ein Abszess manifestieren. Die Klassifikation erfolgt u.a. nach:

→ I: Lokalisation: 

807 Klassifikation der intraabdominellen Abszesse nach ihrer Lokalisation

→ II: Des Weiteren nach ihrer Anzahl, Ätiologie und Pathogenese:

→ 1) Solitäre und multiple Abszesse.

→ 2) Postoperative Abszesse (Nahtinsuffizienz).

→ 3) Amöbenabszesse (Leber) und

→ 4) Abszesse bei Patienten mit Morbus Crohn.

 

Klinik:

→ I: Charakteristisch für die intraabdominelle Abszesse sind uncharakteristische Schmerzen sowie Schüttelfrost und Fieber, das intermittierend und mit Spitzen von 40°C auftritt.

→ II: Weitere Symptome sind u.a. Völlegefühl, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen sowie die mögliche Entwicklung eines Ileus.

→ III: Spezifische Symptome:

→ 1) Bei subphrenischen Abszessen kommt es zur Schmerzausstrahlung in die Schulter.

→ 2) Psoas-Schmerzen bei dem M. posas aufgelagerten Abszessen.

→ 3) Schmerzen bei der rektalen Untersuchung bei perityphilitischem Abszess.

→ 4) Patienten mit intraabdominellen Abszessen sind sehr krank und weisen systemische Zeichen wie Tachypnoe, Tachykardie, etc. auf.

→ IV: Komplikationen: Jeder intaabdominelle Abszess kann ruptieren und zu einer diffusen Peritonitis führen. Des Weiteren kann insbesondere der subphrenische Abszess in die Pleurahöhle einbrechen.

810 Wichtige intraabdominelle Abszesse

 

Diagnose:

→ I: Die Erhöhung der Entzündungsparameter (Leukozytose 15000-30000/µl, CRP-Erhöhung), Fieber und ein verzögertes Ingangkommen (nach z.B. Elektiv-Eingriffen) bzw. Verschlechterung der Darmperistaltik sind klinische Hinweise für einen Abszess-Entwicklung. Auch Die Lungenfunktion ist bei ausbleibender Darmfunktion ein sensibler Hinweis für die Entwicklung eines intraabdominellen Abszesses. Weitere Indikatoren sind u.a.:

→ 1) Organdysfunktion.

→ 2) Mentale Veränderungen sowie Verwirrheitszustände.

→ 3) Sepsis, etc.

→ II: Probepunktion: Unter sonographischer Kontrolle zur bakteriellen Untersuchung. Zudem kann die gewonnene Flüssigkeit auf Bilirubin (Biliom) und Pankreasenzyme überprüft werden.

III: Bildgebung: Insbesondere zur Loksalisationsloksalistion mittels Sonographie und CT.

→ 1) Sonographie: Das sonogrpahische Bild reicht von nahezu echofreien Raumforderungen über homogen echoarme bis zu gemischt reflexreichen Herden. Des Weiteren müssen Abszessformationen innerhalb der Leber und Milz von Zysten, Kapselhämatome, zerfallenden Tumoren differenziert werden.

→ 2) CT: (MRT) dient der Loksalisation der interenterischen und pelvinen Lokalisation. Zudem kommt es computertomographisch zur Kontrastmittelanreicherung im Randbereich (= sogenannte Abszess-Kapsel) der abgegrenzten hypodensen Flüssigkeitsansammlung.

809 Beispiele intraabdomineller Abszesse

 

Therapie: Die Behandlung der intraabdominellen Abszesse wird insbesondere durch deren Ursache, Lokalisation, Ausbreitung sowie zusätzlicher

intraabdomineller Erkrankungen bestimmt und umfasst u.a.:

→ I: Interventionelle Therapie: Hierbei handelt es sich um eine perkutane Drainage unter sonographischer bzw. computertomographischer Kontrolle. Dieses Verfahren ist insbesondere Mittel der 1. Wahl bei subphrenischen, subhepatischen parakolischen Abszessen, die nahe an der Bauchdecke gelegen sind.

→ 1) Wichtige bei der Drainage-Anlage ist, dass die Drainage am tiefsten Punkt des Abszesses plaziert wird und die Entfernung von der Drainagespitze zur Haut möglichst kurz ist.

→ 2) Klinisch bewährt hat sich die zweilumige „van-Sonnenberg-Drainage“, die einen dünnen Spülkanal und einem dickerem Abflusskanal aufweist. Die Drainage kann mittels festen Führungsstab oder in der Seldinger-Technik (= Hautinzision in Lokalanästhesie) eingelegt werden; der Katheter muss kontinuierlich der mindestens 2x täglich mit physiologischer Kochsalzlösung gespült werden.

→ 3) Kontraindikationen: Kontraindikationen für die interventionelle Drainage-Anlage sind Amöbenabszesse und Echinokokkenzysten. Aber auch bei möglicher Anlage-Verletzung z.B. von Pleura, Organen (Darm) oder Gefäße sollte die perkutane Punktion unterbleiben.

→ II: Chirurgische Therapie: Die chirurgische Behandlung der intraabdominellen Abszesse stellt ein ergänzendes Verfahren dar. Im Vordergrund steht die offene chirurgische Abszessdrainage (Laparotomie); sie stellt die Behandlung der ersten Wahl dar, bei denen die Ursache der intraabdominellen Eiteransammlung mit entfernt werden sollte (Ursachenbeseitigung) z.B. bei divertikulitischem Abszess (Divertikulitis), Schlingenabszess bei Morbus Crohn, periphylitischem Abszess (Komplikation einer Appendizitis), Abszess bei postoperativer Anastomoseninsuffizienz, etc.

→ III: Medikamentöse Therapie: Eine rein medikamentöse Therapie der intraabdominellen Abszesse wird heute nur noch bei Amöben- und kleineren tuberkulösen Abszessen durchgeführt. Eine zusätzlich antibiotische Behandlung nach Antibiogramm sollte bei allen intraabdominell gelegenen Abszessen durchgeführt werden, um ein Rezidiv zu vermeiden. Bei dem zu erwartenden Keimspektrum (Peritonitis) haben sich Antibiotika-Kombinationen besonders etabliert.

→ 1) Cefotaxim + Metronidazol. 

2) Cefoxitin + Piperacillin. 

→ 3) Ciprofloxacin + Metronidazol und

→ 4) Imipenem + Gentamicin.

 

→ Prognose: Angesichts der guten bildgebenden Verfahren und den wenig belastenden therapeutischen Interventionen, insbesondere der perkutanen Abszessdrainage, ist die Letalität beim intraabdominellen Abszess drastisch gesunken und ist vor allem von Grunderkrankungen des Patienten un möglichen Abszesskomplikationen abhängig.