Definition: Bei der Echinokokkose handelt es sich um eine parasitäre (zoonotische) Infektion, die durch den Echinococcus granulosus/multilocularis ausgelöst wird. Hierbei unterscheidet man:

→ I: Zystische Echinokokkose: Hervorgerufen durch den Echinococcus granulosus (= Hundebandwurm 2-7mm lang; bestehend aus 3-6 Gliedern, Endwirt Hund oder Wolf); Nach Einwanderung der Larven in die Leber kommt es zur Bildunng von Hydatiden (= flüssigkeitsgefüllte Zysten).

→ II: Alveoläre Echinokokkose: Veruracht durch eine Infektion mit dem Echinococcus multilocularis (= Fuchsbandwurm 2-4mm lang und besteht auch aus 2-6 Gliedern, Endwirt Fuchs oder Katzen). 

 

→ Pathogenese: Wichtige Aspekte der Pathogenese der Echinokokkose beinhalten:

→ I: Infektionsweg: Der Infektionsweg erfolgt ausschließlich fäkal-oral durch Kontakt mit dem Tier bzw. Kot oder durch kontaminierte Nahrungsmittel. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch besteht nicht.

→ 1) Die Bandwürmer leben im Darm des Endwirts (Hund, Fuchs).

→ 2) Durch Aufnahme von Bandwurmeiern infolge kontaminierter Nahrungsmittel (ungewaschene Beeren, Pilze) gelangen sie in den Organismus des Zwischenwirtes (Fehlwirt).

→ 3) Die Bandwurmeier entwickeln sich im Darm zu Larven, penetrieren die Darmwand und gelangen über das Pfortadersystem in die Leber und anderen Organe (Lunge, Gehirn).

 II: Inkubationszeit:

→ 1) Zystische Echinokokkose: Die Inkubationszeit bis zum Auftreten von klinischen Symptomen kann sehr variabel zwischen einigen Monaten und vielen Jahren sein.

→ 2) Alveoläre Echinokokkose: Der Zeitraum ist deutlich länger und beträgt in der Mitte 10-15 Jahre.

→ III: Wachstumsform:

→ 1) Echinococcus granulosus: Es handelt sich zumeist um solitäre z.T. kindskopfgroße (20cm große) Zysten in Leber und Lunge mit Ausbildung einer Kapsel. Sie weisen ein verdrängendes, expansives Wachstum auf und können zum Gallengangssystem eine Verbindung haben. Für das chirurgische Vorgehen ist es von besonderer Bedeutung eine mögliche Kommunikation der Zysten mit dem Gallenwegsystem zu eruieren. Wichtige Hinweise hierfür sind z.B. Gallennachweis in der Zyste, Tochterzyste in den Gallenwegen oder der direkte Nachweis von Verbindungen bei der ERCP.

→ 2) Echinococcus multilocularis: Hierbei bilden sich kleinzystische Hohlräume ohne Kapsel aus; das Wachstum ist infiltrierend und destruierend und bei Einbruch in das Gefäßsystem ist eine Metastasierung möglich.

762 Morphologie des Echinococcus granulosus bzw.   multilocularis

 

Klinik:

→ I: Zystische Echinokokkose: Zumeist wird die Infektion symptomatisch, sobald die Zyste Druck auf das umliegende Gewebe ausübt oder ruptiert:

→ 1) Der klinische Krankheitsverlauf ist sehr variabel und von der Lokalisation der Zysten, der Größe und der Abwehrlage des Patienten abhängig. Häufige Lokalisationen der Zysten sind Leber (70%) und Lunge (20%). Allgemeinsymptome sind u.a. uncharakteristische Beschwerden im Epigastrium, gelegentlich Fieberschübe, bei Superinfektion Schüttelfrost, etc. 

2) Leberbefall: Es zeigen sich Symptome wie Druckgefühl und Schmerzen im rechten Oberbauch, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust. Bei Kompression der Gallengänge kann sich eine Cholangitis mit konsekutiven Ikterus entwickeln.

→ 3) Lungenbefall: Zumeist zeigt sich ein subklinisches Bild. Symptome wie Husten, Dyspnoe, Hämoptoe und Thoraxschmerzen treten insbesondere bei Ruptur der Blasen auf..

→ 4) Weitere Symptome: Sind abhängig von der Lokalisation wie Herz, Gehirn. Die Ruptur der Zysten führt häufig zu allergischen Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock.

II: Alveoläre Echinokokkose: Die Infektion bleibt über Jahre klinisch stumm. Meist bestehen nur unspezifische Oberbauchbeschwerden oder evtl. ein cholestatischer Ikterus. Bei Kompression wichtiger Strukturen können sich Komplikationen wie portale Hypertension, Venenverschluss und Budd-Chiari-Syndrom bis hin zur Leberzirrhose  entwickeln. Durch das infiltrative Wachstum in Nachbarstrukturen besteht die Möglichkeit zur lymphogenen bzw. hämatogenen Streuung in andere Organe (Lunge, Gehirn, Peritoneum).

763 Mögliche Komplikationen des Echinococcus cysticus

 

Diagnose: Die Diagnose der Echinokokkose wird mit Hilfe radiologischer Abklärung und laborchemischer Parameter gestellt; nicht selten ist sie eine Zufallsdiagnose bei sonographischer Untersuchung des Abdomens:

→ I: Bildgebende Verfahren:

→ 1) Sonographie: Nachweis von kugeligen, echofreien z.T. septierten Zysten und inhomogener Binnenstruktur. Verkalkungen der Wand stellen sich als dorsale Schallschatten dar. Insbesondere die alveoläre Echinokokkose weist häufig Verkalkungen auf.

→ 2) CT: Stellt bei der Diagnose der Echinokokkose die Untersuchungsmethode der Wahl dar. Die Echinokokkose cysticus ist durch eine scharf begrenzte, solitäre, rundliche Zyste dar. Im Gegensatz dazu ist die E. granulosus schlecht begrenzt mit inhomogenen Parenchyminfiltrationen und einer möglichen zentralen Nekrose.

 

 Klinisch-relevant: Eine diagnostische Punktion ist wegen der Gefahr der Streuung in die Bauchhöhle und konsekutiver Schockgefahr kontraindiziert.

 

II: Labor: Serologischer Nachweis von Antikörpern mittels ELISA, Western Blot (= mikrobiologisches Verfahren zum Nachweis von Proteinen durch Übertragung auf eine Trägermembran) und indirekte Immunfluoreszenz. Des Weiteren können parasitenspezifische IgE-AK sowie evtl. eine Eosinophilie eruiert werden.

 

→ Differenzialdiagnose: Von der Echinokokkose müssen insbesondere nachfolgende gastrointestinale Erkrankungen abgegrenzt werden:

→ I: Hepatozellulären Karzinom,

→ II: Pankreaspseudozysten

→ III: Lebermetastasen bei kolorektalem Karzinom, Magenkarzinom, etc

→ IV: Fokal noduläre Hyperplasie und nicht zuletzt 

→ V: Das Leberzelladenom, kavernöse Hämangiome, Leberabszess, intraabdominelle Abezesse und blande Leberzysten, etc.

 

Therapie:

→ I: Zystische Echinokokkose:

→ 1) Mittel der Wahl ist die operative Entfernung als Zystektomie bzw. Perizystektomie (= Entfernung der Zyste einschließlich der Wirtskapsel).

→ 2) Diese Verfahren ist nur bei kleineren an der Leberoberfläche bestehenden Zysten indiziert.

→ 3) Bei größeren Zysten hat sich die Segmentresektion bzw. die Lobektomie bewährt.

4) Bei sehr großen Zysten, die eine Leberhälfte infiltrieren, kann in Einzelfällen eine links- oder rechtsseitige Hemihepatektomie erfolgen.

→ 5) Eine Alternative stellt das PAIR-Verfahren mit 95%igem Alkohol (PAIR = Punktion-Aspiration-Injektion-Reaspiration) dar. Vor dem Verfahren muss eine biliäre Infiltration mit Ausbildung von zystobiliären Fisteln ausgeschlossen werden, um eine chemisch induzierte sklerosierende Cholangitis zu vermeiden. Eine begleitende (auch perioperativ) Chemotherapie mit Mebendazol (Vermox) Albendazol über 3 Monate ist obligat. Die Erfolgsquote liegt bei 95%.

764 Indikationen und Kontraindikationen der verschiedenen Therapieoptionen bei zystischer Echinokokkose

II: Alveoläre Echinokokkose: Aufgrund des infiltrativen Wachstums des Parasiten und der eher ungünstigen Prognose, sollte immer eine radikale chirurgische Resektion angestrebt werden:

→ 1) Ein kurativer Therapieansatz ist eine großzügige En-Bloc-Resektion des Parasitengeschwülst mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand.

→ 2) Begleitend erfolgt eine Mebendazol- (50mg/kgKG in 3 Einzeldosen/d) oder Albendazoltherapie (10-15mg/kgKG in 2 Einzeldosen/d) über mindestens 2 Jahre, um die Gefahr eines möglichen Rezidivs bzw. einer Dissemination auch noch nach Jahren zu minimieren (diesbezüglich sind auch regelmäßige Nachkontrollen über einen Zeitraum von mindestens 10 Jahre obligat).

→ 3) Bei fehlender Reserzierbarkeit infolge eines infiltrativen Wachstums oder inkompletten Resektion ist eine palliative chemotherapeutische Langzeittherapie (lebenslang) indiziert.