→ Definition: Bei den Pankreaspseudozysten handelt es sich um abgekapselte (fibrosierte Wandung) Flüssigkeitsansammlungen, verursacht u.a. durch einen Trypsin induzierten Gewebezerfall (= Autodigestion). Sie stellen eine Komplikation insbesondere der akuten - bzw. chronischen Pankreatitis dar und sind im Vergleich zu den echten Zysten nicht mit Epithel ausgekleidet.
→ Epidemiologie: Die Pankreaspseudozysten stellen die häufigste zystische Pankreas-Veränderung dar. Die genaue Inzidenz ist nicht bekannt; Sie liegt bei:
→ I: Der akuten Pankreatitis bei ca. 5-15% der Fälle,
→ II: Bei der chronischen Form wird eine Inzidenz zwischen 20-40% angenommen.
→ Ätiologie: Sie entwickeln sich meist im Zuge einer:
→ I: Akuten Pankreatitis,
→ II: Chronische Pankreatitis, gerade Alkohol-assoziiert (70%), aber auch infolge einer idiopathischen (6-16%) oder biliären Bauchspeicheldrüsenentzündung (6-8%).
→ III: Nach Pankreastrauma (strumpfe Abdominaltraumen mit Ruptur des Pankreasgangsystems oder Verletzungen des Pankreasparenchyms).
→ Pathogenese: Bei der Bauchspeicheldrüsenentzündung kann sich im Zuge einer Pankreasgangruptur (Freisetzung der Pankreasenzyme mit lokaler Autodigestion) oder durch Transsudation aus entzündlichem Pankreasgewebe eine Flüssigkeitsansammlung entwickeln. Im weiteren Krankheitsverlauf (6-8 Wochen) manifestiert sich dann allmählich eine fibröse Kapsel, bestehend aus Binde- und Granulationsgewebe.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Pankreaspseudozysten können solitär oder multipel auftreten und differieren deutlich in ihrer Größenausdehnung.
→ B) Sie sind zumeist im Bereich der Bursa omentalis lokalisiert, die praktisch ein geschlossenes Kompartiment bildet.
→ C) Eine spontane Remission ist nicht selten; die Rückbildungswahrscheinlichkeit sinkt jedoch deutlich mit der Größe (> 6cm) und der Persistenz (> 6 Wochen) der Zyste.
→ Klassifikation: Hierbei werden verschiedene Klassifikationen unterschieden:
→ I: Nach der Lokalisation:
→ 1) Intrapankreatisch: Die Zystenwand besteht aus fibrösen Pankreasgewebe.
→ 2) Extrapankreatisch: Die Zystenwand wird durch die Pankreasoberfläche oder ein Nachbarorgan (z.B. Magen-Hinterwand) gebildet. Typische Lokalisationen sind hierbei die Bursa omentalis, seltener retroperitoneal oder mediastinal.
→ II: Atlanta-Klassifikation: Hier besteht eine Unterteilung in pankreatische Flüssigkeitskollektion, akute Pseudozysten, chronische Pseudozysten und pankreatischer Abszess.
→ Klinik: Die klinische Symptomatik ist meist uncharakteristisch und stark von der Lokalisation und Zystengröße abhängig.
→ I: Es manifestiert sich u.a. Druckgefühl, diffuse Oberbauchbeschwerden, Übelkeit und Erbrechen.
→ II: Große Pseudozysten können Kompressionssymptome verursachen; hierzu zählen z.B. die Kompression des Magenausganges bzw. des Duodenums mit postprandialem Erbrechen oder bei Kompression des Ductus choledochus kann sich ein Ikterus ausbilden.
→ Komplikationen:
→ I: Fistelbildung in Nachbarorgane wie Magen, Kolon, selten auch Mediastinum und Perikard und konsekutiver Entwicklung eines Pleuraergusses oder Aszites, etc.
→ II: Gefäßarrosionen, gerade der A. lienalis und der A. gastroduodenalis mit massiven Blutungen,
→ III: Weitere Komplikationen: Schwerwiegende Komplikationen sind insbesondere:
→ 1) Milzvenenthrombose;
→ 2) Ruptur der Pseudozyste in die freie Bauchhöhle mit konsekutiver Ausbildung einer Peritonitis.
→ 3) Infektion der Pseudozysten mit Abszessbildung, Fieber bis hin zur Sepsis.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese/klinische Untersuchung:
→ 1) Alkoholabusus, akute oder chronische Pankreatitis oder stumpfes Bauchtraumata in der Vorgeschichte.
→ 2) Palpable Resistenz bei großen Pseudozysten.
→ II: Labor: Amylase im Serum erhöht.
→ III: Bildgebende Verfahren:
→ 1) Sonographie: Charakteristischerweise zeigen sich echoarme bis echofreie Raumforderungen in und um den Pankreas, die von einer verstärkt echogenen Struktur umgeben sind.
→ 2) CT/MRT: Mittel der Wahl zur präzisen Erfassung Morphologie (DD: Zystenadenom).
→ IV: Feinnadelbiopsie: Mit Zytologie und CEA-Bestimmung. Erhöhte CEA-Konzentrationen sprechen gegen eine Pseudozyste.
→ V: ERCP: Präoperativ zur exakten Beurteilung, Darstellung möglicher Pankreasfisteln, Anschluss der Pseudozysten an das Gangsystem.
→ Differenzialdiagnose: Hiervon abzugrenzen sind u.a.:
→ I: Kogenitale dysontogenetische Zysten,
→ II: Echinokokkose-Zysten,
→ III: Duktekasien infolge einer chronischen Pankreatitis.
→ IV: Zystadenome (z.B. schleimige Zystadenome, die zum Großteil maligne sind),
→ V: Zystkarzinome mit zentraler Einschmelzung.
→ Therapie:
→ I: Konservative Therapie: Abwartende Verlaufskontrolle bei Pseudozysten, die < 6cm und < 6 Wochen sind, da eine Remissionstendenz besteht.
→ Klinisch-relevant: Pseudozysten > 6cm sind prophylaktisch aufgrund möglicher Komplikationen (Infektionen, Sepsis, Gefäßarrosionen mit massiver Blutung) zu drainieren.
→ II: Interventionelle Therapie: Drainageverfahren sind u.a. Entlastungspunktion unter sonographischer Sicht, sowie die endoskopische oder transgastrale Eröffnung der Zyste und deren Ableitung in den Magen.
→ III: Operative Therapie:
→ 1) Indikation: Pseudozysten > 6cm, symptomatische Zysten, Größenzunahme der Zyste, erfolglose endoskopische Drainage, Tumorverdacht.
→ 2) Zystenresektion: In wenigen Fällen, bei guter Lokalisation (Pankreasschwanz) ist eine Resektion der Zyste möglich.
→ 3) Zystojejunostomie: Innere Drainage durch Anastomosierung der am tiefsten Punkt eröffneten Zysten mit einer Roux-Y-Schlinge (des Jejunums), um eine Entleerung zu gewährleisten. Weitere Drainage-Möglichkeiten sind Zystogastrostomie und die Zystoduodenostomie.
→ Prognose:
→ I: Bei adäquater Therapie heilt die Pseudozyste meist aus bzw. kommt es in bis zu 50% der Fälle zu einer Spontanremisson.
→ II: Die Langzeitprognose ist vor allem von der zugrundeliegenden Erkrankung abhängig.