→ Definition: Das Gastrinom wird auch als Zollinger-Ellison-Syndrom bezeichnet. Hierbei handelt es sich um eine neuroendokrine Neoplasie (Abb: Leitsymptome neuroendokriner Tumoren) des Gastrointestinal-Traktes mit vermehrter Gastrinproduktion und konsekutivem Auftreten von peptischen Ulzera.
→ Epidemiologie:
→ I: Das Gastrinom stellt eine sehr seltene Erkrankung dar; ist jedoch der 2. häufigste endokrine Tumor des Gastrointestinaltraktes.
→ II: In 75% der Fälle tritt es sporadisch auf, in 25% im Rahmen eines MEN-I-Syndroms.
→ III: Der Manifestationsgipfel liegt zwischen dem 20.-50. Lebensjahr.
→ Klinisch-relevant: In 60-70% der Fälle ist das Gastrinom maligne. In 50% findet man zum Zeitpunkt der Diagnosestellung schon Metastasen (metastasiert frühzeitig in regionäre Lymphknoten; anschließend auch in die Leber, Milz und Knochen).
→ Physiologie: Die Gastrin sezernierenden G-Zellen sind überwiegend im gastralen Antrum, aber auch im Duodenum, proximalen Jejunum sowie im geringen Umfang auch in den Inseln des Pankreas lokalisiert. Gastrin, als Hormon, entwickelt an den Geweben nachfolgende Effekte:
→ Pathogenese: Durch eine stark vermehrte Produktion und Sekretion von Gastrin und dessen molekularen Vorstufen (= Progastrine) kommt es zur vermehrten Bildung von Magensäure (HCL). Dies wiederum induziert die Entwicklung von multiplen, gerade atypisch lokalisierten Ulzerationen im Bereich des oberen GIT. Das Gastrinom, zumeist klein, kann solitär oder multizentrisch auftreten; überwiegende Lokalisationen des Gastrinoms sind vor allem:
→ I: Pankreas (in bis zu 75% der Fälle)
→ II: Duodenalwand (in bis zu 20% der Fälle),
→ III: Seltener im:
→ 1) Antrum (Magen).
→ 2) Ligamentum hepatoduodenale.
→ 3) Vor allem bei MEN-I zeigt sich eine multizentrische Lokalisation.
→ Klinik:
→ I: Refluxösophagitis sowie therapieresistente, rezidivierende, atypisch lokalisierte Ulzerationen (u.a. Ulcus ventriculi/-duodeni) im Bereich des Ösophagus, der großen Kurvatur des Magens, postbulbär oder im Jejunum aufgrund der exzessiven Gastrinproduktion (HCL).
→ II: In 50 % weisen die Patienten wässrige Diarrhoe, evtl. mit Steatorrhoe (durch irreversible Inaktivierung der Lipasen durch Magensäure) auf. Ursache ist eine säurebedingte Inaktivierung der Pankreasenzyme und eine massive Schädigung der Dünndarmschleimhaut.
→ III: Entwicklung eines Vitamin-B12-Mangels oder einer Steatorrhö (durch duodenale Säureinaktivierung der Lipase).
→ IV: Weitere Symptome: Können u.a. epigastrisches Brennen und Retrosternalschmerzen, aber auch Übelkeit und Erbrechen sein.
→ Diagnose:
→ I: Bestimmung von Gastrin basal (Nüchternwert):
→ 1) Ist die Gastrin-Konzentration >1000ng/l ist ein Gastrinom bewiesen; gleichzeitig besteht eine Hyperchlorhydrie des Magensaftes. Konzentrationen <100pg/ml schließen ein Gastrinom aus.
→ 2) Bei Gastrin-Konzentrationen dazwischen ist ein Sekretin-Test indiziert, da eine atrophe Gastritis oder eine bestehende PPI-Therapie auch zu erhöhten Konzentrationen führen kann (hierbei sollten die Protonenpumpen-Hemmer 2 Wochen vorher abgesetzt werden, ansonsten besteht die Gefahr von falsch positiven Werten).
→ II: Sekretintest: Nach Gabe von Sekretin erfolgt die Gastrinbestimmung zum Zeitpunkt 0, nach 5, 15 und 30 Minuten. Ein Anstieg von Gastrin von mehr als 100% (> 200pg/ml) ist im Gegensatz zu einer Hypergastrinämie anderer Genese wegweisend.
→ III: Lokalisationsdiagnostik: Sonographie, Endoskopie, Endosonographie, One-stop-shop-MRT (mit MRCP und Angio-MRT), Somatostatin-Rezeptor-Szintigraphie, PET-CT.
→ IV: Bei Gastrinomen im Rahmen einer MEN-I ist die gezielte Suche nach weiteren endokrinen von großer Bedeutung (u.a. Hyperplasie und Tumoren der Nebenschilddrüsen z.B. primärer Hyperparathyreoidismus, Inselzellen und/oder Hypophyse).
→ Differenzialdiagnose: Andere Ursachen für eine Hypergrastrinämie (< 500ng/l):
→ I: Reaktive Hypergastrinämie bei dauerhafter Einnahme von Protonenpumpen-Hemmern und H2-Blockern.
→ II: Chronisch-atrophische Gastritis bzw. chronische HP-Gastritis.
→ III: Magenausgangsstenose, Magenresektion.
→ Therapie:
→ I: Eine operative kurative Zielsetzung durch Resektion ist zumeist nur bei Fehlen von Metastasen möglich (in 30% der Fälle).
→ II: Bei metastasiertem Gastrinom ist das Mittel der 1. Wahl die Gabe eines Somatostatin-Analoga wie Octreotid.
→ III: Symptomatisch ist die hochdosierte Gabe von PPI (3-6-facheStandarddosis) indiziert. Innerhalb von 4 Wochen führt die medikamentöse Säure-Unterdrückung in bis zu 90% zur Besserung der klinischen Symptomatik und Abheilung der Ulzerationen.
→ IV: Lebermetastasen: Lokale Metastasenzerstörung durch Gabe von 5-Fluorouracil + Streptozotocin sowie eine Radionukleotidtherapie bei Somatostatin-exprimierenden Tumoren.
→ Prognose:
→ I: Die 10-Jahresüberlebensrate beträgt bei kurativer Zielsetzung durch radikale Resektion > 80%, nimmt jedoch bei bestehenden Lebermetastasen deutlich ab (die 5-Jahresüberlebensrate liegt > 50%, die 10-Jahresüberlebensrate bei 30%).
→ III: Duodenale - und MEN-I-Gastrinome haben eine günstigere Prognose als pankreatische.