→ Definition: Beim Korsakow-Syndrom handelt es sich um ein organisch amnestisches Syndrom, das durch Gedächtnisstörungen, Störungen der Merkfähigkeit, der Kritikfähigkeit und Desorientiertheit (gerade zu Zeit und Ort) aufgrund eines Vitamin-B1-Mangels (Thiaminmagel meist verursacht durch chronische Alkoholabhängigkeit, Mangelernährung bei exzessiver Diät etc.) gekennzeichnet ist.
→ Epidemiologie/Ätiologie:
→ I: Betrifft vorwiegend Alkoholkranke (Alkoholabhängigkeit), die einen erhöhten Bedarf an Thiamin haben:
→ 1) Zum einen aufgrund einer oftmals bestehenden Mangelernährung,
→ 2) Zum anderen wird vermehrt Thiamin zur Verstoffwechselung des Alkohols benötigt.
→ II: Thiamin: (= Vitamin B1) Dient der Nervenerregung. Fehlt Vitamin B1 kommt es zur Schädigung und Nervenzellenverlust von Hirnarealen:
→ 1) Symmetrische hämorrhagische Läsionen im Bereich des Thalamus,
→ 2) Des Hypothalamus,
→ 3) Der Corpora mamillaria
→ 4) Periaquäduktal und
→ 5) Am Boden des 4. Ventrikels.
→ III: Ursachen:
→ 1) Am häufigsten steht es im Zusammenhang mit einer alkoholtoxischen Hirnschädigung wie der Wernicke Encephalopathie (im Zusammenhang mit genetischen Faktoren), aber auch bei
→ 2) Traumatischen Hirnverletzungen (SHT) und Subarachnoidalblutungen.
→ 3) Zerebrovaskuläre Erkrankungen, wie Infarkte im Basilaris- oder Posteriorstrombahngebiet.
→ 4) Transiente-globale-Amnesie: (= TGA) Hierbei handelt es sich um ein passageres, vermutlich vaskulär bedingtes anamnestisches Syndrom, das weniger als 24 Stunden besteht.
→ 5) Infektionen (Herpes-simplex) oder
→ 6) Einer Kohlenmonoxidvergiftung.
→ Klinik: Leitsymptome des Korsakow-Syndroms sind Störungen des Sekundengedächtnis, Desorientiertheit und Konfabulationen, die typischerweise die Gedächtnislücken füllen:
→ I: Durch den Thiaminmangel entsteht eine hochgradige Störung des Kurzzeit- mit unterschiedlich ausgeprägter antero- und retrograder Amnesie, im fortgeschrittenen Stadium kann auch das Langzeitgedächtnis betroffen sein. Klinisches Korrelat ist u.a. Störungen im Bereich der Konzentration und Merkfähigkeit, etc.
→ II: Charakteristischerweise leben die Patienten in der Vergangenheit und erinnern sich nicht an kurz zurückliegende Ereignisse.
→ III: Es besteht oftmals die Neigung, Wissenslücken durch erfundene Geschichten zu füllen. Dies wird als Konfabulationen bezeichnet.
→ IV: Affektive Störungen: Wie Antriebsstörungen, Gefühlsverflachung mit häufig flach-euphorischer Stimmung, Kritikminderung und evtl. Aggressivität.
→ V: Bewusstseinsstörungen mit Desorientiertheit bezüglich Zeit, Ort und eigener Person.
→ Verlaufsformen:
→ I: Akutes, grundsätzlich rückbildungsfähiges Korsakow-Syndrom.
→ II: Chronische irreversible Verlaufsform mit einer Letalität von 15-20%.
→ Klinisch-relevant:
→ A) Typische Symptomtrias: Bestehend aus:
→ 1) Merkfähigkeitsstörungen (insbesondere das Kurzzeitgedächtnis betreffend),
→ 2) Desorientiertheit bezüglich Zeit, Ort und eigener Person,
→ 3) Konfabulationen.
→ B) Entwickelt sich meist aus einer Wernicke-Encephalopathie (oder einem Alkoholdelir) heraus.
→ Diagnose:
→ I: Anamnese: Eigen- und vor allem auch die Fremdanamnese.
→ II: Klinische Untersuchung: Störungen des Kurz- und Langzeitgedächtnisses, Konfabulationen, Folgeerkrankungen der Alkoholabhängkeit wie Polyneuropathie, Leberzirrhose etc.
→ III: Labor: Nachweis eines Thiamin-Mangels durch verminderte Transektolase-Aktivität (= Enzym, das Thiamin als Kofaktor benötig). Zudem kann Pyruvat und Laktat erhöht sein.
→ IV: Bildgebung: Im MRT zeigt sich eine Mamillarkörperatrophie, in der SPECT/PET ein frontal betonter Hypometabolismus.
→ Differenzialdiagnose: Vom Korsakow-Syndrom müssen weitere anamnestische Syndrome abgegrenzt werden:
→ I: Schweres anamnestisches Syndrom bei der Herpes-simplex-Enzephalitis (die Patienten besitzen hierbei jedoch eine deutliche Krankheitseinsicht).
→ II: Gedächtnisstörungen bei Hypoxien infolge von CO-Intoxikation, Herz-Kreislaufstillstand, etc.
→ III: Zerebrale Neoplasien wie Gliome des 3. Ventrikels und Kraniopharyngeome.
→ IV: Eine schwere Hypoglykämie kann auch zur Amnesie führen, etc.
→ Therapie: Schon bei Verdacht auf ein Korsakow-Syndrom bzw. beim Vorliegen eines Delirium tremens ist Mittel der ersten Wahl die sofortige hochdosierte parenterale Applikation von Vitamin B1.
→ I: Initial: Gabe von 100 mg langsam intravenös. Nachfolgende weitere Gabe von 1000mg Vitamin B1 innerhalb der nächsten 12 Stunden. In der darauffolgende Woche 200 mg/d als Kurzinfusion und im weiteren Verlauf 100 mg/d oral über mehrere Wochen. Insbesondere bei der intravenösen Applikation von Vitamin B1 können allergische Reaktionen auftreten.
→ II: Eine weitere wichtige therapeutische Maßnahme ist der Elektrolyt- und Flüssigkeitsausgleich.
→ Prognose: Nur in seltenen Fällen kommt es zu einer Besserung der Symptome, gerade bei der chronischen Verlaufsform ist die Prognose schlecht und verläuft dann in 15-20% der Fälle letal.