Allgemein: Eine Pharmakotherapie ist immer bei einer schweren oder psychotischen Depression indiziert. Bei leichter Depression ist die abwartende Strategie (watchful-waitung) angezeigt, da man meist von einer sich selbstlimitierenden Episode ausgeht. Ist nach 2 Wochen keine Besserung in Sicht, wird eine Psychotherapie empfohlen.

 

Medikamentöse Therapie: Ist bei leichter Depression unter strengen Abwägungen indiziert:

I: Ausdrücklicher Wunsch des Patienten

II: Mittelschwere bis schwere depressive Episode in der Vorgeschichte.

III: Gutes Ansprechen auf Antidepressiva in der Vorgeschichte.

IV: Fortbestehen von depressiven Symptomen trotz alternativer Interventionen.

 

Antidepressiva-Klassen:

→ I: Trizyklische Antidepressiva: Hierzu gehören Imipramin, Desipramin, Clomipramin, Amitriptylin, Nortriptylin, Doxepin.

II: Tetrazyklische Antidepressiva: Hierzu gehören  Mianserin und Maprotilin.

III: SSRI: Hierzu gehören: Fluoxetin, Fluoxamin, Paroxetin, Citalopram, Escitalopram und Sertalin.

IV: SNRI: Reboxetin

V: SSNRI: Duloxetin, Venlafaxin

→ VI: Weitere pharmakologische Substanzen:

→ 1) Alpha2-Antagonisten wieMirtizapin.

2) Duale-Serotonin-Alpha2-Antagonisten und Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (Trazodon)

3) Anders wirkende Substanzen wie Trimipramin und Agomelatin sowie

4) Pflanzliche Substanzen wie Johhanniskraut.

 

→ Klinisch-relevant: Die Auswahl des Antidepressivums ist von einigen Kriterien abhängig:

A) Ansprechen des AD: Wies der Patient bei einer vorherigen AD-Therapie ein gutes therapeutisches Ansprechen auf ein bestimmtes Präparat auf, sollte dieses erneut appliziert werden.

B) Patienten-Wunsch: Hat der Patient einen bestimmten Präparate-Wunsch sollte diesem, wenn keine Kontraindikationen bestehen, entsprochen werden; es verbessert der Compliance.

C) Auswahl aufgrund des Nebenwirkungsprofils

D) Prägnanztyp: Der depressiven Episode. Hierbei wird darauf geachtet, dass: 

→ 1) Bei der ängstlich agitierten Depression ein sedierendes AD wie Amytriptylin, Trimipramin, Doxepin aber auch Mirtazapin appliziert wird.

2) Bei gehemmter Depression ein aktivierendes Antidepressivum wie Desipramin, Nortriptylin, aber auch die SSRI und die MAO-Hemmern wie Moclobemid, etc. gegeben wird.

E) Internistische/neurologische Vorerkrankungen: Hierbei sollten gerade die TZA aufgrund ihrer starken anticholinergen und kardialen Nebenwirkungen nicht, sondern vielmehr die neueren SSRI wie Citalopram verabreicht werden.

F) Wechselwirkungen: Gerade bei einer Vormedikation mit anderen Medikamenten sollte aufgrund der Gefahr von Wechselwirkungen die gut verträglichen SSRI wie Citalopram und Sertalin verabreicht werden.

G) Suizidrisiko: Bei erhöhter Suizidalität sollten die trizyklischen Antidepressiva, aufgrund ihrer toxischen Wirkung bei hohen Dosen, nicht verabreicht werden.

H) Die Auswahl des Antidepressivums ist auch abhängig vom Alter des Patienten.

 

Praktischer Einsatz: der Antidepressiva

I: Vorbereitung:

→ 1) Klinische Untersuchung Labor, EKG, und EEG, um evtl. Kontraindikationen zu erfassen bzw. Ausgangswerte zu haben.

2) Aufklärung: Über das Therapieziel, die Wirklatenzzeit (von 1-2 Wochen) der AD, erwünschte Wirkung wie Sedierung und etwaige Nebenwirkungen.

3) Die Auswahl des Antidepressivums nach folgenden Kriterien:

762 Auswahlkrieterien der Antidepressiva

II: Therapiephasen:

→ 1) Aufdosierung des Antidepressivums mit stetiger Dosissteigerung unter Kontrolle evtl. Nebenwirkungen.

2) Zügiges Erreichen der therapeutischen antidepressiven Wirkung.

3) Patienten mit ängstlich-agitierten Symptomen oder bei Suizidalität ist eine zusätzliche Gabe eines sedierenden Benzodiazepins oder eines niederpotenten Antipsychotikums obligat. Die psychotische Depression erfordert zusätzliche die Gabe z.B. eines hochpotenten Antipsychotikums.

4) Bei sedierend wirkenden Substanzen wird die Hauptdosis eher abends, bei aktivierend wirkenden Substanzen eher morgens verabreicht.

5) Bei älteren Patienten wird oftmals eine geringere Dosis des Antidepressivums verabreicht: z.B. trizyklische AD nur 50% der mittleren Tagesdosis.

6) Kommt es innerhalb von 2 Wochen unter adäquater AD-Therapie nicht zum therapeutischen Ansprechen sollte:

763 Nicht Ansprechen der Antidepressiva

III: Beendigung: Der Antidepressiva-Therapie. Diese sollte immer ausschleichend erfolgen, um das Rückfall- und Rezidivrisiko zu minimieren und ein Absetzphänomen zu verhindern. Antidepressiva weisen kein Abhängigkeits-Potenzial auf, jedoch tritt nicht selten bei abrupter Beendigung der Therapie mit trizyklischen AD, SSRI und Venlafaxin innerer Unruhe, Schlafstörungen, Schweißausbrüche, Übelkeit, Erbrechen auf.

 

Klinisch-relevant: Behandlung besonderer Subtypen der depressiven Störungen:

A) Saisonale Depression: Diesbezüglich haben sich der MAO-Hemmer, Moclobemid, die SSRI, Citalopram und Fluoxetin sowie Bupropion als wirksam erwiesen.

B) Atypische Depression: Hierbei sind besonders die MAO-Hemmer wirksam.

C) Rezidivierende kurze depressive Episoden: Bei dieser findet man klinische Therapieerfolge unter der Gruppe der MAO-Hemmer (Tranycypromin, Moclobemid) aber auch unter der Therapie mit Lithium oder Mirtazapin.

D) Psychotische Depression: Es wird eine Kombinationstherapie aus einem Antidepressivum und einem Antipsychotikum angesetzt. Eine alternative Therapie ist die Elektrokonvulsionstherapie, die gerade bei Therapieresistenz frühzeitig indiziert ist.