→ Medikamentöse Rezidivprophylaxe: 

→ I: Zur medikamentösen Rückfallprophylaxe der Alkoholabgängigkeit steht seit einigen Jahre sogenannte Anti-Craving-Substanzen, die das Verlangen nach Alkohol deutlich reduzieren, zur Verfügung. Hierzu zählen insbesondere:

→ 1) Acamprosat (Campral)

→ 2) Naltrexon (Nemexin) und

→ 3) Disulfiram.

→ II: Eine alleinige medikamentöse Therapie eignet sich nicht, vielmehr ist sie mit weiteren psychotherapeutischen Interventionen Selbsthilfegruppen zu kombinieren (siehe auch Therapie der Alkoholabhängigkeit).

 

→ Klinisch-relevant: Alkoholiker bringen bezüglich ihrer Abstinenzunfähigkeit häufig das Argument des starken Verlangens nach Alkohol (= Craving) an.

769 Wichtige Therapiephasen der Abhängigkeitserkrankung

 

Anti-Craving-Substanzen: Hierzu zählen insbesondere:

→ I: Acamprosat: (= Campral) Hierbei handelt es sich um einen Glutamat-Modulator, der zur medikamentösen Rückfallprophylaxe der Alkoholabhängigkeit eingesetzt wird. Es wird typischerweise nach der Entzugsbehandlung mit der Applikation von Acamprosat begonnen.

→ 1) Wirkungsmechanismus: Ist noch nicht genau bekannt. Es wird angenommen, dass Acamprosat an den NMDA (= Glutamat)-Rezeptor bindet, jedoch nicht mit Glutamat um diesen konkurriert, sondern vielmehr soll es die aktivierende Wirkung des Glutamat bzw. die hemmende Alkoholwirkung am Rezeptor dämpfen (= Abnahme der neuronalen Erregbarkeit). Zusätzlich wird eine beeinflussende Wirkung auf die spannungsabhängigen Kalzium-Kanäle angenommen. Bewiesen ist, dass Acamprosat sowohl das Verlangen nach Alkohol, als auch die belohnenden Wirkung deutlich reduziert.

→ 2) Dosierung: Die mittlere Tagesdosis liegt bei 2g/d. Bei einem Körpergewicht < 60kg werden insgesamt 4Tbl. pro Tag verabreicht. Bei einem Körpergewicht > 60kg: 3x 2Tbl/d. Es wird eine Therapiedauer von bis zu einem Jahr (3-12 Monate) empfohlen.

 

Klinisch-relevant:

→ A) Acamprosat weist eine signifikante Wirksamkeit bezüglich der Abstinenzrate und der Anzahl trinkfreier Tage auf. Es hat jedoch keinen Einfluss auf die Trinkmenge.

→ B) Die Substanz ist nicht zur Entzugsbehandlung geeignet und hat nur solange eine rückfallverhütende Wirkung, wie sie eingenommen wird.

→ C) Acamprosat weist keine relevanten Interaktionen mit anderen Medikamenten auf, führt nicht zur Alkoholtoxizität und besitzt zudem kein Abhängigkeitspotenzial.

 

→ 3) Nebenwirkungen: Acamprosat wird in der Regel gut vertragen. Klassische Nebenwirkungen sind u.a.:

→ A) Übelkeit, Durchfälle,

→ B) Juckender Hautausschlag sowie

→ C) Libidoverlust und erektile Dysfunktion.

 → 4) Kontraindikationen: Sind schwere Nieren- und Leberinsuffizienz, sowie höheres Lebensalter (> 65. Lebensjahr).

II: Naltrexon: (z.B. Nemexin) Bei Naltrexon handelt es sich um einen kompetitiven µ-Opiatrezeptor-Antagonisten, der vor allem den Rückfall zum exzessiven Trinken reduziert, zusätzlich aber auch das Craving mindert.

 

Klinisch-relevant: Naltrexon hat werder Einfluss auf die Abstinenzrate, noch erhöht es die Toxizität des Alkohols.

 

→ 1) Dosierung: Die mittlere Tagesdosis liegt bei 50mg/d (Maximaldosis 2000mg/d), da bei dieser Dosierung schon 80% der µ-Rezeptoren blockiert werden; sie gilt jedoch noch als Off-Lable-Behandlung. Eine Kombination mit Acamprosat ist möglich.

→ 2) Nebenwirkungen: Naltrexon weist eine Reihe von unerwünschten Wirkungen auf. Hierzu zählen u.a.

A) Gastrointestinal: Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen,

→ B) Vegetativ: Schlafstörungen, Angstzustände, gesteigerte Erregbarkeit,

→ C) Weitere Nebenwirkungen: Sind Kopfschmerzen, Gelenk- und Muskelschmerzen.

III: Disulfiram: (= Antabus) Disulfiram wird zur medikamentösen Alkoholentwöhnung durch Induktion einer Alkoholintoleranz (= Aversionstherapie) eingesetzt. Es handelt sich um einen Enzyminhibitor, der durch selektive Blockade der Acetaldehyd-Dehydrogenase zu einer Akkumulation des toxischen Acetaldehyd führt.

→ 1) Wirkung: Unter der Therapie führen bereits wenige Gramm Alkohol durch Hemmung der ALDH und konsekutiver Anreicherung von Acetaldehyd mit einer Latenz von 5-30min zur Alkoholunverträglichkeit.

→ 2) Klinik: Klinisch zeigt sich das Acetaldehyd-Syndrom mit charakteristischen Unverträglichkeitssymptomen:

→ A) Kardial: Herzrasen, Tachykardie und Blutdruckanstieg oder evtl. -abfall, Atemnot, thorakales Engegefühl.

→ B) Vegetativ: Hautrötung (Flush), Schwitzen, Kopfschmerzen, Schwindel.

→ C) Neurologisch: Parästhesien und Schläfrigkeit

D) Gastrointestinal: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe.

→ 3) Komplikationen: Sind u.a. Epileptische Anfälle, Atemdepression, Herzrhythmusstörungen bis hin zum Kreislaufversagen.

→ 4) Therapie: Die Behandlung des Acetaldehydsyndroms erfolgt symptomatisch. Empfohlen wird die Seitenlage des Patienten sowie die Applikation von Plasmaexpandern oder Elektrolytlösungen. Zudem kann die Gabe von Antihistaminika, Traquilizern und Neuroleptika die Symptomatik vermindern bzw. aufheben. 

 

Klinisch-relevant: Die Therapie setzt einen motivierten, kooperativen Patienten, der sozial integriert ist, voraus.

 

  5) Dosierung: Mit der Disulfiram-Behandlung kann nach der Entzugsbehandlung begonnen werden. Initial wird eine Tagesdosis von 1g/d über 10 Tage, anschließend alle 2-3 Tage 0,2-0,5g appliziert. Wichtig ist zudem auch, dass das Medikament nur unter medizinischer Kontrolle verabreicht werden sollte.

→ 6) Kontraindikationen: Sind kardiale Erkrankungen (z.B. Herzrhythmusstörungen, Kardiomyopathien), KHK, Diabetes mellitus, Ösophagusvarizen, thyreotoxische Krise, Leberzirrhose und schwere Niereninsuffizienz. Des Weiteren ist die Antabus-Therapie auch bei fortgeschrittener Arteriosklerose, zerebrale Durchblutungsstörungen, Schizophrenie, Depression sowie dem Alkoholentzugsdelir kontraindiziert.