Definition:

→ I: Bei der paranoiden Persönlichkeitsstörung besteht charakteristischerweise eine dauerhafte und unbegründete Neigung, Situationen und das Verhalten anderer als erniedrigend und bedrohlich anzusehen bzw. zu interpretieren. Sie geht mit einem ausgeprägten misstrauischen und argwöhnischen Verhalten einher.

→ II: Sie gehört nach DSM-IV neben der schizoiden - und schizotypen Persönlichkeitsstörung zum Cluster A und zeichnet sich durch exzentrische und sonderbare Verhaltensweise aus.  

 

→ Epidemiologie:  

→ I: Die Prävalenz für eine paranoide Persönlichkeitsstörung liegt in der Allgemeinbevölkerung bei ca. 0,5-2,5%.

→ II: Der Manifestationsgipfel für diese PS liegt in der frühen Adoleszenz, wobei Männer deutlich häufiger als Frauen betroffen sind.

 

Ätiologie: 

→ I: Psychodynamischer Sicht: Hierbei wird das paranoide Muster als Bewältigungsstrategie (= Coping-Strategien) für bestehende Schamgefühle bezüglich der eigen empfundenen Unfähigkeit bzw. Unvollkommenheit angesehen. Des Weiteren wird eine frühkindliche, unbewältigte Aggressionsproblematik diskutiert.

→ II: Lerntheoretischer Sicht: Die Verhaltensreaktion ist u.a. auf  erniedrigende und sadistische Verhaltensweisen einer primären Bezugsperson bzw. einen ausgeprägten rigiden Erziehungsstil ohne liebevolle Zuwendung zurückzuführen.

 

Klinik: Wesentliche Merkmale der paranoiden PS sind:

I: Extremes Misstrauen: Andere werden als böswillig, diskriminierend und manipulativ empfunden.

II: Übertriebene Empfindlichkeit: Besteht gegenüber Kritik, Verletzungen, Ungerechtigkeiten.

III: Rigides und streitsüchtiges Beharren auf eigene Rechte.

IV: Vermeiden enger Kontakte, Neigung zur pathologischen Eifersucht, übertriebene Streitsucht. sowie Entwicklung von Verschwörungsgedanken.

→ V: Tendenz zu deutlich überhöhtem Selbstwertgefühl mit ständiger Selbstbezogenheit.

→ VI: Die betroffenen Patienten leben weitestgehend in sozialer Isolation.

→ VII: Weitere Symptome: Nachtragendes Verhalten, ständiger Groll, soziale Isolation und nicht zuletzt Verschwörungsgedanken.

 

Sonderformen:

→ A) Fantastische Persönlichkeit: Hierbei richten sich die unangemessenen Reaktionen auf überwertige Ideen (können politisch oder religiös fundiert sein).

B) Querulatorische Persönlichkeit: Bei den Betroffenen richtet sich der Kampf gegen gegenwertig bestehendes oder vermeintliches Unrecht.

 

Komorbiditäten: Nicht selten sind paranoide PS mit weiteren psychischen Störungen vergesellschaftet; hierzu zählen u.a.:

→ I: Weitere Persönlichkeitsstörungen wie z.B. die narzisstische PS, aber auch die ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung.

→ II: Depressive Episoden,

→ III: Angststörungen,

→ IV: Suchterkrankungen etc. .

 

Diagnose: Zur Diagnosestellung nach ICD-10 müssen mindestens 4 der folgenden Kriterien zutreffen:

I: Übertriebene Empfindlichkeit gegenüber Kritik und Zurücksetzung.

II: Neigung zu dauerhaften Groll nach Beleidigungen und Verletzungen.

III: Neigung neutrale oder freundliche Handlungen anderer als feindlich zu interpretieren.

IV: Beharrliches und rigides Bestehen auf das eigene Recht.

V: Pathologische Eifersucht, der Partner sei untreu.

VI: Häufige Beschäftigung mit dem Gedanken der Verschwörung in der näheren oder weiteren Umgebung.

013 Diagnosekriterien der paranoiden PS

 

Differenzialdiagnose: Abgrenzen von der paranoiden PS sind u.a.:

→ I: Paranoide-halluzinatorische Schizophrenie

→ II: Wahnhaften Störungen, anhaltende wahnhafte Störungen

→ III: Delir, aber auch

→ IV: Schizoide PS

→ V: Organische Erkrankungen sowie

→ VI: Drogen- (z.B. Amphetamine oder Halluzinogene) und Alkoholabhängigkeit.  

  Therapie:

→ I: Allgemeine Regeln:

→ 1) Grundlegend gehen Patienten mit einer paranoiden PS aufgrund ihres Misstrauens nicht zum Therapeuten. Erst im Zuge sekundärer Probleme (z.B. depressive Episode, Partnerschaftskonflikte oder Alkoholabhängigkeit) wird in eine Therapie eingewilligt.

→ 2)  Hierbei ist es von besonderer Bedeutung, eine tragfähige Patienten-Therapeuten-Beziehung aufzubauen, die u.a. durch viel Geduld, Empathie und respektvollen Umgang gekennzeichnet ist.

→ 3) Der Behandlungsablauf und die individuellen - strategien sollten transparent gemacht werden, um Misstrauen seitens des Patienten zu verhindern.

→ III: Psychotherapie: Nachfolgende psychotherapeutische Konzepte haben sich in der Behandlung der paranoiden PS u.a. etabliert: 

→ 1) Psychoeduktion: Darstellung des individuellen Erlebens und deren Folgen/Konsequenzen auf das soziale Umfeld.

→ 2 Kognitive Verhaltenstherapie: Hierbei werden wichtig dysfunktionale Grundannahmen und Verhaltensweisen identifiziert, anschließend überprüft und im Zuge der individuellen Entwicklungsgeschichte modifiziert. Nicht selten ist der Partner in das paraniode System miteingebaut, sodass dieser in die Therapie miteinbezogen werden soll. Eine dysfunktionale Grundannahme ist z.B. die Anderen führen was Böses gegen mich im Schilde.

→ 3) Weitere Therapiemaßnahmen: Sind u.a. die progressive Mauskelrelaxation nach Jacobson, soziales Kompetenztraining, aber auch stützende supportive Psychotherapie etc.

→ IV: Medikamentöse Therapie: Sie beeinflusst die Störung meist nur wenig; trotzdem kann eine Psychopharmakotherapie mit einem atypischen Neuroleptikum wie Quetiapin in einer Dosis von 50-200mg/d (evtl aber auch mittels Carbamazepin oder Valproat) versucht werden.

 

→ Prognose:

→ I: Die paranoide Persönlichkeit weist zumeist einen konstanten, wenig fluktuierenden Krankheitverlauf auf mit konsekutiver Einschränkung im persönlichen, beruflichen und/oder sozialen Lebensraum.

→ II: Im höheren Alter kommt es nicht selten zum Abklingen der klinische Symptomatik.