Definition: Zu den weiteren psychotischen Störungen zählt insbesondere die kurze reaktive Psychose, die Wochenbettpsychose und der Dermatozoenwahn.

 

 Kurze reaktive Psychose:

I: Definition: Bei der kurzen reaktiven Psychose (= Emotionspsychose) handelt es sich um eine Psychose, die durch schwer belastende Traumata wie Katastrophen, Verlusterlebnisse etc. ausgelöst wird. Sie weist einen akuten Verlauf auf und heilt mit einem zeitlichen Abstand wieder folgenlos aus.

→ II: Klinik:

→ 1) Die Zeit zwischen dem Trauma und dem Beginn der Psychose beträgt nur wenige Tage.

2) Die Wahninhalte beziehen sich direkt auf das traumatisierende Ereignis. 

3) Starke Aufgewühltheit, mit schnellem Wechsel zu übertriebener Ratlosigkeit und z.T. Verwirrtheit.

→ III: Differenzialdiagnose: Hiervon müssen insbesondere folgende psychische Störungen abgegrenzt werden: 

→ 1) Organisch bedingten Wahnsyndrome

2) Schizophreniforme Psychosen.

3) Schizophrenie.

→ IV: Therapie: Entspricht der Therapie der Schizophrenie. In der Akutsituation besteht die Antipsychotika-Therpie zur Minderung der psychotischen Symptomen. Im weiteren Verlauf sollte eine psychotherapeutische Bearbeitung des traumatisierenden Ereignis erfolgen. Eine Rezidivprophylaxe mit Antipsychotika ist nicht indiziert.

 

 Wochenbettpsychose / Puperalpsychose:

→ I: Definition: Bei der Wochenbettpsychose handelt es sich um eine schwer verlaufende Psychose, die innerhalb von 6 Monaten nach Entbindung (zumeist in den ersten 2 Wochen nach Niederkunft) auftritt. Wird auch als Puerperalpsychose bezeichnet.

→ II: Epidemiologie: Die Inzidenz liegt bei 1-2 Erkrankungen/1000 Geburten, betrifft häufiger die Erstgebärenden und ist somit ein eher seltene psychische Störungen. 

→ III: Ätiologie: Die Genese der Wochenbettpsychose ist bis heute noch nicht genau geklärt; es handelt sich jedoch ein multifaktoriellen Prozess. Man nimmt insbesondere endokrine Umstellungsvorgänge an. Des Weiteren existieren Risikofaktoren wie eine vorangegangene Wochenbettpsychose, affektive Störungen sowie schizophrene Störungen. 

→ IV: Klinik: Selten kann bei dieser Erkrankung ein Prodromi in Form von Interessenverlust, Konzentrationsstörungen und Anhedonie bestehen; zumeist jedoch kommt es zum akuten Auftreten der Symptomatik aus völliger Gesundheit.

→ 1) Beginn meist 5-28 Tage post partum. Hierbei entwickeln sich die Symptome häufig rasch innerhalb von Stunden und klingen meist nach 3-6 Wochen wieder ab, können jedoch bis zu 1 Jahr anhalten.

2) Häufig findet man affektive Störungen (Manie und/oder Depression), die rasch wechseln.

3) Charakteristisch sind aber auch paranoid-halluzinatorischen Symptomen wie Beziehungswahn, optische und akustische Halluzinationen, Erregungszuständen und katatonem Stupor.

 4) Weitere Symptome: Sind u.a. Störungen des formalen und inhaltlichen Denkens (Sprunghaft, zerfahren), Verwirrtheitszustände, aber auch Schlafstörungen bis hin zur Schlaflosigkeit sowie Angst.

 

Klinisch-relevant: Die Suizidalität ist bei den Patientinnen hoch.

 

→ V: Therapie: Aufgrund der hohen Suizidalität und der Gefahr des erweiterten Suizids sollten die Patientinnen stationär-psychiatrisch in sogenannten "Mutter-Kind-Units) behandelt werden, um die Versorgung und das Wohlbefinden des Kindes zu gewährleisten. Im Vordergrund steht die medikamentöse, syndromorientierte Behandlung (nach Abstillen) mit:

→ 1) Zu Beginn der medikamentösen Therapie kann ein Benzodiazepin (Lorazepam in einer Dosis von 3x 1mg/d) bis zum Abklingen der Akutsymptomatik substituiert werden. Zudem ist eine neuroleptische Behandlung mit Haloperidol, alternativ Clozapin indiziert.

→ 2) Inbesondere bei affektiven Störungen sind trizyklische Antidepressiva, Trimipramin, alternativ aber auch die SSRI (z.B. Citalopram, Fluoxetin) obligat.

→ 3) Des Weiteren sollte eine begleitende, supportive Psychotherapie erfolgen.

→ VI: Prognose: Die Wochenbettpsychose hat eine günstige Langzeitprognose und es kommt zumeist zu einer vollständigen Remission der Symptomatik. Im Fall einer weiteren Schwangerschaft ist die Rezidivrate mit bis zu 50% der Fälle relativ hoch. 

 

 Dermatozoenwahn:

→ I: Definition: Hierbei handelt es sich um eine chronisch taktile Halluzination, die gerade bei älteren Patienten auftritt. Prädisponierende Faktoren stellen weibliches Geschlecht, höheres Lebensalter und soziale Isolation dar (bei jüngeren Patienten sollte an einen Drogenkonsum v.a. Kokain gedacht werden). Sie wird zu den organischen Psychosen gezählt.

→ II: Klinik:

→ 1) Die Patientin ist davon unkorrigierbar überzeugt, von Parasiten befallen zu sein, die in oder unter ihrer Haut kriechen. Klinisches Korrelat stellt der Juckreiz sowie Kratzartefakte dar.

2) Im Sinne der taktilen Halluzination werden Empfindungen wie Krabbeln und Kriechen unter der Haut von den Patienten beschrieben.

→ III: Therapie: Empfohlen wird eine supportive Psychotherapie. Insbesondere bei der vaskulären Demenz kann ein Versuch mit einer hirnleistenden Substanz versucht werden. Ansonsten ist eine medikamentöse Therapie mit einem mittelpotenten Antipsychotikum wie Risperdon (2x 2mg/d) oder Quetiapin (400mg/d) indiziert.

→ IV: Prognose: Der Dermatozoenwahn kann ohne Progredienz chronisch persistieren, zeigt aber insbesondere im Rahmen der Schizophrenie eine partielle oder vollständige Remission mit/ohne Therapie auf. 

 

  Klinisch-relevant: Der Dermatozoenwahn kann hirnorganisch, aber auch aufgrund einer Schizophrenie oder einer Depression mit hypochondrischer Symptomatik (Hypochondrie) auftreten. Die Therapie erfolgt nach der Grunderkrankung. Der Krankheitsverlauf kann je nach Grunderkrankung sporadisch oder chronisch sein.