Definition: Der diffuse Ösophagusspasmus stellt eine seltene Motilitätsstörung des Ösophagus dar, die durch den intermittierenden oder dauerhaften Verlust der primär propulsiven Aktivität der Speiseröhre sowie das vermehrte Auftreten von nicht-propulsiven, simultanen z.T. mehrgipfligen spastischen Ösophaguskontraktionen (mit hoher Druckamplitude) beim Schlucken gekennzeichnet ist.

 

Epidemiologie:

→ I: Beim diffusen Ösophagospasmus wird eine Inzidenz von 0,2/100000 Einwohner angenommen, wobei beide Geschlechter gleich häufig betroffen sind.

→ II: Der Manifestationsgipfel liegt im höheren Lebensalter (zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr).

 

Ätiopathogenese:

→ I: Die Pathogenese ist bis heute noch nicht genau geklärt, vielmehr lassen sich nicht selten morphologisch eine Hypertrophie der Ösophagusmuskulatur sowie degenerative Veränderungen im Plexus myentericus und im Bereich des N. vagus nachweisen.

→ II: Pathophysiologie:

→ 1) Die nicht-propulsiven, simultan ablaufenden und lang anhaltenden Kontraktionen führen zu einer Unterbrechung des Schluckaktes mit Steckenbleiben des Nahrungsbolus.

→ 2) Der untere Ösophagussphinkter ist im Gegensatz zur Achalasie zumeist regelrecht.

→ 3) Die Störung ist insbesondere im distalen Ösophagus, dem glattmuskulären Anteil, lokalisiert.

 

Klinik: Im Vordergrund diese Krankheitsbildes stehen 2 Leitsymptome die:

→ I: Dysphagie:

→ 1) Bei ausgeprägter Symptomatik klagen die Betroffenen über intermittierendes Steckenbleiben von Nahrungsbestandteilen mit konsekutiver Notwendigkeit der aktiven Regurgitation.

→ 2) Häufig führt dieses Symptom im weiteren Krankheitsverlauf (infolge der Progredienz) zur Gewichtsabnahme und sozialen Isolation.

→ 3) Die Beschwerden können sowohl intermittierend auftreten als auch permanent vorhanden sein und in ihrer Intensität stark variieren.

→ II: Thoraxschmerzen: Die Symptomatik ist durch anfallsartige starke sowie krampfartige, retrosternale Schmerzen charakterisiert, die häufig auch unabhängig von der Nahrungsaufnahme auftreten und über Minuten bis Stunden anhalten können. Die Schmerzen strahlen nicht selten in Rücken, Kieferwinkel, Schulter und Arme aus. Triggermechanismen sind u.a. hastiges Schlucken, Aufnahme von insbesondere heißen und kalten Speisen bzw. Getränken, aber auch psychische Belastungssituationen.

 

Klinisch-relevant: Häufig ist die Schmerzsymptomatik mit Dysphagie und Regurgitation vergesellschaftet.

 

Diagnose:

→ I: Anamnese/klinische Untersuchung:

→ 1) Eruierung der charakteristischen klinischen Beschwerden sowie ihrer Auslösemechanismen. Auch nach Sodbrennen sollte gefragt werden, da sekundär refluxinduzierte Motilitätsstörungen existieren, die eine ähnliche Symptomatik wie beim diffusen Ösophagospamus aufweisen können.

→ 2) Bestehen überwiegend Thraxschmerzen ist zuerst eine kardiale Ausschlussdiagnostik obligat.

→ II: Bildgebung:

→ 1) Radiologie: Bei der radiologischen Kontrastmitteluntersuchung (Ösophagusbreischluck) sind Störungen des physiologischen Nahrungstransportes mit sogenannten tertiären Kontraktionen nachweisbar. Hierbei handelt es sich um spontane, nicht-schluckassoziierte, spastische Kontraktionen, die isoliert, segmental oder den gesamten Ösophagus betreffen können. Sie treten aber insbesondere in der distalen Speiseröhre (= glattmuskulärem Anteil) auf. Präsentieren sich diese Kontraktionen spiralförmig oder segmental kann es zur Ausbildung des klassischen „Korkenzieher-Ösophagus“ kommen.

 

→ Klinisch-relevant: Diese spastischen Kontraktionen sind assoziiert mit einer verzögerten oder aufgehobenen Passage des Kontrastbolus, z.T. mit Pendelbewegungen in der Speiseröhre und/oder aktiver Regurgitation. 

 

→ 2) Ösophagusmanometrie: Stellt die Standarduntersuchung bei der Diagnostik des diffusen Ösophagusspamus dar. Charakteristischerweise zeigen sich vermehrt simultane Kontraktionen (> 20% der Schluckakte) mit intermittierend normaler Peristaltik. Weitere Diagnosekriterien sind u.a.:

674 Manomentrische Kriterien für die Diagnose des diffusen Ösophagusspasmus

3) Endoskopie: Sie dient insbesondere dem Ausschluss neoplastischer, entzündlicher, etc. Veränderungen, da diese Motilitätsstörung auch sekundär als Folge einer gastroösophagealen Refluxkrankheit auftreten kann.

→ 4) Weitere Untersuchungen: Sind u.a. das CT und die Endosonographie, die sehr gut die typische Wandverdickung des Ösophagus aufgrund einer Muskelhypertrophie darstellen.

 

Differenzialdiagnose: Vom diffusen Ösophagospasmus müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:

→ I: Weitere Motilitätsstörungen des Ösophagus wie die Achalasie und der hyperkontraktile Ösophagus.

→ II: Störungen der propulsiven Aktivität und das Auftreten von simultanen Kontraktionen im Rahmen von autonomen Neuropathien bei Stoffwechselstörungen wie z.B. Diabetes mellitus und Amyloidose, aber auch bei Systemerkrankungen wie der systemische Lupus erythematodes.

→ III: Weitere Erkrankungen:

→ 1) Alkoholismus, aber auch GERD und die eosinophile Ösophagitis.

→ 2) Neoplasien wie das Ösophaguskarzinom oder das Kardiakarzinom, aber auch das  

→ 3) Akute Koronarsyndrom, etc.

 

Therapie: Da es sich beim diffusen Ösophagospasmus um eine gutartige, chronisch-rezidivierende Erkrankung handelt, die mit langen symptomfreien Intervallen einhergeht, hängt die Therapie insbesondere von der Intensität der klinischen Beschwerden und dem Leidensdruck ab.

→ I: Pharmakologische Therapie: Die akuten Beschwerden können mittels Spasmolytika (z.B. Buscopan), Nitraten (Isoket) oder Kalziumantagonisten unterdrückt werden. Bei Patienten mit vorwiegend Thoraxschmerzen hat die orale Applikation von L-Arginin, einem Vorläufer des inhibitorischen NO-Transmitters, positiv auf die Schmerzfrequenz und -intensität ausgewirkt. Als Langzeittherapeutika können Anticholinergika, (Benzodiazepine) oder Antidepressiva versucht werden.

→ II: Botulinumtoxininjektion: Stellt eine weitere Therapieoption dar. Durch Injektion von Botulinumtoxin in den tubulären Ösophagus kommt nicht selten zu einer signifikanten Verbesserung der Dysphagie, Regurgitation und Thoraxschmerzen über ein begrenztes Zeitintervervall von 9-12 Monaten (ist jedoch bis heute kein etabliertes Therapieverfahren).

→ III: Operative Therapie: Nur in seltenen Fällen, als ultima ration, kann eine lange extrasphinktere Myotomie des Ösophagus indiziert sein. Diese erfolgt heutzutage meist minimal-invasiv oder auf thorakoskopischem Wege.

 

Prognose: Die Prognose des diffusen Ösophagospasmus ist gutartig und reicht von leichteren intermittierenden Störungen bis hin zur einer zunehmenden Einschränkung der Schluckfähigkeit, sodass eine Therapie zwingend notwendig ist. Im Unterschied zur Achalasie besteht kein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Ösophaguskarzinoms.