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- Geschrieben von: CF
- Kategorie: Medikamente des Gerinnungssystems
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→ Definition: Bei den Thrombozytenaggregationshemmer handelt es sich um eine heterogene Gruppe von Pharmaka, die sowohl in der Prophylaxe als auch in der Therapie von thromboembolischen Erkrankungen eingesetzt werden. Sie verhindern insbesondere die Entwicklung von arteriellen Thrombosen, da diese sich überwiegend an arteriosklerotischen Veränderungen des Gefäßendothels durch Plättchenaggregation bilden.
→ Physiologie: Die Thrombozytenfunktion kann an verschiedenen Stellen gehemmt werden:
→ I: Irreversible Blockade der Cyclooxygenase und Hemmung von Thromboxan A2 durch ASS; bei Thromboxan A2 handelt es sich um einen Vasokonstriktor und Aktivator der Thrombozytenaggregation.
→ II: Clopidogrel, Pasugrel, Ticagrelor, Cangrelor und Ticlopidin, (= ADP-Rezeptor-Antagonisten) hemmen die ADP-induzierte Aktivierung der Thrombozytenaggregation mittels P2Y12-Rezeptor.
→ III: Abciximab, Tirofiban, etc. verhindern wiederum die Bindung von Fibrinogen und des von-Willebrand-Faktors an den GPIIb/IIIa-Rezeptor. Diese Inhibitoren des GPIIb/IIIa-Rezeptors stellen die stärksten Thrombozytenaggregationshemmer dar.
→ Definition: Die Acetylsalicylsäure (ASS) ist der wichtigste und am häufigsten eingesetzte Hemmstoff der Thrombozytenaggregation (weitere NSAR wie z.B. Diclofenac hemmt die Thrombozytenaggregation jedoch in deutlich untergeordneter Rolle).
→ Wirkungsmechanismus:
→ I: ASS blockiert die Cyclooygenase irreversibel durch Acetylierung des aktiven Zentrums. Diese Hemmung erfolgt unspezifisch, da beide Subtypen (sowohl die COX-1 als auch die COX-2) betroffen sind.
→ 1) Folge ist eine verminderte Produktion von Thromboxan A2 (COX-1 ist in den Thrombozyten an der Synthese von Thromboxan A2 aus Arachidonsäure beteiligt) und Prostacyclin (Endothelzellen besitzen auch das COX-Enzym, wobei es hier zur Synthese von Prostacyclin kommt).
→ 2) Thromboxan A2 wiederum wird von aktivierten Thrombozyten sezerniert und induziert konsekutiv die Aktivierung weiterer benachbarter Thrombozyten.
→ 3) Nicht zuletzt verstärkt Thromboxan A2 die thrombozytenaktivierende Wirkung von ADP und Thrombin.
→ II: In niedriger Dosis (100mg) hemmt ASS die Thromboxan-Bildung (präsystemisch im Pfortadersystem) deutlich stärker als die Prostacyclin-Synthese, sodass der gerinnungshemmende Effekt im Vordergrund steht.
→ III: Wichtig hierbei ist auch, dass die Wirkung der Gerinnungshemmung (durch Verlängerung der Blutungszeit) von ASS in der "Low-dose-Therapie" über Tage anhält, da das COX-1-Enzym durch Acetylierung unbrauchbar gemacht wird und nicht neu (nach-) synthetisiert werden kann; es folgt ein Ausbleiben der Produktion von Thromboxan A2 (erst durch den Ersatz der Plättchen beginnt der Zyklus neu).
→ Klinisch-relevant: In diesem Zusammenhang zeigt der Einsatz von COX-1-Hemmstoffen den evidenzbasierten Nutzen in der Behandlung und Sekundärprävention von Myokardinfarkten und ischämisch-zerebralen Insulten.
→ Wirkung: Im Vordergrund steht die irreversible Hemmung der Cyclooxygenase durch Acetylierung. Wichtige Wirkungen der Acetylsalicysäure sind (dosisabhängig) insbesondere:
→ I: Thrombozytenaggregationshemmung mit einer Dosierung von bereits 30-50mg/d.
→ II: Analgetische und antipyretische Wirkung ab eine Dosis von 2-(3)g/d und
→ III: Antiphlogistischer Effekt bei etwa 2-4g/d.
→ Indikation: ASS wird als Thrombozytenaggregationshemmer der ersten Wahl (in einer "Low-dose-Therapie" von 75-325mg/d zumeist 100mg) insbesondere bei nachfolgenden Erkrankungen eingesetzt:
→ I: Akutes Koronarsyndrom.
→ II: Sekundärprophylaxe: Nach u.a.:
→ 1) Myokardinfarkt,
→ 2) TIA und ischämischer Apoplex sowie
→ 3) pAVK und KHK.
→ III: Nach arteriellen gefäßchirurgischen und interventionellen Eingriffen wie PTCA (mit/ohne Stentimplantation) ACVB-Operationen.
→ IV: Bei der Polycythaemia vera profitieren Patienten von ASS (100mg/d), da es dass bei den myeloproliferativen Erkrankungen erhöhte Thromboembolie-Risiko reduziert.
→ Klinisch-relevant: Die gerinnungshemmende Wirkung von ASS beschränkt sich ausschließlich auf das arterielle Gefäßsystem; venöse Thrombosen (z.B tiefe Beinvenenthrombose) werden nicht verhindert.
→ Pharmakokinetik:
→ I: Nach oraler Applikation wird ASS schnell resorbiert (> 95%) und weist eine Bioverfügbarkeit von 70% auf. ASS wird präsystemisch in Magenschleimhaut und der Leber zu Salicylsäure hydrolysiert (Salicylsäure weniger stark wirksam und nur reversible COX-1-Hemmer). Anschließend erfolgt der weiterer Abbau des Metaboliten durch Oxidation und die renale Eliminiation.
→ II: Die Halbwertszeit der Acetylsalicylsäure liegt bei 10-20min. bei Salicylsäure 3-19 Stunden.
→ III: Die Wirkdauer der ASS beträgt etwa 5-7 Tage (bis neue Thrombozyten produziert werden).
→ Nebenwirkungen: Die wichtigsten unerwünschten Wirkungen des ASS sind im Wirkmechanismus begründet und sind aufgrund der Low-dose-Therapie gering:
→ I: Schädigung der Magen-Darm-Schleimhaut.
→ II: Steigerung des Blutungsrisikos insbesondere des okkulten Blutverlustes mit Entwicklung einer Eisenmagelanämie.
→ III: Allgergische Reaktionen wie Auslösung eines Asthmaanfalls (= ASS-Asthma) bis hin zum anaphylaktischen Schock.
→ IV: Weitere Nebenwirkungen: Sind insbesondere:
→ 1) Übelkeit und Erbrechen,
→ 2) Tinnitus mit Schwerhörigkeit für hohe Frequenzen, aber auch Kopfschmerzen und Schwindel.
→ 3) Harnsäureretention (Hyperurikämie) durch Konkurrenz von ASS mit Harnsäure um den renalen Säuresekretionsmechanismus, aber auch allgemein verminderte Nierenperfusion.
→ V: ASS Resistenz: Stellt insbesondere in der "Low-dose-Therapie" ein Problem dar und manifestiert sich bei etwa 10-20% der Fälle mit konsekutiver Wirkungslosigkeit der Thrombozytenaggregationshemmung. Ursache ist entweder eine genetische Unempfindlichkeit gegenüber ASS (und) oder Makrophagen in den arteriosklerotischen Plaques, die COX-2 vermittelt die Thromboxan-A2-Synthese induzieren und somit einer Thrombozytenaggregation vermitteln.
→ Kontraindikationen: Wichtige Kontraindikationen für die Applikation von ASS sind u.a.:
→ I: Da ASS wie die anderen NSAR beim Fetus zum vorzeitigen Verschluss des Ductus Botalli, ist es in der Schwangerschaft insbesondere im 3-Trimenon gerade in höherer Dosierung kontraindiziert.
→ II: Entwicklung eines Reye-Syndroms bei Anwendung von ASS im Rahmen eines fieberhaften (viralen) Infektes bei Kindern (unter dem 16. Lebensjahr).
→ Wechselwirkungen:
→ I: Die Kombination von ASS mit Antikoagulanzien oder Fibrinolytika steigert das Blutungsrisiko.
→ II: Die gerinnungshemmende Wirkung von ASS wird durch eine Komedikation mit insbesondere Ibuprofen oder Indometacin reduziert.
→ III: ASS vermindert die tubuläre Sekretion von exogenen und endogenen Säuren (Methotrexat) sowie die urikosurische Wirkung von Probenecid und Benzpromaron (= Urikosurika).
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→ Definition:
→ I: Bei den ADP-Rezeptor-Antagonisten handelt es sich neben den COX-Hemmern (z.B. Acetylsalicylsäure, etc.), Glykoprotein-IIb/IIIa Hemmern oder Prostaglandin E1 etc. um Hemmstoffe der Thrombozytenaggregation, die insbesondere zur Prophylaxe von arteriellen Thrombosen eingesetzt werden.
→ II: Hierzu zählen u.a. die Thienopyridine:
→ 1) Clopidogrel,
→ 2) Prasugrel und
→ 3) Ticlopidin (war der erste ADP-Rezeptor-Antagonist; spielt jedoch aufgrund des erhöhten Leukopenie-Risikos heute keine Bedeutung mehr) sowie
→ 4) Das ATP-Analogon Ticagrelor.
→ Klinisch-relevant: Die Thienopyridine liegen als Prodrug vor und werden durch Metabolisierung aktiviert (= wirksame Metaboliten sind die Thiolderivate).
→ Wirkungsmechanismus:
→ I: Wichtige Mediatoren der Thrombozyten sind das Thromboxan A2 (TXA2) sowie Adenosindiphosphat (ADP), die über ein positives Feedback die Thrombozytenaktivierung verstärken.
→ II: Thienopyridine: Die aktiven Thiolderivate hemmen die ADP-induzierte Thrombozytenaktivierung und konsekutive deren Aggregation durch kovalente Bindung an den ADP-Rezeptor Typ P2Y12 (= irreversibler Antagonismus).
→ III: Ticagrelor: Ist ein neuartiger reversibler (nicht kompetitiver) Antagonist am P2Y12-Rezeptor und stellt im Gegensatz zu den Thienopyridinen kein Prodrug dar, sodass der pharmakologische Effekt deutlich früher einsetzt.
→ IV: Allen ADP-Rezeptor-Antagonisten gemeinsam ist die Blockade der Glykoprotein IIb/IIIa-Rezeptoraktivierung und konsekutiv die Verhinderung der fibrinvermittelten Quervernetzung der Thrombozyten.
→ Pharmakokinetik:
→ I: Die Thienopyridine werden nach oraler Gabe gut resorbiert und weisen mit 98% eine hohe Plasmaeiweißbindung auf.
→ 1) Clopidogrel: Ist ein Prodrug, das über einen 2-schrittigen Metabolismus durch Oxidation und Hydrolyse (CYP2C19, CYP2B6 und CYP3A4) in seinen aktiven Metaboliten (= ein Thiolderivat) überführt wird. Die nun reaktionsfähige SH-Gruppe bindet irreversibel an den extrazellulären P2Y12-Rezeptor des Thrombozyten und blockiert folglich dessen Aktivierung durch ADP. Clopidogrel wird in der Leber metabolisiert und zu gleichen Anteilen über den Urin und Stuhl eliminiert. Die Wirkung hält 3-10 Tage.
→ Klinisch-relevant: Eine genetische Variation des CYP2C19-Allels mit reduzierter Funktion führt zu einer verminderten Plasmakonzentration der aktiven Form des Clopidogrels und ist damit weniger gut wirksam.
→ 2) Prasugrel: Wird zunächst im Darm und Blut rasch und vollständig durch unspezifische Esterasen zu einem Intermediärmetaboliten hydrolysiert und anschließend über die CYP3A4 und 2B6 in den aktiven Metaboliten überführt. Die maximale Plasmakonzentration des aktiven Metaboliten ist bereits nach 30min erreicht, die Wirkungsdauer beträgt 5-10 Tage.
→ II: Ticagrelor:
→ 1) Ist in Bezug auf die chemische Struktur mit dem Adenosin verwandt und stellt einen reversiblen nicht-kompetitiven P2Y12-Rezeptor-Inhibitor dar.
→ 2) Die orale Bioverfügbarkeit von Ticagrelor beträgt 35% und ist selbst pharmakologisch aktiv.
→ 3) Die Substanz wird überwiegend hepatisch mit einer Halbwertszeit von 8 Stunden.
→ Indikation:
→ I: Myokardinfarkt, ischämischer zerebraler Insult und periphere arterielle Verschlusskrankheit sind Indikationen für eine Applikation von ADP-Rezeptor-Antagonisten, wenn bei den Patienten eine ASS-Überempfindlichkeitsreaktion oder ASS-Resistenz bzw. weitere Kontraindikationen bestehen.
→ II: Bei der Behandlung des akuten Koronarsyndrom (mit instabiler Angina pectoris, Myokardinfarkt ohne ST-Elevation bis hin zum Myokardinfarkt mit ST-Elevation) hat sich eine Kombinationstherapie aus Clopidrogrel und ASS über einen Zeitraum von 2-3 Monaten etabliert. Hierbei beträgt die Clopidogrel-Dosis initial 300mg.
→ III: Bei der perkutanen Koronarangioplastie mit oder ohne Stentimplantation bedarf es einer Kombinationstherapie aus Clopidogrel (Initialdosis 300mg 4-6 Stunden vor Intervention) und ASS über einen Zeitraum von 9-12 Monaten; anschließend wird nur noch ASS appliziert.
→ Klinisch-relevant: Bei der Kombinationstherapie handelt es sich um eine duale Plättchenhemmung, die bei:
→ A) Unbeschichteten Stents über 4 Wochen und
→ B) Bei beschichteten Stents über 6-12 Monate durchgeführt wird.
→ Nebenwirkungen: Wichtige und zum Teil schwerwiegende Nebenwirkungen unter der ADP-Rezeptor-Antagonisten-Therapie sind insbesondere:
→ I: Blutungen: Besonders gefürchtet hierbei sind die intrakraniellen Blutungen, die unter Prasugrel deutlich häufiger auftritt als unter Clopidogrel.
→ II: Gastrointestinale Beschwerden mit Übelkeit, Erbrechen und Diarrhö.
→ III: Weitere Nebenwirkung: Sind u.a.:
→ 1) Kopfschmerzen und Schwindel.
→ 2) Immunallergische Reaktionen, seltene, dann jedoch schwere Neutropenie (Ticlopidin > Clopidogrel > Prasugrel) thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (Ticlopidin > Clopidogrel) und nicht zuletzt die Thrombozytopenie.
→ 3) Unter der Ticagrelor Behandlung kann es in 15% der Fälle zum Auftreten von Dyspnoe kommen.
→ Kontraindikationen: Wichtige Kontraindikationen für die Behandlung von ADP-Rezeptor-Antagonisten sind u.a.:
→ I: Gastrointestinale und v.a. intrakranielle Blutungen sowie hämorrhagische Diathesen.
→ II: Schwere Leberfunktionsstörungen,
→ III: Schwangerschaft und Stillzeit (unzureichende Datenlage).
→ Wechselwirkungen:
→ I: Die Kombination mit weiteren Antikoagulanzien (z.B. ASS, Heparin, Glykoprotein Ib/IIIA-Antagonisten) oder Fibrinolytika erhöhen das Blutungsrisiko deutlich.
→ II: Hemmstoffe der CYP2C19 vermindern die Wirkung von Clopidogrel.
→ III: Ticagrelor:
→ 1) Bei gleichzeitiger Anwendung von Ticagrelor und Simvastatin kann es zum Anstieg der Simvastatin-Konzentration kommen.
→ 2) Zudem ist Ticagrelor ist ein P-Glykoprotein-Inhibitor, sodass die Kontrolle P-Glykoprotein-abhängiger Pharmaka mit einer geringen therapeutischen Breite (z.B. Digoxin oder Cyclosporin) obligat ist.