Definition: Bei der mikroskopischen Kolitis handelt es sich um eine makroskopisch nicht sichtbare, jedoch mikroskopisch nachweisbare Entzündung der Darmmucosa mit konsekutiver chronischer Diarrhö und umfasst zwei idiopathische inflammatorische Darmerkrankungen.

 

Klassifikation: Man unterscheidet bei der mikroskopischen Kolitis 2 Formen:

→ I: Kollagene Kolitis: Es zeigt sich eine vermehrte subepitheliale Kollagenablagerung (> 10µm).

→ II: Lymphozytäre Kolitis: Sie ist durch eine erhöhte Anzahl intraepithelialer Lymphozyten (> 20 Lymphzyten/100 Epitehlzellen) sowie entzündliche Infiltrationen der Lamina propria gekennzeichnet.

 

Epidemiologie:

→ I: Die Inzidenz für die kollagene Kolitis liegt bei 2/100000/Jahr (Häufigkeit steigend); für die lymphozytäre Kolitis bei 3/100000/Jahr (Häufigkeit auch steigend).

II: Frauen sind 5x häufiger als Männer betroffen, wobei der Manifestationsgipfel jenseits des 60. Lebensjahres liegt.

→ III: Eine familiäre Häufigung wird beschrieben.

 

Ätiologie:

→ I: Nicht genau bekannt; eine genetische Disposition wird angenommen.

→ II: Zudem wird eine abnorme Immunreaktion auf intraluminale Antigene vermutet. 

III: Die Einnahme von NSAR oder SSRI sowie der reduzierte Gehalt an Matrixmetalloproteinase-1 (MMP-1), das zu einem verminderten Abbau von Kollagen führt, können die Entwicklung der Kolitis triggern.

584 Mögliche auslösende Medikamente der mikroskopischen Kolitis

 

 Klinisch-relevant: Die mikroskopische Kolitis ist vermehrt mit Autoimmunerkrankungen wie der:

A) Rheumatoider Arthritis, 

→ B) Systemischen LE, 

→ C) CREST-Syndrom,

→ D) Einheimische Sprue und 

→ E) Dem Sjögren-Syndrom etc. vergesellschaftet.

 

Klinik:

→ I: Leitsymptom ist die chronisch-persistierende, wässrige Diarrhoe (> 4 Wochen); z.T. verläuft sie auch schubartig.

II: Nächtliche Diarrhoe,

→ III: Gewichtsverlust sowie

IV: Abdominale Schmerzen, Übelkeit und Meterorismus.

 

Klinisch-relevant:

→ A) Bei Patienten mit chronisch wässrigen Durchfällen unklarer Genese sollte immer eine Koloskopie des gesamten Dickdarms mit Stufenbiopsie durchgeführt werden, da in 10% der Fälle histologisch eine mikroskopische Kolitis nachgewiesen werden kann.

B) Die mikroskopische Kolitis breitet sich diskontinuierlich aus (Stufenbiopsie).

C) 25 % befinden sich im Bereich des rechten Hemikolons.

Pathologie:

→ I: Kollagene Kolitis: Zeichnet sich durch eine Verbreiterung des subepithelialen Kollagenbandes (> 10µm, normal 3-5µm), aufgrund eines verminderten Kollagenabbaus, aus. Weitere Charakteristika sind u.a.: 

→ 1) Infiltration von insbesondere Lymphozyten und Granulozyten in der Lamina propria. 

→ 2) Abflachung des Deckepithels mit Vermehrung intraepithelialer Lymphozyten.

II: Lymphozytäre Kolitis: Ist durch eine intraepitheliale Lymphozytose (> 20 Lymphozyten pro 100 Deckepithelzellen) gekennzeichnet. Ein Kollagenband fehlt jedoch.

 

Diagnose: Koloskopie des gesamten Dickdarms mit Stufenbiopsie, da die mikroskopische Kolitis einen segmentalen Befall aufweist. Insbesondere im Bereich der proximalen Kolonanteilen ist der Befund mit 70% der Fälle deutlich häufiger positiv als bei der distalen Befundung (nur in 30% der Fälle positiv). Makroskopisch erscheint die Kolonschleimhaut typischerweise unauffällig, gegebenenfalls manifestiert sich eine leichte Schleimhautrötung, evtl. ein geringes Schleimhautödem und möglicherweise eine verwaschene Gefäßzeichnung. Erst der histologische Befund lässt die genau Diagnose zu.

 

Differenzialdiagnose: Von der mikroskopischen Kolitis müssen insbesondere nachfolgende gastroenterologische Erkrankungen abgegrenzt werden:

→ I: Reizdarmsyndrom,

585 Differenzialdiagnose zwischen makroskopischer Kolitis und Reizdarmsyndrom

II: Laktoseintoleranz

III: Sprue,

→ IV: Kolitis infektiöser Genese und nicht zuletzt

 IV: Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie den Morbus Crohn und insbesondere die Colitis ulcerosa.

Therapie:

→ I: Sofortiges Absetzten möglicher auslösender Medikamente wie NSAR, Beta-Blocker, Bisphophonate, Statine SSRI, etc. führt meistens schon zur deutlichen Besserung.

II: Ansonsten Gabe eines Glukockortikoids 9mg/d, nach klinischer Besserung stufenweise Dosisreduktion über 6-8 Wochen.

III: Symptomatisch evtl. Substitution von Loperamid, beim Gallensäureverlust-Syndrom Gabe von Colestyramin.

 IV: Die ultima Ratio ist eine operative Therapie mit Proktokolektomie und Anlage eines Ileostomas.

583 Medikamentöser Stufenplan bei mikroskopischer Kolitis

 

Prognose:

→ I: Die mikroskopische Kolitis weist häufig einen chronisch rezidivierenden Krankheitsverlauf mit z.T. jahrelangen symptomfreien Intervallen auf.

→ II: Eine Spontanremission findet man nur in seltenen Fällen.

→ III: Gefürchtete Langzeitkomplikationen stellen insbesondere die Nebenwirkungen der Glukokortikoid-Therapie dar.