Definition: Die ischämischen Kolitis stellt neben der Angina abdominalis und dem Mesenterialarterieninfarkt eine ischämische Darmerkrankung dar. Es handelt sich um eine nicht-infektöse Entzündung der Dickdarmschleimhaut aufgrund einer Minderperfusion der Darmmukosa.

 

Anatomie: Die arterielle Versorgung des Dickdarms erfolgt über die Arteria mesenterica superior und inferior.

→ I: A. mesenterica superior: Aus ihr gehen u.a. hervor:

→ 1) A. iliocolica: Versorgt das terminale Ileum, die Appendix und das proximale Kolon ascendens.

→ 2) Arteria colica dexter: Versorgt den Hauptteil des Colon ascendens und die rechte Flexur.

→ 3) Arteria colica media: Versorgt das proximale Colon transversum.

→ II: Arteria mesenterica inferior: Verzweigt sich in die:

1) Arteria colica sinistra: Die das distale Colon transversum und die linke Flexur versorgt,

→ 2) A. sigmoidea: Die das Kolon descendens und das Sigma und die

→ 3) A. rectalis superior: Die das proximale Rektum versorgt. Das distale Rektum wird über die A. iliaca interna versorgt. Zwischen den Gefäßen besteht eine Vielzahl von Kollateralen.

700 Schematische Darstellung der arteriellen Versorgung des Dickdarms

 

Epidemiologie:

→ I: Die ischämische Kolitis stellt die häufigste Manifestation gastrointestinaler Ischämien dar.

→ II: Der Manifestationsgipfel liegt jenseits des 70. Lebensjahres, wobei beide Geschlechter gleich häufig betroffen sind.

→ III: Sie tritt in > 85% der Fälle im Bereich der linken Flexur (= Riolan-Anastomose, die im Alter häufig arteriosklerotisch verändert ist) und des rektosigmoidalen Übergangs auf, da hier eine unzureichende Kollateralversorgung besteht.

 

Pathogenese: Diese Form der Kolitis stellt eine ischämische Läsion des Kolons mit sekundären Entzündungsprozessen dar, ist in der Regel segmental begrenzt und zumeist im Bereich der linken Kolonflexur lokalisiert. Hinsichtlich ihres Entstehungsmechanismus unterscheidet man zwischen einer:

→ I: Okklusiven ischämischen Kolitis: Entwickelt sich infolge von thrombotischen, seltener embolischen Verschlüssen kleinerer oder mittlerer Mesenterialarterienästen. Ursache ist ein ausgeprägter Blutdruckabfall, der durch z.B. einen Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz, Schock (z.B. septischer -. kardiogener -, hypovolämischer Schock) etc. hervorgerufen wird. Die okklusive ischämische Kolitis weist eine günstigere Prognose auf.

→ II: Nich-okklusive ischämische Kolitis: Sie entsteht aufgrund einer verminderten Blutzirkulation, verursacht durch eine ausgeprägte Arteriosklerose. Die Prognose ist ungünstiger.

III: Weitere Risikofaktoren: Sind u.a.:

→ 1) Vasokonstriktive Medikamente wie Digitalis, aber auch Kontrazeptiva, NSAR, Cocain- sowie Amphetamin-Missbrauch können einen Risikofaktor darstellen.

→ 2) Postoperativ nach gefäßchirurgischen Eingriffen im Bereich der Aorta abdominale und am aortoiliakalen Übergang.

528 Ursachen für die Entstehung einer ischämischen Kolitis

 

Pathologie: Bezüglich der Längen- und Tiefenausdehnung der ischämischen Läsion unterscheidet man verschiedene Formen:

→ I: Transitorische nichtgangränöse Kolitis: Sie stellt die häufigste Verlaufsform dar und wird durch eine kurzzeitige Ischämie der A. mesenterica inferior hervorgerufen. Charakteristisch hierbei ist, dass die hämorrhagische Nekrose nur auf die Mucosa begrenzt ist.

529 Charakteristika der transitorischen ischämischen Kolitis

→ II: Strikturierende Kolitis: Zeichnet sich durch den Ersatz der Nekrosen durch Granulationsgewebe aus. Folge ist die Ausbildung eines stenosierenden Narbengewebes.

530 Charakteristika der strikturierenden ischämischen Kolitis

 → III: Partiell-nekrotisierende Kolitis: Charakteristikum ist eine langstreckige Nekrose der inneren Wandschichten, die im weiteren Krankheitsverlauf ausgeschieden werden und in Form von Strikturen ausheilt.

531 Charakteristika der partiell nekrotisierenden Kolitis

→ IV: Transmurale gangränöse Kolitis: Es manifestiert sich eine vollständige Nekrose aller Darmwandschichten und wird als totaler hämorrhagischer Darminfarkt bezeichnet.

532 Charakteristika der transmuralen nekrotisierenden Kolitis

 

Klinik: Nach der Verlaufsform unterscheidet man zwischen einem

→ I: Akuten Verlauf: Mit plötzlich einsetzenden kolikartigen Schmerzen, insbesondere im linken Unterbauch und blutigem Diarrhoe. Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, und Fieber sprechen für einen schweren Krankheitsverlauf.

→ II: Chronischer Verlauf: Hierbei stehen Abdominalschmerzen und blutige Diarrhoe im Vordergrund.

→ III: Formspezifische Symptome:

→ 1) Insbesondere bei der partiell-nekrotisierenden Kolitis entwickelt sich zusätzlich eine Ileussymptomatik.

→ 2) Bei der transmuralen nekrotisierenden Kolitis steht das klinische Bild des akuten Abdomens im Vordergrund.

 

Komplikationen: Schwerwiegende Komplikationen sind vor allem die:

→ I: Durchwanderungs-Peritonitis. 

→ II: Ausbildung eines toxischen Megakolons und 

→ III: Protrahiertes Schockgeschehen zumeist im Rahmen einer Sepsis. 

 

Diagnose:

→ I: Anamnese/klinische Untersuchung:

→ 1) Abklärung der Risikofaktoren wie höheres Lebensalter, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Hypoalbuminämie, Hämodialyse etc. die zur ischämischen Kolitis führen können.

→ 2) Palpation des Abdomens mit Nachweis von Druckdolenz, Abwehrspannung sowie eines rektal-digitalen Blutungsnachweises (25% der Fälle) etc.

→ II: Labor: Es existieren keine charakteristischen laborchemischen Veränderungen. Es kann jedoch zur Erhöhung des Serumlaktats, der LDH und Creatininkinase sowie evtl. der Amylase.

→ III: Bildgebende Verfahren:

→ 1) Abdomensonographie: Mit Nachweis einer massiv flüssigkeitsbedingten Darmwandverdickung sowie evtl. fehlender – oder Pendelperistaltik. Zusätzlich kann ggf. Flüssigkeit zwischen den Darmschlingen als Zeichen eines Ileus bzw. einer Peritonitis dargestellt werden. 

→ 2) Röntgen-Abdomen: Abdomenübersichsaufnahme zur Darstellung einer verdickten Kolonwand, evtl. Ileuszeichen mit Spiegelbildung. Beim Kolonkontrasteinlauf mit einem wasserlöslichen KM (z.B. Gastrografin) lässt sich ab dem 3. Tag ein submuköses Ödem in Form einer polypösen Kontrastmittelaussparung sowie Daumenabdruck-Zeichen (= Thrumb prints) als Beweis einer Mukosaeinblutungbzw. Flüssigkeitseinlagerung eruieren.

3) Koloskopie + Histologie: Es zeigt sich im Frühstadium eine ödematös-verdickte Kolonschleimhaut mit Einblutungen; im späteren Krankheitsverlauf stellen sich Ulzerationen, Pseudomembranen, Nekrosen und Stenosierungen dar. Die Diagnose wird histologisch gesichert.

→ 4) Angiographie: Wird nur selten durchgeführt. Hier lassen sich ggf. Kaliberschwankungen und Gefäßverengungen nachweisen.

 

→ Differenzialdiagnose: Von der ischämischen Kolitis müssen insbesondere nachfolgende Erkrankungen abgegrenzt werden:

→ I: Infektiöse Gastroenteritis,

→ II: Pseudomembranöse Kolitis,

→ III: Strahlenkolitis, aber auch die Diversionskolitis, etc.

→ IV: Divertikulitis,

→ V: Chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn und nicht zuletzt

→ VI: Kolorektales Karzinom.

 

Therapie:

→ I: Konservative Therapie: Hier stehen Nahrungskarenz, Elektrolyt- und Flüssigkeitssubstitution, Stabilisierung der Hämodynamik durch Applikation von Katecholaminen, Heparin in Low-dose, Anlage einer Magensonde bei Ileus, bei V.a. Durchwanderungsperitonitis die Antibiotika-Gabe etc. im Vordergrund.

→ II: Operative Therapie: Insbesondere bei schweren Krankheitsverläufen indiziert.

→ 1) Durchblutungsstörungen können mittels Ballondilatation oder Thrombendarteriektomie wiederhergestellt werden.

→ 2) Entwickelt sich ein gangränöse Kolitis werden nekrotische Darmabschnitte reseziert.

 

Prognose: 

→ I: Die Prognose für die ischämische Kolitis ist häufig gut. Bei den meisten Patienten kommt es innerhalb von einigen Tage zur deutlichen klinischen Besserung der Symptomatik und heilt innerhalb von einigen Wochen aus.

→ II: In 20% der Fälle bildet sich jedoch eine chronische Kolitis mit charakteristischen ischämischen Läsionen und Strikturen aus.

→ III: Bei der transmuralen nekrotisierenden Kolitis liegt die Letalitätsrate jedoch zwischen 40-80%.